Schriftzug

Warndt, Wareswald

 

Wer kennt ihn nicht, unsern lieben Warndt, der mit seinen unterirdischen Kohlenschätzen und seinem Waldreichtum so verlockend in lothringisches Land hineinzüngelt! Schade, daß das Wort Warndt im zwischenstaatlichen Recht unserer Tage nicht mehr den Sinn hat, der ihm im Mittelalter zukam!

 

In der mittelalterlichen Rechtssprache war mlat. (mittellateinisch) waranda (vulgärlat. warenna) ein geläufiger Ausdruck, der auch im Altfriesischen (werand, warand), im Mittelniederdeutschen (w arant, werent) und Mittelniederländischen (war en t) vorkommt.

 

Der Stamm des Wortes ist das ahd. (althoch-deutsche) warôn = aufmerken, achten, behüten, das in unserm nhd. (neuhochdeutschen) ?bewahren, verwahren, Rechte wahren" erhalten ist; mhd. (mittel-hochdeutsch) warn. Das Bewirkungswort dazu ist das ahd. werien, weren, mhd. wergen, wern wehren, hindern, schützen, verteidigen.

 

Urkundliche Belege:

Im Jahre 999: Kaiser Otto III. schenkt Warenta dem Bischof von Metz.

Im Jahre 1147: Wald Waran;

1187: in silva de Warant;

1210: im Warando;

1227 Weide im Walde Warant;

1235: der Warnest;

1268: der Graf von Saarbrücken verleiht dem Kloster Wadegozen das Weiderecht in seinem Walde Warant und das Recht, im Notfalle dort Holz zu holen;

1270: die Ritter von Warnesperg werden von dem Saarbrücker Grafen mit dem Recht belehnt, im Wald Warend Bau- und Brennholz zu holen;

1284: Warent, Warant;

1285 Warnat;

1323: Warant;

1325: Wairant;

1333: Warand.

 

Demnach ist der Warndt ein ?zu bewahrendes, abzuschließendes Gebiet", d. h. der Herrenbesitz, der dem gemeinen Manne zu wehrende, verbotene Besitz. Seine Holzschätze, Weidegründe und vor allem Jagden waren dem Landesherrn allein vorbehalten. Diesen Charakter als ausgedehntes (fast abgeschlossenes) Wald- und Jagdgebiet hat der Warndt augenfällig gewahrt. Im Innern ist der eigentliche Warndt (die Bewohner sagen ?Die Warndt") kaum besiedelt; die Ortschaften finden sich sozusagen am Rande.

 

In der germanisch-lateinischen Gemeinschaftskultur der fränkischen Zeit ist das ahd. warôn auch ins Französische übergegangen mit dem charakteristi-schen Wechsel von ?w" zu ?g" als se garer = sich hüten, vorsehen (vgl. Guillaume aus Wilhelm, guerre aus Wirren). Dazu bildete sich im Französischen entsprechend der Gattungsname: la garenne und mit erhaltenem germanischen Anlaut: la varenne. So war z. B. ?La Varenne du Louvre" une certaine étendue de pays que le roi se réservait pour la chasse ?Garenne" signifie proprement un lieu réservé, défendu? (E. Littré) d. h. Garenne bedeutet eigentlich ein vorbehaltener, verbotener Ort. Bei Paris liegt der Ort ?La Garenne", der vermutlich aus dem Namen eines Jagd-, Holz- oder Weideschutzgebietes hervorgegangen ist. Beide Wörter haben also im Französischen dieselbe Bedeutung wie im Deutschen. Eine Reihe Ortsnamen ?Varennes" haben sich aus dem Geländenamen entwickelt. Le Nouveau Larousse illustre führt allein elf Orte dieses Namens an. Die germanische Form mit ?w" findet sich auch im Englischen als ?warren? = ein privilegierter Ort, wo Tiere in Gehegen gehalten werden durften; Gehege, Kaninchengehege (Grieb-Schröer).

 

 

Derselbe Stamm ?war" liegt auch dem Namen Wareswald zugrunde. Der Wareswald ist demnach ein Herrenwald, der vor andern zu wahrende, der den andern verbotene Wald. Während das Stammwort in Warndt selbständig erhalten ist, hat es in Wareswald eine Verbindung eingegangen. Daß die Volkssage den richtigen Namen ?Wareswald" in ?Waruswald" ? so auch die Karten der Preuß. Landesaufnahme ? umgewandelt hat, mag in verschiedenen Ursachen begründet sein. Einmal trägt dazu bei die Ähnlichkeit der beiden Wörter ? tatsächlich liegt eine volksetymologische Umdeutung vor ? dann aber auch die Tatsache, daß die Volkssage seit alter Zeit dorthin eine römische Siedlung verlegt. Dicht dabei liegt die Wüstung ?Ixweiler", und das Gelände des Wareswaldes zeigt noch heute massenhaft Spuren alter Mauern und Bausteine. Bereits im 16. Jahrhundert heißt es in einem Aktenstück aus dem Lagerbuch der Abtei Tholey vom Wareswald ?allwo nach dem gemeinen Gespräch eine von dem Rixiowaro her erbaute Statt zur Zeit soll gestanden haben."

 

Es kommt hinzu, daß am Fuße des Schaumberges, von dessen römischem Kastell aus die ganzen Saarlande und das Gebiet bis hinauf zum Hunsrück überschaut und beherrscht werden konnten, der Kreuzungspunkt mehrerer durchgehender Römerstraßen lag und daß sich hier auch römische Ziegeleien befanden (vgl. die Ableitung des Ortsnamens Tholey von teulegium, lateinisch tegula = Ziegel). Wie es überhaupt mit solch hervorragenden Punkten geschah, so wurde auch dieser befestigte Platz bei der Besitzergreifung durch die Franken ?Königsgut". Deshalb ließ der Merowinger Grimo, ein Neffe des Königs Dagobert, um das Jahr 600 am Fuße des Schaumbergs das erste Benediktinerkloster der Gegend gründen, das bis zur Französischen Revolution bestanden hat. Aus dieser geschichtlichen Entwicklung heraus läßt sich verstehen, daß Tholey als Absteigequartier für die fränkischen Könige und als bedeutender Klostersitz auch sein Königsgut, seinen für den König allein zu ?bewahrenden" Herrenwald ? seine silva waranda ? mit dem für den König oder seine Vertreter allein bestimmten Jagdrevier hatte. Leider besitzen wir keine Belege für die frühere Form des Namens.

 

Den Schlüssel zur Erklärung der offenbar verstümmelten Form Wareswald bieten uns wahrscheinlich die urkundlich bezeugten Formen des Ortsnamens Warsberg. Der Ort mit alter Burg dieses Namens liegt etwa 11/, Stünden westlich des saarländischen Warndtgebietes im lothringischen Kreise Bolchen.

 

Einige urkundliche Belege:

1258 Warnesperch;

1271 Warnesberch, -berg;

1290 Warnesberg.

 

Die fast buchstäbliche Übereinstimmung mit ?Wares"-wald legt die Vermutung nahe, daß auch hier im ersten Bestandteil dasselbe Wort wie in ?Warndt" vorliegt. Vielleicht ist als Ausgangsform die uneigentliche Zusammensetzung (mit Genitiv - s) ?Warendsberg" (Warendswald) anzusetzen, die ihr ?d" als Zahnlaut zwischen den zwei andern Zahnlauten ?n" und ,s", da es doch nicht hörbar ist, verliert. So erhalten wir ?Warensberg" oder ?Warnesberg" ? vgl. die urkundl. Formen ? ebenso ?Warenswald" oder ?WarnesWald". Undeutliche oder nachlässige Aussprache haben dann mit der Zeit die heutige Form ?Warsberg" und dementsprechend ?Warswald, 'Wareswald" erzeugt.

 

Zweifellos haben ähnliche Bedeutung die Wehrbüsche der Eifel, der Flurname Wehrholz (ein Wald) auf der Gemarkung Auersmacher (Saar), und die vielen mit dem Bestimmungswort ?Herr" zusammengesetzten Flurnamen, z. B. Herrchenberg bei Bergweiler, Herrengärten bei Berschweiler, Dirmingen, Ottweiler, Dudweiler; Herrenacht bei Bubach-Calmesweiler; Herrenberg bei Eppelborn; Herrengewann bei Illingen-Gennweiler u. v. a. Zu vergleichen ist ferner das Wort ?Forst" in seiner einstigen Bedeutung (von mittellateinisch forestis, lat. foris = außerhalb): der dem Herrscher vorbehaltene Wald (Bannwald?), der der gemeinen Benutzung in bezug auf Weide, Holzung und Jagd entzogene, entfremdete Wald. (Dazu französ. forain = auswärtig, englisch foreigner = der Fremde, Ausländer). Vgl. den Flurnamen ?Beim Forst" bei Herchenbach.

 

 

=> Briehl, Brühl

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