Herrn
Professor Steininger
Wohlgeboren
in Trier
Essen am 6. Jan. 1831
Lieber Bruder!
Es ist mir sehr lieb, später mehrere Doublette deiner Eifeler-
Versteinerungen erwarten zu dürfen. Sie sind mir zu der
Sammlung von Petrefakten sehr willkommen, die ich für
unser Gymnasium anzulegen im Begriff bin. Ich bitte Dich
daher, mir die Auslagen zugleich mitzubemerken, wenn du
sie mir sendest. Das was ich für die dir übersendeten
ausgegeben habe, beträgt für Transport und Verschlag
nebst Schachteln 4 Thlr. Ich bitte dafür unserer Schwester
ein Neujährchen zu kaufen, und es ihr in meinem
Namen einzuhändigen.
Ich habe mich diese Weihnachtsferien auf einer neuen Grube
hier beschäftigt. An Pflanzenversteinerungen fand ich weit
mehr als vorigen Herbst. Das Hengende, welches man ge-
wöhnlich nur Gelegenheit hat zu untersuchen, war daran
außerordentlich reich. Auch fiel mir auf den ersten
Blick die ungeheure Größe auf, welche diese Pflanzen
müssen gehabt haben; die Reinfarne waren meistentheils
über 1 Fuss breit und oft 1 Zoll dief. Es würde mir
vielleicht gelungen sein, einen ganzen solchen Pflanzenstamm
unversehrt herauszubringen; allein es war an einer
abgebauten Stelle, wo es angefangen hatte einzubrechen
und wo man in Lebensgefahr sich nicht hinein wagen konnte.
Das Resultat meines Fundes besteht darin: 1) ein Streifen
(Seite)
Holzkohle von einiger Linie dick zieht sich durch ein ganzes
Flötz; in der Nähe ist ziemlich viel Schwefelkies. 2) das Hengende
desselben Flötzes ist voll nierenartiger eisenfester Stein-
kerne, welche bald rund wie Aprikosensteine, bald länglich
wie Pfirsche oder Eicheln, und bis zu einer Kindes-Hand dick
sind. Wenige Pfalnzen finden sich sonst in diesem Hengenden.
3) Im Hengenden eines höher liegenden Flötzes die prächtigen
ungeheuren Pflanzen, und zwar 5(er)lei Arten, a) breit gestreift
mit Reihen von Vertiefungen oder Augen, b) schmal und mehr
oval gestreifte ebenfalls mit Reihen von Vertieferungen, c) schöner
sehr breiten Schelf mit regelmäßigen Ringen, d) breite, nicht
gestreifte Pflanen mit großen Vertiefungen oder auch Erhöhungen,
e) endlich etwa 1 Zoll höher dünne Stiele und kleine Blätter
von Farnkräutern. a und b befinden sich auch unter denen,
die ich geschickt habe, wenn gleich schlecht. Ich habe mir
mehrere Exemplare mithergenommen und immer Gelegenheit,
neue dazu zu bekommen, werde dir also später auch
einmal schöne davon besorgen können.
Hier am Gymnasium ist noch alles im unbestimmten Zustande,
die andern Nationen jagen ihre Könige fort, geben sich neue
und ändern ihre Verfassungen, ehe es unseren Regierungen
gelingt, einen Direktor herzubringen. Die Erfahrungen, die
man in dieser Beziehung schon gemacht hat, tragen sehr
dazu bei, die hohe Meinung, die man von der Gerechtigkeit
der großen Regierungen über eingeimpfet bekam, herabzu-
stimmen. Es ist wirklich auffallend, wie man sich bebehrdet und
welche Schritte man sich nicht schämt zu thun, um einen ____
(Seite)
Protestanten und dazu noch einen recht jämmerlichen
auf Unkosten der Katholiken zu befördern, und ____
verhältnisse zu begünstigen. – Uebrigens hört ____
noch und nach ein Wort von Konstitution sprechen ____
dem sklavischen Sein der preuß. Beamten viel ____ ____
Beamten so wie das Volk, worunter nicht bloß das ____
entstehen kann, kennen das Wort kaum, und sonst we_ ____
tum. Die gewöhnliche Menge möchte ihre Behörden ____
morgen fortjagen; und zwar wissen sie nicht eig__ ____
sondern nur wissen sie daß es früher weit besser ____
jetzt.
Du wirst gegen Ende der nächsten Woche einen Besuch b ____
einem Hauptmann Berger. Er stand seit 1816 h_ ____
war 4 Jahre mein Tischgenosse, nahm mit ein_ ____
geselligen Leben Theil wie man denn in so kleine_ ____
auf einander hingewiesen ist, und ist nun na__ ____
setzt. Er ist ein Mann von Geist, vom mehr als g__ ____
Bildung da er sich von dem Kriege auf der Univer(sität)
Frankfurt a/o zu einem gelehrten Berufe vorbereit(et hat)
und wegen seines lustigen, lebhaften Temperamentes ____ Gesell=
schaften gerne geseheh. Ob ich ihn gleich recht gut leiden
mag und sehr gerne mit ihm bekannt bin, so we__de ich
doch Bedenken getragen haben ihn dir zu empfehlen, weil ich
glauben kann daß du nach dergleichen Bekanntschaften nicht
neugierig sein wirst. Indessen hat er mich um eine Empfehlung
an dich gebeten, und ich kann also nicht umhin dich zu bitten
ihn mit dem einen oder anderen z.B. Herrn Schwendler bekannt
zu machen.
Die Wünsche zum neuen Jahre erwiedere ich von Herzen, und gestehe ich
gern daß es beim Antritt desselben mein größter Wunsch
gewesen ist, bal dwieder einmal bei euch zu sein, und dich und meine
Mutter wieder recht gesund und froh zu sehen. In Hoffnung also
darauf grüße ich dich herzlich und verbleibe ich
dein ergebenster Bruder
Steininger