Essen am 18. April 1832.
Herrn Professor Steininger
Wohlgeboren
in Trier
mit einem Paquet
gezeichnet
H.P.St.
10 fr
Essen am 14. Dez. 1826
Lieber Bruder!
Mein langes Ausbleiben erregte hier viele Unordnung;
die wenigen Lehrer mußten mich vertreten, und dazu kam
noch, daß während dem gerade dem Direktor seine Frau und
die des Wilberg entbunden wurden. Meine Ankunft war
also erfreulich und dabei auch recht effendisch; denn nach
derselben lebend wurde ich zum Essen eingeladen, Tags
darauf war ich schon um 8 in der Schule, Abends wurde zum
Essen und so 5 Tage hinter einander. Ich hatte auf der
letzten Station meiner Reise zu 4 Stunden von Morgens
9 bis Abends 5 gebraucht, wäre bald im Drecke stecken
geblieben, und fand darauf wieder die viele Arbeit; dies
machte dann, daß ich mich allenthalben mit vieler Bitter-
keit über Essen aussprach und es mir gar nicht mehr
behagen mochte; jetzt indessen weiß ich es wieder nicht
besser.
Mein 2tägiger Aufenthalt in Trier war mir recht ange-
nehm. Wir waren beim Bischoffe zum Mittagessen, wo
auch Groshmann zugegen gewesen. Er stellt sich so
fremd, so vornehm gegen mich, daß es mich verdroß.
Als er nun über Tische mit seinen Münzen und Alter-
thümern ausstreute, die er auf der Reise gesammelt
und dabei dem Bischof so vornehm seine Dose präsen-
tirte, konnte ich mich nicht enthalten im Allgemeinen
über dergleichen Gelehrten zu witzeln; dem Bischoffe
glaube ich, gefiel es, Groshmann selbst hat mich kaum
angesehen. Herr Castello und Stein waren mir sehr freundlich.
(Seite)
Ich bitte beide von mir zu grüßen. Letzterer gab mir seine
Schriften, und ersuchte mich ihm darüber zu schreiben; es
wird aber in diesem Jahre schwerlich etwas daraus. Mit
seiner Geometrie wollte er nichts mehr zu schaffen haben -
er selbst gestand mir, damals wäre es für seinen Zweck
gut gewesen, indess jetzt sei er anderer Meinung. Ich
wäre sehr begierig dieses Wort kennen zu lernen, und
bitte dich gelegentlich mir es einmal zukommen zu lassen.
Wegen meiner Musik schickte ich einmal nach Wesel,
allein die Leute wissen nichts davon; Schneemann könnte
ihnen selbst schreiben, daß sie mir selbe mit der Post
herschicken.
Den Satz vom Peudel hatte ich schon abgeschrieben, als
ich deinen Brief erhielt. Dieser Kulick scheint mir sehr
thätiger Mensch zu sein; er hat auch neuerdings eine
große Tafel der meisten Primzahlen und der einfachen
Faktoren herausgegeben. Du sagtes mir die Ferien
einmal, man nehme jetzt größtentheils mehrere Völker-
stämme an. Es ließe sich hieraus ein schöner Schluß auf
die Entstehung der verschiedenen Volkssprachen nehmen. Die Sache
hat für mich Interesse, und wenn du mir einige gute
Werte hierüber namhaft machen könntest, außer dem
was in Blumenbach steht, so wäre es mir sehr lieb.
Ueberhaupt möchtest du mir vielleicht außer den Werken
von Bernhard, Grimm, Holley, de Sassy und Herder
noch einige andere angeben können, die über Entstehung
der Sprachen handeln. Ich habe auch Prima + Secunda,
philosophische Sprachwissenschaft, und brauche dergleichen.
möchte vielleicht auch ein Programm über diese Gegenstände
schreiben, obgleich ich nicht einmal ein einziges der genannten
(Seite)
Werke weder besitze noch zum Gebrauch habe. Auf Tertia
+ Quarta habe ich mich entschlossen die Chemie durchzu-
nehmen, und zwar nach Wurzer’s Handbuche. Es geht
recht gut, ich lasse die Schjüler zu Hause die angegebenen
Experimente machen undmir vorzeigen, und sie haben
viele Freude daran. Ich habe dann dieses Jahr wieder
vor Quarta - Prima die Mathematik, vor Quarta-Prima
die Physik, auf Secunda + Prima Deutsch, und die 2te
oberste französische Klasse, und nebenher das Bergamt!
Du wolltest mitkommendes Paquet eröffnen, den Brief
an Richard und das kleine Päckchen an deine Frau heraus-
nehmen und abgeben, und das Ueberige bitte ich dich bei
erster Gelegenheit nach Hause zu besorgen. Bitte Gretchen
in meinem Namen, die kleine Einlage als Neujährchen
von mir nicht verschmähen zu wollen, und die herzlichen
Glückwünsche anzunehmen dich ich ihm mit auf den Weg
gab. Das neue Jahr möge auch in guter Gesundheit vor-
übergehen, und euch viele Freude bringen. Und wenn
ihr mir die Liebe schenkt, die ich für euch hege, so
trete auch ich diese Zeit mit Freuden an.
Euer getreuer Bruder
PJ Steininger