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Krieg am Boden -> Die amerikanische Militärverwaltung in St. Wendel 1945

War Diary

 

Das Kriegstagebuch des amerikanischen Stadtkommandanten von St. Wendel im April 1945

 

 

Quelle: National Archives at College Park, Record Group 331, SHAEF, Civil Affairs (G-5), 9369/542

 

abgeschrieben und ins Deutsche übersetzt: Roland Geiger, St. Wendel

 

V E R T R A U L I C H

 

Detachment I1A2

Co A, 2nd ECAR

APO 658

 

1. Mai 1945

 

Betreff: Übersendung eines Kriegstagebuches

An:     Den kommandierenden General, Fünfzehnte US Armee, APO 408, US Army

         (zu Händen: Stellvertretender Stabschef, G-5 Section)

 

Beigefügt wird das Kriegstagebuch des Detachments I1A2 übersandt gemäß § 1237 des Handbuchs für die Militärverwaltung in Deutschland vor der Niederlage oder Kapitulation.

 

Stanley R. Jacobs

Captain, CMP

kommandierender Offizier

der Militärverwaltung

 

Verteiler:

1 Exemplar kommand. General, 15th US Army (z.H.: A/C of S, G-5)

1 Exemplar kommand. General, 15th US Army (z.H.: A/C of S, G-5, Historical O)

1 Exemplar kommand. General, XXIII Corps (z.H.: A/C of S, G-5)

1 Exemplar kommand. General, 28th Inf Div (z.H.: Senior Military Government Officer)

 

V E R T R A U L I C H

 

1 April 1945

Dr. jur. George Blank, ehemaliger Bürgermeister der Stadt Neunkirchen und niemals ein Mitglied der Nazi-Partei, wurde zum amtierenden Bürgermeister der Stadt wiederernannt. Vincens Schreibenrif, der vorherige Bürgermeister, der entlassen worden war, wurde als Sekretär des Bürgermeisters behalten.

 

Die französischen Truppen in Neunkirchen halten auch weiterhin Lkws an, die mit Ausnahmegenehmigungen der Militärverwaltung fahren und für die Nahrungsmittelversorgung der Region eingesetzt werden, plündern sie und nehmen alles an sich. Während des Tages wurden 600 Zwangsarbeiter (displaced persons = verschleppte Personen) von Neunkirchen zum Zwangsarbeiterlager in Baumholder verlegt. Zwei Drittel der Fahrten wurden mit deutschen Zivilfahrzeugen durchgeführt unter Verwendung von deutschen Fahrern und deutschem Benzin. Nach Absprache mit dem kommandierenden Offizier des 558th Field Artillery Battalion hat der Offizier, der in diesem Detachment für die Militärverwaltung zuständig ist, einen Zug dieser Einheit nach Neunkirchen als Sicherungswache abkommandiert.

 

2. April 1945

Dr. Max Rech wurde wieder als Landrat des Landkreises Ottweiler - St. Wendel eingesetzt. Er war auf höheren Befehl hin bis zum heutigen Tag suspendiert , durch das C.I.C. (Counter Intelligence Corps = Feind-Aufklärungs-Corps) sorgfältig überprüft und auf dessen Weiße Liste gesetzt worden. Er war seit 1920 Landrat gewesen. Damals hatte er diese Position von der Kommission des Völkerbundes erhalten, die aus einem Kanadier, einem Franzosen, einem Dänen, einem Tschechen und einem Deutschen bestanden hatte. Neue amtierende Bürgermeister wurden eingesetzt in den Orten Roschberg, Bliesen, Oberthal, Gronig, Marpingen, Remmesweiler und Oberlinxweiler. Keiner der neu Ernannten war jemals Mitglied der Nazi-Partei gewesen. Die französischen Truppen in Neunkirchen verhalten sich weiterhin ordnungswidrig und plündern. In Ottweiler gibt es außer einem Offizier und einem Mannschaftsdienstgrad dieses Detachments kein militärisches Personal. Im Laufe des Tages wurden 360 Zwangsarbeiter von Neunkirchen und 100 von Heiligenwald in das Lager von Baumholder gebracht. Beide Verlegungen wurde vollständig mit deutschen Fahrzeugen, Fahrern und mit deutschem Sprit durchgeführt. 3.000 Pfund Mehl aus Illingen wurde an die Abteilung H1A2 in Saarbrücken zur Verteilung an die Zivilbevölkerung gegeben. 3.000 Pfund Brot wurden an die Zwangsarbeiter Abteilung in Lebach zur Verteilung an Zwangsarbeiter ausgegeben. Die Milchproduktion in St. Wendel ist in vollem Gange. In den vier Tagen seit Wiederaufnahme der Produktion ist die Milchmenge von 3.000 Litern am ersten Tag auf 8.000 Liter am heutigen Tag gestiegen. 530 Pfund Butter wurden ebenfalls erzeugt und für die Zivilbevölkerung bereitgestellt, wobei 100 Pfund an die beiden Hospitäler in St. Wendel ausgegeben wurden.

 

3. April 1945

Da alle Zwangsarbeiter aus Neunkirchen weggebracht wurden, sind die Probleme, die öffentliche Sicherheit betreffend, dort erheblich reduziert worden. Heute wurden weitere 350 aus dieser Stadt in das Lager von Baumholder gebracht, wieder benutzte man deutsche Ausrüstung und Fahrer. Einige Wagenladungen voll mit Plünderungsgut wurden von Zwangsarbeiter sichergestellt, als man bei ihnen vor dem Verladen auf die Lkws eine Inspektion durchführte. Außerdem fand man Waffen und Munition bei ihnen. Ein halbes Dutzend Gruppen bisher noch nicht entdeckter Zwangsarbeiter - insgesamt etwa 100 bis 200 Personen pro Gruppe - wurden in der Umgebung von Neunkirchen entdeckt. 12.000 Liter Milch werden jetzt täglich in der St. Wendeler Molkerei erzeugt. Die Sägemühle in Neunkirchen kann sofort die Arbeit aufnehmen, ihre Auslastung liegt bei zehn- bis zwanzigtausend Fuß Brettern pro Tag. Zur Zeit sind 200.000 Fuß gesägtes, nicht grundiertes (unsized) Holz zur Verfügung.

 

4. April 1945

Major Woodall, der kommandierende Offizier des Zwangsarbeiter Lagers bei Lebach, ist heute hier erschienen, um die Nahrungsmittelversorgung des Lagers zu besprechen, und dieser Landkreis stellt zur Zeit die Versorung mit 75 Prozent des Nahrungsmittelbedarfs des Lagers sicher. Neue amtierende Bürgermeister wurden eingesetzt in den Orten Landsweiler, Aschbach, Thalexweiler und Humes. Keiner der neu Ernannten war jemals Mitglied der Nazi-Partei gewesen. Ungefähr 350 Zwangsarbeiter wurden von Neunkirchen in das Lager von Baumholder verlegt. Eine Untersuchung der öffentlichen Versorgungsbetriebe der Stadt Neunkirchen ergab: Das Straßenbahnsystem wird von der Neunkirchener Strassenbahn AG betrieben und reicht bis nach Wiebelskirchen, Spiesen, Heiligenwald und andere Kommunen in der Umgebung. Es gibt einen Vorrat an Reparaturmaterialien, die Reparaturarbeit an den Linien wurde aufgenommen. Es wird geschätzt, daß es bei manchen Linien mindestens einen Monat, bei anderen mindestens fünf Monate dauern wird, bevor sie wieder in betriebsbereitem Zustand sind. Das elektrische System wird repariert, vor allem die Umspannzentrale, die schwer beschädigt wurde. Momentan erhält die Stadt 60 Prozent ihrer Elektrizität vom Bergwerk König. Das gesamte Gasverteilungssystem ist komplett zerstört. Man hat mit der Reparatur der Leitung zur Milchfabrik Gimbels begonnen, aber die Reparaturzeit des ganzen Systems wird auf vier bis sechs Monate geschätzt. Die Wasserversorgung arbeitet in praktisch jedem Ort des Landkreises Ottweiler-St. Wendel wieder, und in der Stadt Neunkirchen sind die Arbeiten an der Wasserversorgung, die nicht so schwer beschädigt war, vollendet. Das Telefon- und Telegrafensystem in Neunkirchen wurde völlig abgeschnitten und außer Funktion gesetzt. Über die Beschädigungen an den Eisenbahnschienen, -zügen und -waggons liegen noch keine Einschätzungen vor.

 

5. April 1945

7.800 deutsche Bergleute wurden bereits registriert und in Neunkirchen mit Ausweisen ausgestattet. Zwangsarbeiter kann man für diese Arbeiten nicht einsetzen, da die G-4 Solid Fuels Commission der SHAEF Saar-Unit befürchtet, daß letztere eher geneigt wären, die Arbeit in den Bergwerken zu sabotieren. Ungefähr 260 Personen wurden heute von Neunkirchen zum Zwangsarbeiter Lager bei Baumholder verlegt. Der Bürgermeister von Steinbach wurde entlassen und durch einen Nicht-Nazi ersetzt. Alle Orte scheinen in Ordnung zu sein, die Bevölkerung ist augenscheinlich ordentlich, gehorsam und kooperativ.

 

6. April 1945

Graf Lorenz von Valder Brasserwitz wurde in Elversberg verhaftet wegen Besitzes von Feuerwaffen und weil er sich auch andersweitig verdächtig verhalten hat. Etwa 350 Personen wurden von Neunkirchen aus ins Zwangsarbeiter-Sammellager in Baumholder gebracht. Lebensmittelkarten mit Gültigkeitsdauer von drei Wochen mit Beginn am 9. April wurden im Landkreis Ottweiler - St. Wendel ausgeteilt. Insgesamt werden 210.000 Karten ausgeteilt, die Anzahl basiert auf den Unterlagen aus früheren Zeiträumen. Es wird erwartet, daß eine große Anzahl unbenutzt bleiben werden, weil die Bevölkerung in die Kreise Saarlouis und Saarbrücken zurückgekehrt ist. Theodor Trest wurde zum Polizeichef von Neunkirchen ernannt, er hatte bis jetzt die Kriminalpolizei-Einheit dort geleitet. Er ist bereits seit 30 Jahren Berufspolizist. Die Kriminalpolizei und die Schutzpolizei werden zusammengeschlossen und um die neu ernannte Militärverwaltungs-Polizei ergänzt. Trest war nicht Mitglied der Nazi-Partei.

 

7. April 1945

Das Detachment hat sein Hauptquartier von St. Wendel nach Ottweiler in die Hindenburgstraße 3 verlegt, weil die letztgenannte Stadt die Hauptstadt des Landkreises ist und mitten in dessen Territorium liegt; von dieser zentralen Position aus wird einiges leichter werden. Sieben Personen aus Namborn wurden verhaftet und sollen verhört werden; sie stehen unter dem Verdacht, Waffen und Munition zu besitzen. Sie wurden im St. Wendeler Gefängnis untergebracht, aber später entlassen, weil sie sich entlasten konnten. Ungefähr 260 Personen wurden heute von Neunkirchen zum Zwangsarbeiter Lager bei Baumholder verlegt.

 

8. April 1945

Ungefähr 320 Personen wurden heute von Neunkirchen zum Zwangsarbeiter Lager bei Baumholder verlegt. Der Bürgermeister von Hangard und die Amtsbürgermeister von Spiesen und Elversberg wurden in ihren Positionen bestätigt. Der Bürgermeister von Heiligenwald wurde entlassen und durch den amtierenden Bürgermeister ersetzt, der nicht Mitglied der Nazi-Partei war. Auch in Urexweiler wurde ein Bürgermeister eingesetzt.

 

9. April 1945

Die Verwaltung der Stadt Ottweiler wurde reorganisiert. Der frühere Bürgermeister wurde entlassen und Dr. Leo Punnel als amtierender Bürgermeister eingesetzt. Er wird unterstützt durch einen Rat aus acht Männern, die nicht in der Nazi-Partei waren. Ungefähr 160 Personen wurden heute von Neunkirchen zum Zwangsarbeiter Lager bei Baumholder verlegt. 6 Banken in Neunkirchen, eingeschlossen die Reichsbanknebenstelle, zwei in St. Wendel und eine in Ottweiler haben wieder geöffnet, nachdem sie den Gesetzen und Befehlen der Militärverwaltung entsprachen. Es gibt keine Einschränkungen über die Auszahlung von Einlagen, aber während der Öffnungszeit wurden keine großen Auszahlungen verlangt. Das Finanzamt, das Zollamt und das Steueramt in St. Wendel und die Steuerämter von Neunkirchen und Ottweiler begannen wieder ihren Dienst, um Steuern einzuziehen. Den Städten St. Wendel und Ottweiler wurden Haushaltsmittel für den Monat April zur Verfügung gestellt, und sie wurden ermächtigt, in diesem Zusammenhang Geld auszugeben.

 

10. April 1945

Christian Zimmer, Bürgermeister von Hüttigweiler, wurde aus dem Dienst entlassen. Er wurde ersetzt durch Ludwig Sahaner. Sahaner war von 1933 bis 1935 Bürgermeister gewesen und dann durch die Nazis abgesetzt worden. Er war nie Mitglied der Partei.

 

11. April 1945

Der Stadtrat von Ottweiler setzt sich aus zwei Kommunisten, zwei Mitgliedern der Zentrumspartei, zwei Mitgliedern der lutheranischen Partei und zwei Mitgliedern der SPD zusammen.

 

12. April 1945

Das summarische Gericht der Militärverwaltung hatte versucht, deutsche Zivilisten zu bestrafen, denen der illegale Besitz von Feuerwaffen nachgewiesen wurden. Sie wurden als schuldig befunden und zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 5.000 Reichsmark verurteilt. Die Geldstrafe wurde nicht bezahlt. Die Bürgermeister von Landsweiler-Reden und Pinsweiler wurden entlassen und durch Männer ersetzt, die niemals Mitglied der Nazi-Partei gewesen waren.

 

13. April 1945

Captain Jacobs berichtete Lieutenant Colonel E.O. Keller, stellvertretender Stabschef der G-5 Section, XXIII. Corps, da das Detachment dieser Einheit unterstellt wurde. Die Gebr.-Röchling-Bank in St. Wendel hat Auszahlungen von etwa 17.000 Reichsmark, womit sie fünf Tage gearbeitet haben, und Einlagen von etwa 54.000 Reichsmark. Insgesamt übersteigen die Auszahlungen leicht die Einlagen, weil Geldmittel zum Leben benötigt werden und die Geschäfte noch geschlossen und Gehälter nicht gezahlt werden. Ungefähr 160 Personen wurden heute von Neunkirchen verlegt. Damit erreicht die Gesamtzahl der Zwangsarbeiter, die seit 21. März 1945 aus dem Landkreis Ottweiler - St. Wendel verlegt wurden, die Zahl "10.000".

 

14. April 1945

In Neunkirchen wurde ein Gefängnis eingerichtet. Zwei Ortsgruppenleiter und ein vermutlicher Gestapo-Agent wurden dem CIC übergeben. Das summarische Gericht der Militärverwaltung hat zwei Personen, die das Ausgehverbot mißachtet haben, mit jeweils 14 Tagen Gefängnis belegt. Die Bürgermeister von Wiebelskirchen, Niederlinxweiler, Heisterberg, Werschweiler, Eisweiler und Elversberg wurden entlassen und durch die amtierenden Bürgermeister ersetzt.

 

15. April 1945

Erlaubnis wurde erteilt zur Wiedereröffnung der vier Hauptstellen und der kleineren Nebenstellen der Kreissparkasse Ottweiler. Weitere Verlegungen von Zwangsarbeitern wurden zeitweilig ausgesetzt, weil die Lager sie nicht mehr aufnehmen können. Die Polizeimacht von St. Wendel wurde neu organisiert. Sie besteht aus 20 Männern, sieben von ihnen sind Berufspolizisten. Ein Bericht ist eingegangen über drei amerikanische Soldaten, die in einem 6x6-truck nahe Niederlinxweiler zwei deutsche Mädchen entführt haben. Das Kennzeichen des Fahrzeuges wurde nicht notiert, und obwohl man eine sorgfältige Suche durchführte, wurden sie nicht gefunden. Die B-Batterie des 767th Field Artillery Battalions übernimmt ab heute hier in diesem Gebiet die Rolle der Besatzungstruppen. Der Landrat und der Bürgermeister der Stadt Ottweiler erscheinen jeden Tag im Hauptquartier des Detachments zu einer Besprechnung, während die Bürgermeister von Neunkirchen und St. Wendel von Mitgliedern des Detachments aufgesucht werden, die diese Städte täglich aufsuchen und in den dortigen Rathäusern ein Büro haben.

 

16. April 1945

Drei weiteren Banken wurde die Erlaubnis zur Wiedereröffnung erteilt. Unter der örtlichen Bevölkerung geht das Gerücht um, daß die 100-Reichsmark-Noten der regulären deutschen Währung nicht mehr länger gültig seien oder bald als ungültig erklärt würden. Diese Information ging von der Reichsbanknebenstelle Neunkirchen aus mit der Erklärung, daß die 100-Reichsmark-Note die einzige sei, die ein großes Hakenkreuz zeige - mit Ausnahme der neu ausgegebenen 20-Reichsmark-Note, die erst letzten Monat in Umlauf gegeben wurde und unter der Bevölkerung noch nicht so recht bekannt ist. Der Bürgermeister von Dörrenbach wurde durch den amtierenden Bürgermeister ersetzt, der nicht Mitglied der Nazi-Partei gewesen war.

 

17. April 1945

57 Kriegsgefangene wurden an die 19th Cavalry Squadron übergeben, um in ein Kriegsgefangenenlager überführt zu werden. Unter diesen Gefangenen war ein weiblicher Funker. In der zweiten Woche nach dem Wiederöffnen der Banken herrscht in der Öffentlichkeit die Meinung vor, daß die Banken sicher sind. Die Saar-Gruben-Kohlen-Bergwerksgesellschaft (Saar Group Coal Mines) hat 2.800.000 Reichsmark an ihre Arbeiter und Angestellten für fällige Löhne und Gehälter ausgezahlt. Das summarische Gericht der Militärverwaltung hat zwei Verfahren angestrebt. Ein Mann, der gegen das Ausgehverbot verstoßen hatte, wurde als schuldig befunden und zu 14 Tagen Haft verurteilt. Eine Frau hatte ihren Hausarrest gebrochen (?) und wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und zu einer Geldstrafe von 10.000 Reichsmark, die aber nicht bezahlt wurde.

 

18. April 1945

Captain Scuka, der Medizinische Officier des Zwangsarbeiter Teams 103 in Homburg gab an, daß der einzige Spezialist für Geschlechtskrankheiten im gesamten Gebiet ein Dr. Altman vom Knappschaftschaftskrankenhaus Neunkirchen sei. Captain Jacobs gab diesem Krankenhaus den Befehl, alle geschlechtskranken Zwangsarbeiter aus Homburg aufzunehmen. Nicht mehr als ein halbes Dutzend wurden bisher eingeliefert, und es wird auch nicht erwartet, daß es viel mehr werden. Die Bürgermeister von Bergweiler, Hasborn und Scheuern wurden entlassen und durch die amtierenden Bürgermeister ersetzt, die nicht Mitglied der Nazi-Partei gewesen waren. Die Bürgermeister von Tholey, Sotzweiler, Theley und Überroth-Niederhoven wurden in ihren Ämtern als amtierende Bürgermeister bestätigt, nachdem man sie untersucht und als für ihre Positionen tragbar gefunden hatte. Die Einzahlungen der letzten beiden Tage übersteigen die Auszahlungen der Kreissparkasse Ottweiler, womit der Erfolg der Maßnahme angezeigt wird, daß man die Ausgaben nicht limitiert hatte. 40 französische Gendarmen wurden zu den 120 französischen Infanteristen in Neunkirchen abgestellt.

 

19. April 1945

In der Sägemühle von Ottweiler ist ein Feuer ausgebrochen, das erheblichen Schaden angerichtet hat. Mit Hilfe der Feuerwehren von Neunkirchen und Wiebelskirchen, die die Feuerwehr von Ottweiler unterstützten, konnte es unter Kontrolle gebracht werden. Unter Führung des kommandierenden Offiziers der B-Batterie des 767th Field Artillery Battalions soll die Ursache des Feuers untersucht werden. Der Straßenbahndienst wurde in Neunkirchen teilweise wieder aufgenommen, eine Linie führt zu den Bergwerken. Ein Bericht ging ein über etwa 1.000 Schuß 105er Munition, 1 Dutzend Kisten etwa mit Zündern für die 105er Munition und ein Dutzend 4.5er Raketen nahe Wiebelskirchen. Diese Meldung ging bei der örtlichen Polizei ein, aber diese ist nicht dafür ausgerüstet, mit Munition umzugehen. Das Material wird natürlich entfernt.

 

20. April 1945

Weiterhin gehen Berichte über verschiedene Vorfälle über Plünderungen durch die französisches Personal Truppen in Neunkirchen ein. Französisches Personal verstößt außerdem gegen Paragraph 4, Artikel II des Gesetzes 151, welches Transaktionen in anderen Währungen als der Reichsmark untersagt. Die Franzosen bezahlen gekaufte Artikel in Francs, was verboten ist.

 

21. April 1945

Hitlers Geburtstag ist ohne sichtbare Hinweise darauf, daß ihm jemand Beachtung zollt, vorübergegangen. Göbbels Rede hat man generell nicht zugehört. Milch aus dem Landkreis Ottweiler - St. Wendel wurde nach Friedrichsthal im Kreis Saarbrücken ausgeliefert. Die Brotrationen wurden von 1.500 Gramm pro Person pro Woche auf 1.000 Gramm pro Woche und die Fleischration von 250 Gramm pro Person pro Woche auf 150 Gramm pro Woche verkürzt. Die Schwerarbeiter in den Bergwerken erhalten Extrarationen; die zentralen Küchen der Bergwerke richten ihnen pro Tag eine Mahlzeit zu. 75 % des Nahrungsmittelbedarfs aus den Zwangsarbeiter-Sammellagern, deren Bevölkerung etwa 6.000 Personen umfaßt, werden durch den Landkreis Ottweiler - St. Wendel gestellt. Dieses Lager befindet sich in Lebach, Kreis Saarlautern.

 

22. April 1945

In den meisten Gebieten sind die Bedingungen normal. Die Bevölkerung scheint - dem äußeren Anschein nach - die Besetzung friedlich hinzunehmen und bleibt weiterhin gehorsam und ordentlich. Vereinbarungen wurden getroffen, daß im Falle, daß Unterstützung benötigt wird, der Landkreis Ottweiler - St. Wendel diese vom Landkreis Birkenfeld erhält, sofern sie dieser zur Verfügung stellen kann. Außerdem wurden Vereinbarungen getroffen, daß unbehandelte Tierhäute aus Neunkirchen mit fertigen Lederprodukten aus Kusel eingetauscht werden können.

 

23. April 1945

Die Einwohner sind ruhig und befolgen weiterhin den Anweisungen. Meistens verursachen sie der Polizei kaum Ärger. Das summarische Gericht der Militärverwaltung hat Anklage erhoben gegen einen Mann, der das Ausgehverbot mißachtet hat, er wurde zu 14 Tagen Haft verurteilt. Zehn Kriegsgefangene wurden aufgegriffen. 30 Zwangsarbeiter wurden ins Lebacher Lager gebracht, aber dort abgewiesen, weil sie dort niemanden mehr aufnehmen können. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten kam es bei der Auslieferung des Mehls in Neunkirchen zu Schwierigkeiten. Vereinbarungen wurden getroffen, aufgrund derer kranke Zwangsarbeiter in Theley jeden Tag 3.000 Kalorien erhalten sollten. Der Direktor der Reichsbanknebenstelle Neunkirchen wurde auf unbestimmte Zeit unter Hausarrest gestellt. Obwohl er behauptet, daß er geschworen habe, den Inhalt einiger Papiere nicht zu offenbaren, die er vor dem Einzug der amerikanischen Truppen verbrennen ließ, wird er solange unter Hausarrest bleiben, bis er den Inhalt der Papiere offenbart hat. Eine belgische Einheit in St. Wendel hat berichtet, daß jemand auf zwei ihrer Männer geschossen hat, als diese von einem offiziellen Auftrag nach Saarbrücken zurückkamen. Die Schießerei fand gegen 19 Uhr nahe Wiebelskirchen statt. Eine Untersuchung wurde eingeleitet.

 

24. April 1945

Es wurden Arrangements getroffen für die Forstbeamten, daß sie ihren Dienst wieder aufnehmen können. Zwei Kreisärzte wurden ernannt - eine für den früheren Landkreis St. Wendel und die andere für den früheren Landkreis Ottweiler. Während des Tages wurden zwei Personen verhaftet, ein Junge, der mit einem Kanister voll Benzin aufgegriffen wurde. Der Polizeichef von Eppelborn führte einen Mann herbei, der zugab, in unrechtmäßigem Besitz von Feuerwaffen zu sein. Ein weiterer Kriegsgefangener wurde aufgegriffen. Der Bürgermeister von Münchwies wurde entlassen und durch den amtierenden Bürgermeister ersetzt, der niemans Mitglied der Nazi-Partei gewesen war.

 

25. April 1945

32.000 Bewohner wurden in Neunkirchen registriert. Außerdem wurden alle Bewohner des früheren Kreises St. Wendel registriert, die älter sind als 12 Jahre. Die Registrierung in der Stadt Ottweiler und der Amtsbürgermeisterei Wiebelskirchen dauert noch an. Die Bürgermeister in Neipel, Lindscheid und Mainzweiler wurden entlassen und durch die amtierenden Bürgermeister ersetzt, die man sorgfältig untersucht und für diese Stellungen tragbar gefunden hat.

 

26. April 1945

Ortsgruppenleiter Klein aus Wellesweiler und Ortspropagandist Schmitt aus dem gleichen Ort wurden unter Hausarrest gestellt. Das summarische Gericht der Militärverwaltung hat einen Zivilisten wegen unberechtigtem Besitzes von Feuerwaffen angeklagt. Er wurde schuldig befunden und sitzt jetzt ein Jahr im Gefängnis ab. Die Bevölkerung hat eine Rede von Lieutenant General Kirscheim gesehen, in der er die deutschen Streitkräfte aufrief, unter seiner Billigung die Waffen niederzulegen. In den Kohlebergwerken im Raum Neunkirchen arbeiten 8.000 Bergleute, sie fördern pro Tag 2.000 Tonnen Kohle. Diese Arbeit wird an sechs Tagen in der Woche durchgeführt. Die Produktion wird noch gesteigert werden, sobald die Transporteinrichtungen zur Verfügung stehen. Der Bürgermeister von Wellesweiler wurde entlassen und durch einen Mann als amtierenden Bürgermeister ersetzt, der niemals Mitglied der Nazi-Partei gewesen war.

 

27. April 1945

Das summarische Gericht der Militärverwaltung hat einen deutschen Staatsangehörigen aufgrund unrechtmäßigen Besitzes von Feuerwaffen angeklagt. Er wurde für schuldig befunden und zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 5.000 Reichsmark verurteilt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben 21 Banken und alle Stellen der Kreissparkasse Ottweiler wieder geöffnet, und es gab weder unüblichen Bankverkehr noch gewöhnliche finanzielle Situationen. Drei weitere Kriegsgefangene wurden aufgegriffen. Die Bevölkerung fragt weiterhin die Militärverwaltung durch den Neunkircher Bürgermeister nach Materialien und die Erlaubnis, solches zu beschaffen, um den Schaden reparieren zu können, den Neunkirchen durch den alliierten Bombenangriff vom 15. März erlitten hat. Deshalb hat man im Bürgermeisteramt ein Büro eingerichtet, daß sich speziell mit den Angelegenheiten beschäftigt, die mit den Reparaturen einhergehen. Der Bürgermeister von Fürth wurde entlassen und durch den amtierenden Bürgermeister ersetzt, der niemals Mitglied der Nazi-Partei gewesen war.

 

28. April 1945

Die Entfernung von Nazis aus der Verwaltung der Stadt Neunkirchen wurde begonnen, und 12 Männer wurden schon entlassen. Informationen über Unterlagen der Nazi-Partei in Eppelborn wurden an den CIC zur weiteren Untersuchung weitergeleitet. Zwangsarbeiter aus dem Lager bei Friedrichsthal wurden beim Plündern in Hirzweiler erwischt. Die Übersicht über die Nahrungsmittel im Landkreis Ottweiler - St. Wendel wurde fertiggestellt und ergab, daß ein Bedarf an mehr als 1.000 Tonnen Setzkartoffeln und anderem Saatgut für die Bestellung im Frühjahr bestand. Ein entsprechendes Ersuchen wurde aufgegeben. Als Antwort auf eine anfrage bezüglich der Beschaffung von Bedarfsartikel für Zwangsarbeiter wurden im Landkreis Ottweiler - St. Wendel gesammelt und gelagert die stolze Summe von 4.250 Decken, 4.250 Messern, 4.250 Gabeln, 4.250 Löffeln und 2.000 Tellern. Wir warten jetzt auf Anweisungen über das weitere Vorgehen.

 

29. April 1945

Die Gesundheit der Bevölkerung im Landkreis Ottweiler - St. Wendel ist ausgezeichnet. Die Anzahl von Krankheitsfällen im Gebiet ist normal, sie stellt kein Problem dar. Drei Zwangsarbeiten starben nach dem Genuß von Holzalkohol, neun andere befinden sich in einem sehr schlechten Zustand. Diese neun wurden in des 80th Field Hospital gebracht, wo sie weiter behandelt oder verlegt werden, sofern die Ärzte sie dafür fähig halten. Die Behälter mit dem Holzalkohol wurden gefunden und der Inhalt weggeschüttet, um weiteren Schaden zu verhindern.

 

30. April 1945

Der Schwarzmarkt im Landkreis Ottweiler - St. Wendel besteht in erster Linie in Tauschhandel, da die Öffentlichkeit nur wenig Vertrauen in die Zukunft der Mark hat, die von der deutschen Regierung ausgegeben wurde. Drei Kriegsgefangene wurden weggebracht. In Neunkirchen werden die Aufräumungsarbeiten fortgesetzt, dabei findet man nicht explodierte Bomben und Granaten und Leichen. Bis jetzt wurden 25 Blindgänger (Bomben und Granaten) unschädlich gemacht und 18 Leichen ausgegraben. Es wurde durch deutsche Zivilisten aus Wemmetsweiler berichtet, daß am 29. April gegen 24 Uhr Soldaten, die entweder französische oder belgische Uniformen trugen, gewaltsam in zwei Häuser eingedrungen seien und 4.000 Reichsmark, Nahrungsmittel, Möbel usw. gestohlen hätten. Nachdem die Meldung heute eingegangen war, wurden sofort die taktischen Einheiten informiert.

 

Stanley R. Jacobs

Captain, CMP

Mil Govt Officer,

Commanding.

 

Verteiler:

1 Exemplar kommand. General, 15th US Army (z.H.: A/C of S, G-5)

1 Exemplar kommand. General, 15th US Army (z.H.: A/C of S, G-5, Historical O)

1 Exemplar kommand. General, XXIII Corps (z.H.: A/C of S, G-5)

1 Exemplar kommand. General, 28th Inf Div (z.H.: Senior Military Government Officer)

 

 

 

 

15. Mai - 15. Juni 1945

 

Vertraulich

Detachement I1A2

Co A, 2nd ECAR

APO 658

 

15. Juni 1945

 

Betrifft: Monatsbericht

An: Kommandierenden General, 15th US Army, APO 408, US Army

 

1. Bezug § 1226, Handbuch für die Militärverwaltung vor dem Sieg oder der Kapitulation, der folgende Monatsbericht wurde für den Zeitraum vom 15. Mai 1945 bis 15. Juni 1945 ausgestellt.

 

a. Standort: Das Detachment operiert im Landkreis Ottweiler - St. Wendel. Sein Hauptquartier befindet sich in Ottweiler, Hindenburgstraße 3 (Q-5889)

 

b. Bevölkerung: Die Bevölkerung des Gebiets liegt zwischen 165.000 und 170.000 Personen. Während des vergangenen Monats sind etwa 3.000 freigelassene Kriegsgefangene wieder in den Kreis zurückgekehrt, die in erster Linie für die Arbeit in den Kohlebergwerken des Kreises und einige von ihnen auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Es ist aufgefallen, daß bei den entlassenen Kriegsgefangenen, die in den Kreis zurückkehren, immer weniger Bergleute sind, sondern Leute, die normalerweise in anderen Berufen und Stellungen arbeiten (siehe unten: öffentliche Sicherheit). Außerdem hat die Zahl der zurückkehrenden Flüchtlinge in dieses Gebiet eine gewisse Bedeutung, vor allem im Abschnitt Neunkirchen, wo es, wenn dieser Zuzug sich fortsetzt, zu einer ernsthaften Knappheit bewohnbarer Häuser kommen wird, da die Stadt Neunkirchen bei dem Bombenangriff vom 15. März 1945 zu eta 60 % zerstört wurde. Diese Neuankömmlinge werden immer sofort bei ihrer Ankunft registiert, so daß die Registrierung seit der letzten Maiwoche bei 100 Prozent liegt.

 

c. Öffentliche Sicherheit: Unter den zurückkehrenden Flüchtlingen und entlassenen Kriegsgefangenen wurden Personen in hohen Positionen festgestellt; sie sind sofort zu inhaftieren und durch das C.I.C. überprüfen zu lassen. Eine gründliche Untersuchung jeder einzelnen Stadt[1] ist durchgeführt worden, bei der alle entlassenen Kriegsgefangenen durch Personal der US Army untersucht wurden; die Inspektion bestand in einer sorgfältigen Prüfung der Papiere, der persönlichen Geschichte und einer körperlichen Untersuchung auf SS-Tätowierungen unter dem linken Achselhöhle (Ärzte haben berichtet, daß solche Männer sie gefragt hätten, ob sie die Tätowierung aus der Achselhöhle entfernen könnten, aber unsere ausgegebenen Befehle verbieten das. Jedes Krankenhaus, jeder Arzt, jeder Bürgermeister usw. ist sich über diesen Befehl im Klaren!).

 

Verhaftungen aus der Reihe der zurückkehrenden Zivilisten betrafen Ortsgruppenleiter, höhere Offiziere der Hitlerjungend und andere Arten von Nazi-Offiziellen und Sympathisanten, die von der CIC gemeldet wurden und von denen man annahm, daß sie Unruhe stiften könnten. Vom Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit her ist die Bevölkerung ordentlich und gehorsam, und die Verstöße gegen die Verordnungen der Militärverwaltung sind nur geringfügiger Art (siehe Punkt E. Juristisches). Die Bevölkerung war über den Wechsel in der abendlichen Ausgangsbeschränkung von 22 Uhr auf 21.30 Uhr nicht erfreut, aber das führte nicht zu mehr Verstößen, als sie normalerweise aufgetreten wären. Diebstähle und Plünderungen durch Zwangsarbeiter kamen bis Ende Mai vor, aber mittlerweile nicht mehr. (siehe "Zwangsarbeiter").

 

Die Sonderabteilung der Sektion "Öffentliche Sicherheit" setzt ihre Beobachtungen bestimmter Personen fort, wertet Fragebögen aus, und mit Hilfe der gut organisierten und vorsichtig operierenden Kreis-Gendarmerie und der effizienten Stadtpolizei kann das Problem der Öffentlichen Sicherheit im Kreis nicht länger als ein Problem angesehen werden.

 

d. Zwangsarbeiter (displaced persons)

In den drei Monaten, seit dieses Detachment im Landkreis Ottweiler - St. Wendel operiert, hat sich das Problem der Zwangsarbeiter in drei entschieden unterschiedlichen Aspekten gezeigt.

 

Die erste Periode bestand aus der Evakuierung von etwa 10.000 Zwangsarbeitern aus diesem Gebiet in organisierte Lager bei Lebach und Baumholder. Die Evakuierung wurde als abgeschlossen betrachtet nach etwa 15 Tagen, während denen deutsches Personal, Fahrzeuge und Treibstoff für die Evakuierung benutzt wurden. Am Ende der Periode verblieben noch etwa 200 Zwangsarbeiter in Gruppen, die über das Gebiet verstreut waren, die auf den Bauernhöfen bis zu ihrer Rückführung in ihre Heimat bleiben wollten. Nach Rücksprache mit der vorgesetzten Dienststelle wurde diesen Farmarbeitern der Aufenthalt dort erlaubt, wo sie waren. Während dieser Periode waren Plünderungen und Raub an der Tagesordnung, und obwohl sie in der zweiten Periode nachließen, stieß man während der zweiten sechs Wochen auf etliche Fälle "organisierter" Plünderung, bei denen Zwangsarbeiter aus den Lagern bei Lebach, dem Kreis Saarlouis und Homburg (Kreis Homburg) in unser Gebiet eindrangen und ganz bestimmte Bauernhöfe und Dörfer im Blick hatten mit dem Ziel, an diesen Orten ganz bestimmte Sachen zu stehlen. In den meisten Fällen wurden den Lagerkommandanten und der Internationalen Polizei in diesen Lagern zu Disziplinarstrafen geraten. Während der letzten beiden Wochen wurden alle Zwangsarbeiter evakuiert, da die organisierte Rückführung in ihre Heimatländer angerollt ist. Um diese Rückführung vollenden zu können, wurden Befehle an den Landrat, die Amtsbürgermeister, die Bürgermeister etc. ausgegeben, alle verbleibenden Zwangsarbeiter darüber zu informieren, daß sie sich in den Lagern melden, um sich erfassen und nach hause bringen zu lassen. Damit kann davon ausgegangen werden, daß - abgesehen von den paar Fällen, die sicher noch auftreten werden - das Zwangsarbeiterproblem gelöst ist.

 

e. Juristisches: Während des Zeitraums, der durch diesen Bericht abgedeckt wird, hat das Summarische Gericht der Militärverwaltung 168 Urteile folgender Art gefällt:

 

Verletzung des Ausgehverbotes                                                                                 37

Verletzung der Einschränkung der Bewegungsfreiheit                                               30

Besitz von Feuerwaffen                                                                                                2

Falschaussagen                                                                                                            1

Mißbrauch von Ausweisen, die von der Militärverwaltung ausgestellt wurden             1

Besitz von Kriegsmaterial                                                                                             1

Bergleute (§)                                                                                                              96

Zusammen                                                                                                                168

 

(§) Die Bergleute wurden auf Verlangen des Hauptquartiers der CONAD verurteilt, nachdem sie sich trotz Aufforderung durch das United States Army Personal nicht zur Arbeit gemeldet hatten. Geht man von einer Bevölkerung von 165.000 Menschen aus, dann liegt der Prozentsatz von Verstößen gegen die Anordnungen der Militärverwaltung unter einem Fünftel Prozent. Bestrafungen in diesen Fällen, die sich nach dem Anhören der gesamten Geschichte und Berücksichtigung der Umstände und Beweise als geringfügig herausstellen, bestehen normalerweise aus Geldstrafen, die viel mehr "weh" tun als Haftstrafen, da alle Arbeitskräfte auf den Bauernhöfen und in den Bergwerken gebraucht werden. (siehe auch Landwirtschaft). Es muß gesagt werden, daß Verstöße gegen die Bewegungsfreiheits- und Ausgeh-Beschränkungen teilweise auf die dauernden Wechsel in den Einverständnis-Erklärungen zurückgehen.

 

An die vorgesetzten Dienststellen wurden Anträge hinsichtlich der Wiedereröffnung der deutschen Zivilgerichtshöfe gestellt. Das gesamte Personal ist durch den CIC und den zuständigen Offizier für die Öffentliche Sicherheit überprüft worden; es stehen genügend Unterlagen zur Verfügung, und die Räume sind auch vorhanden.

 

f. Steuer- und Eigentumskontrolle: Es gibt zur Zeit 34 Banken, die im Kreis operieren. Als die Banken am 9. April 1945 zum ersten Male wiedergeöffnet wurden, war Bargeld im Wert von etwa 50.000.000 Reichsmark vorhanden, von denen die Reichsbanknebenstelle in Neunkirchen 37.000.000 Reichsmark in Händen hielt. Bis zum 13. Juni 1945 sind diese 37 Millionen Reichsmark aus folgenden Gründen auf 10.773.000 Reichsmark reduziert worden:

 

(1) 17.350.000 Reichsmark sind von der Reichsbanknebenstelle in Neunkirchen an andere Reichsbank-Filialen in anderen Kreisen gezahlt worden, so daß diese wiedereröffnen konnten.

 

(2) In die Reichsbanknebenstelle kommt kein Geld mehr, um die Auszahlungen zu ersetzen, was normalerweise von der Reichsbank in Berlin erledigt worden ist.

 

(3) Nach deutschem Recht müssen sog. "Reichskreditkassenscheine", die an deutsche Soldaten ausgegeben wurden, in richtige Währung umgetauscht werden.

 

Zusätzlicherweise haben außerordentliche Ausgaben - wie zum Beispiel die Auszahlung von Löhnen der Saar Grube A.G., die schon wochenlang im Rückstand waren - den Bargeldbestand schrumpfen lassen.

 

Die Situation für die Banken ist generell dennoch gut, da die Leute wohl der Ansicht sind, daß die Banken sicher sind. Dennoch werden Quellen für den Währungseingang bei der Reichsbanknebenstelle geschaffen werden müssen, da die Vermindung der Geldbestände nicht ewig fortgesetzt werden kann. Obwohl die Finanzämter und Zollämter vollständig arbeiten und die ersteren 1.561.000 Reichsmark und die letzteren 287.000 Reichsmark in den Monaten April und Mai einkassiert haben, reichen diese Beträge gerade aus, um die Zahlungen zu erledigen, die diese Organisationen anstelle der Hilfs- und anderer Zahlungen leisten, die früher vom Reich selbst bezahlt wurden.

 

g. Arbeit: Während dieser Periode gab es wenige Änderungen der Arbeitssituation. Das Arbeitsamt arbeitet weiter zuverlässig, und alle zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte werden in essentieller Arbeit wie z.B. Bergbau, Landwirtschaft, Eisenbahn, öffentlichen Diensten usw. eingebunden. Fälle, bei denen Männer trotz Anweisung des Arbeitsamtes nicht zur Arbeit erschienen sind, werdenüber zivile Kanäle an das Landesarbeitsamt zur weiteren Veranlassung weitergeleitet.

 

h. Preiskontrolle: Zu Beginn der Periode wurden die Preise für Brot und Eier erhöht, aber die Preise wurden auf ihren alten Stand zurückgefahren. Ein Fall eines Verstoßes gegen die Preis-Kontroll-Verordnungen wird durch das Arbeitsamt erledigt.

 

i. Versicherung: Die Krankenkassen zur Zahlung der Renten- und Arbeitslosenversicherungen (old age and unemployment insurance) unterstehen dem Arbeitsamt und arbeiten mit diesem zusammen. Das deutsche (Sozial-)Versicherungssystem, das früher von höherer Stelle aus kontrolliert wurde, konnte auf Kreisebene nicht so einfach wiedereingerichtet werden aufgrund des Systems von Währungs-, Spar- und Gutschrifts-Transaktionen zwischen den verschiedenen Ebenen der Organisation. In diesem Territorium wurden sie jedoch in Verbindung mit der Reichsbanknebenstelle und anderen Finanzeinrichtungen etabliert. Ein Punkt - der Kredit der Krankenkasse über den Betrag von 100.000 Reichsmark bei der "Bank Deutsche Arbeit" in Dresden, dient als Beispiel für einen Geldbetrag, dessen Hintergründe nicht ganz klar ist.[2]

 

j. Kunst und Denkmäler: keine Veränderung

 

k. Öffentliche Gesundheit und Gesundheitspflege: Der Gesundheitszustand der Bevölkerung ist generell gut. Die Anzahl der Fälle ernsthafter Krankheiten (wie z.B. Diptherie) liegen nicht über dem Durchschnitt. Fälle von Geschlechtskrankheiten werden effizient durch den Kreisarzt in Zusammenarbeit mit den Dienststellen für Öffentliche Sicherheit und der Polizei behandelt. Bestrafungen für Verstöße gegen das strikte Prostitutionsverbot (anti-veneral law) werden durch das deutsche Gesetz selbst geahndet. Fälle von Maul- und Klauenseuche werden ebenfalls ohne Probleme bearbeitet.

 

l. Post, Telefone, Telegraphen und Radios: Den Anweisungen entsprechend wird der essentielle zivile Telefondienst eröffnet. Zur Zeit kann das Telefonsystem nur innerstädtisch benutzt werden, aber es wird erwartet, daß auch die Benutzung des Systems auf Kreisebene in naher Zuskunft erlaubt wird. Dieser Telefondienst wird den Bedarf des Kreises an Treibstoff deutlich reduzieren (siehe zivile Versorgung weiter unten).

 

m. Nahrung und Landwirtschaft (in Zusammenarbeit mit der generellen Versorgung der Zivilbevölkerung). Alles bebaubare Ackerland im Kreis ist bebaut, und alle Anreize für eine zukünftige Nahrungsmittelproduktion sind gegeben. Es wird erwartet, daß in nächster Zukunft einige Früchte für die Ernte und die Verteilung fertig sein werden. Diesem Gebiet, das fast vollständig vom Import seiner Nahrungsmittelvorräte aus anderen Sektionen abhängig ist, steht eine Wochenration an Nahrungsmitteln zur Verteilung zur Verfügung. Die generelle Nahrungsmittelverteilung wird jetzt vom Landesernährungsamt kontrolliert; diese Organisation hat gerade damit begonnen, Nahrungsmittel per Eisenbahn zu verschicken.

 

n. Generelle Versorgung der Zivilbevölkerung: Benzin und Treibstoffe sind die größten Problemkinder der Versorgung. Benzin benutzte man hauptsächlich zum Transport von Nahrungsmitteln und für Fahrten der Ärzte. Der Treibstoff, den die Verwaltungsangehörigen auf ihren Dienstsparten verbraucht haben, wird eingespart werden können, sobald der Telefondienst auf Kreisebene wieder eingerichtet ist. Die landwirtschaftlichen Maschinen benötigen ebenfalls eine große Menge Treibstoffe und POL-Gütern[3], die alle beschlagnahmt und verteilt wurden.

 

o. Erziehung und Religion: Die Bevölkerung führt ein normales religiöses Leben. Seit vielen Wochen sind Kindergärten wieder in Betrieb, und Anweisungen sind darüber ergangen, wie man die Wiedereröffnung der Volksschule bis zur vierten Klasse beantragt. Lehrer werden sorgfältig überprüft, um sicher zu stellen, daß sie keine üblen Lehren verbreiten.[4]

 

p. Verwaltung: Dr. Max Rech, Landrat des Kreises Ottweiler seit 1920, wurde entlassen und durch Herrn Heinrich Strauss ersetzt, der bis zu seiner Ernennung Amtsgerichtsrat von St. Wendel war. Herr Strauss ist ein bekannter Nazi-Gegner, in der Öffentlichkeit sehr angesehen und im Kreis die einzige Person, die für den Posten in Frage kommt. Seine Ernennung geschieht jedoch nur auf zeitlich befristeter Grundlage, da er von Beruf Jurist ist und kein Verwaltungsspezialist. Es wird notwendig sein, für den Kreis einen passenden Landrat zu finden, aber er wird aus einem anderen Gebiet kommen müssen, da dieses Gebiet sorgfältig nach einer passenden Person durchsucht wurde. Da die Hauptberufe im Kreis im Bereich des Bergbaus und der Landwirtschaft liegen, sind der allgemeine Bildungsstand und die Fähigkeit zu führen hier im Kreis nicht sehr hoch. Matthias Bethschneider, ebenfalls ein Nazi-Gegner, wurde als amtierender Amtsbürgermeister der Amtsbürgermeisterei Illingen und gleichzeitig als Bürgermeister der Gemeinde Illingen eingesetzt.

 

q. Zusammenfassung: Das Gebiet ist in Ordnung, die Bevölkerung gehorsam, die Verwaltung effizient und im Allgemeinen gibt es keine Störungen der Anweisungen der Militärverwaltung oder der Army.

 

Verteiler:

2 Kopien an den kommandierenden General, 15th US Army

2 Kopien an den kommandierenden General, XXIII Corps

1 Kopie an den kommandierenden General, 28th Infantry Divison

1 Kopie an den kommandierenden Offizier, 110th Infantry Regiment

1 Kopie an den kommandierenden Offizier, Det. E1A2, Co A, 2nd ECA Regt

 

 


[1] Die Amerikaner differenzieren nicht zwischen Ort und Stadt; deutsche Dörfer, die nicht zu klein sind, werden gemeinhin auch als "town" bezeichnet.

[2] "i. Insurance: As a branch of the Arbeitsamt and working in connection with it are the Krankenkassen for the payment of old age and unemployment insurance. The German insurance system, having been controlled at higher levels, is not easily re-established on the Kreis level because of the system of currency, deposit and credit transactions between various levely of the organization. They have been established in this area, however, in con-junction with the Reichsbanknebenstelle and other financial institutions. One item, the credit of the Krankenkasse to the amount of RM 100,000 with the Bank Deutsche Arbeit in Dresden, serves as an example of money whose status is not entirely clear."

[3] petroleum, oil and lubricants = Petroleum, Öl und Schmierstoffe.

[4] tainted doctrines.

 

 

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