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Krieg in der Luft -> 29.01.1944: Die ersten Amerikaner in Gusenburg und Hermeskeil

Die ersten Amerikaner in Gusenburg und Hermeskeil

 

"Am 29. Januar 1944 besuchte ich als 12-jähriger von meinem Wohnort Eiweiler (heute Ortsteil von Nohfelden) aus das Gymnasium ("Oberschule für Jungen") in Hermeskeil.“

 

So beginnt der Bericht von Johannes Ganz aus St. Wendel über die Ereignisse an jenem Samstagmorgen, der jetzt 70 Jahre zurückliegt.

 

So etwa um die vierte Schulstunde heulten die Sirenen auf. Fliegeralarm! Uns wurde befohlen, den Keller im Schulgebäude, der - notdürftig mit Holzbalken abgestützt - als Luftschutzkeller deklariert war, aufzusuchen. Unbemerkt von den an ihren Armbinden als "Ordner" zu erkennenden Mitschülern huschten wir zu dritt nach draußen, um im Bunker ausgangs Hermeskeil Richtung Nonnweiler mehr Schutz finden. Unterwegs hörten wir aus laut aufgedrehten "Volksempfängern" die "Luftlagemeldung". Aber auch ohne diesen Hinweis wußten wir, daß sich über den Wolken ein heftiger Luftkampf vollzog. Denn in das dumpfe Dröhnen der Viermots und das Heulen der Jäger drang immer wieder das Stakkato schweren Bordfeuers.

 

Wir verharrten vor der offenen Bunkertür und hatten von dort einen weiten Ausblick über Hermeskeil und seine westliche Umgebung. Plötzlich rauschte vor unseren Augen ein schwarzes Etwas aus den Wolken und schlug im nahegelegenen Wald ein. Ein älterer Mann sagte uns, das sei das Fahrwerk eine Flugzeuges gewesen (vermutlich handelte es sich um einen abgeworfenen Zusatztank). Doch schon nach kurzem fielen andere, größere Wrackteile vom Himmel, die bei Gusenburg niedergingen. Das ging so schnell, daß wir gar nicht erkannten, um was es sich dabei handelte. Ab und zu dröhnten Jäger über uns hinweg und verschwanden in der Ferne oder wieder in den Wolken.

 

Endlich kam die "Entwarnung", und wir liefen zurück zur Schule. Unterwegs trafen wir Mitschüler, die uns berichteten, bei Gusenburg seien zwei Viermots abgestürzt. Also schlossen wir uns an. Vor Ort bot sich uns Kindern ein entsetzlicher Anblick, der mir heute noch Alpträume verursacht. Große, qualmende Wrackteile rechts und links der Straße. Ein beißender Geruch aus verbrannten und verkohlten Teilen stand in der Luft. Etwas weiter auf einem Acker hatte man tote Soldaten nebeneinander gereiht und mit Fallschirmen zugedeckt. Rechts von der Straße, in einer Ausbuchtung, standen vier Soldaten der Bomberbesatzung, die sich mit dem Fallschirm hatten retten können und die man in der Umgebung gefangengenommen hatte. Sie waren - um selbst Blickkontakte zu verhindern - jeder nach einer anderen Himmelsrichtung ausgerichtet. Bewacht wurden sie von SS-Soldaten, die wohl aus dem benachbarten Konzentrationslager Hinzer-Pölert kamen.

 

Wir mußten zurück nach Hermeskeil, um unsere Sachen aus der Schule zu holen und unseren Zug noch zu erreichen. Auf der abschüssigen Straße im Ort kam uns ein seltsames Gespann entgegen. Ein deutscher Soldat auf einem Motorrad im Schrittempo, neben ihm zu Fuß ein gefangener Soldat in seinem Fliegeroverall, den Fallschirm über der Schulter. Sein Koppel mit Waffe baumelte am Lenker des Motorrads. Hinter ihnen bewegte sich in gleichem Tempo ein Troß von Schaulustigen, als gäbe es eine Trophäe zu bestaunen.

 

Andertags erzählte uns unsere Englischlehrerin, daß es Amerikaner seien, die abgeschossen wurden. Sie habe beim ersten Verhör dolmetschen müssen.

 

Der 29. Januar 1944 offenbarte uns Kindern den Krieg in seiner gräßlichsten Art und Weise. Von der Glorie, die die Nazipropaganda uns bis dahin einzuflößen versuchte, blieb nichts übrig."

 

Johannes Ganz, St. Wendel

 

Der Einsatz

 

Am frühen Morgen des 29. Januar 1944 starteten von den vielen Flugzeugbasen der 8th Air Force (8. US-Luftflotte) in Ostengland 806 schwere Bomber der Typen Boeing B-17 "Flying Fortress" ("Fliegende Festung") Consolidated B-24 "Liberator" ("Befreier") zu einem neuen Einsatz mit dem Ziel Frankfurt am Main. Nacheinander hoben die Maschinen ab und formierten sich dann - drei Flugzeuge schlossen sich zu einem "element" zusammen, vier "elements" zu einer "squadron", drei "squadrons" zu einer "group". Diese "group" stieg auf vorberechnetem Kurs weiter auf, um sich mit den Flugzeugen der anderen "groups" zu treffen. Dann folgte das große Ordnen am Himmel, als sich die "groups" zu "wings" und schließlich alle 15 "wings" zu drei starken Angriffsformationen zusammenschlossen.

 

Eine dieser drei Angriffsformationen wurde von der 96th Bomb Group angeführt. Europa lag an diesem Samstag unter einer geschlossenen Wolkendecke. Der Navigator in der Führungsmaschine war daher völlig auf sein Navigationsgerät angewiesen, da er sich an keinen sichtbaren Landmarken orientieren konnte. Als das Gerät ausfiel, orientierte er sich an seinem letzten bekannten Standort und schätzte den verbleibenden Flugkurs. Das ging schief. Das Flugzeug kam nach Süden vom Kurs ab, und die restliche Formation folgte ihm. Kurz vor Erreichen des Zielanflugpunktes bemerkten die Führungsmaschinen der folgenden Bomb Groups, daß sie zu weit südlich flogen, drehten nach Norden und griffen Frankfurt an. Die 96th und einige wenige andere aber blieben auf dem alten, falschen Kurs und bombardierten Mannheim-Ludwigshafen durch ein kleines Loch in der Wolkendecke.

 

Die Hauptverbände, die Frankfurt angegriffen hatten, drehten in Richtung England ab und wurden kurz darauf von ihrer Eskorte in Empfang genommen, die sie relativ sicher nachhause brachte. Gut vier Stunden später - gegen 15 oder 16 Uhr - landeten 775 der 806 Bomber wieder auf ihren Basen in England. 29 Flugzeuge hatten es nicht geschafft.

 

Elf dieser 29 gehörten zu der Formation, die Ludwigshafen angegriffen hatte. Nach dem Bombenabwurf drehten sie ebenfalls nach Westen und flogen ihrer vermeintlichen Eskorte entgegen. Diese Jäger kamen allerdings aus einer anderen Richtung als erwartet. In Bad Wörishofen in Bayern war das Jagdgeschwader 3 unter Major Dahl alarmiert worden, das mit seinen Me-109-Jägern aufstieg und sich auf die davonziehenden Bomber warf.

 

Elf Bomber wurden so stark beschädigt, daß sie aufgegeben werden mußten oder gleich abstürzten. Die Besatzungsmitglieder, die es schafften, rechtzeitig eine Ausstiegsluke zu erreichen, retteten sich mit dem Fallschirm. Die anderen starben zusammen mit ihren Flugzeugen, die zwischen dem Rhein und dem Ärmelkanal in der Luft explodierten oder am Boden zerschellten.

 

Diese Bomber kehrten nach dem Einsatzes gegen Frankfurt am 29.1.1944 nicht mehr nach England zurück:

 

BG = Bomb Group,  BS = Bomb Squadron, Flzg# = Flugzeugnummer

 

B-17

Pilot                    BG       BS           Flzg#                Absturzort

Holdren               92       407         42-30711         Westende, Belgien

Fowler                303     427         42-39786         Beaumont, Belgien

Rhyner                379     525         42-31050         bei Bastogne, Frankreich

Moses                 379     525         42-29886         Blankenheim

Hoverkamp         379     527         42-31040         südlich von Prüm

Mohnacky           381     534         42-38045         westlich von Frankfurt

Mickow               381     534         42-37884         über Worms

Beers                             401         615                  42-31193 bei Worms

Nicklawsky          401     615         42-40057         Bad Kreuznach

Tannahill              401     612         42-31486         Rockenhausen

Van Syckle          401     610         42-38012         Worms

Allen                    447     709         42-31108         Gondershausen

 

B-24

Pilot                    BG       BS           Flzg#                Absturz

Maynard              44       66           41-29157         Ilsfurth, Frankreich

Hammond           96       413         42-31436         Charleville, Belgien

Bostick                385     550         42-97506         Gonnesweiler

Palmer                385     549         42-30354         Chaleroi, Belgien

Notestein            385     549         42-30251         Kaiserslautern

Hennessy            388     562         42-3285           Cambrai, Frankreich

Harding               390     570         42-30334         Friedrichshafen

 

Harding nahm Kurs auf die Schweiz, nachdem sein Flugzeug schwer getroffen war. Die Besatzung sprang schließlich mit dem Fallschirm ab, und das Flugzeug fiel in den Bodensee. Lieutenant Notesteins "Piccadilly Queen" stürzte in die Innenstadt von Kaiserslautern, nachdem sie von einer Me-109 gerammt worden war. Vier von zehn Besatzungsmitgliedern überlebten und ebenfalls der deutsche Pilot.

 

Der Weg des Verbandes führte hinter Kaiserslautern über den nördlichen Teil des heutigen Kreises St. Wendel. Hier wurde Lt. Anthonys Maschine von einer Me-109 gerammt, beide Flugzeuge brachen auseinander und stürzten bei Schwarzerden ab; alle 11 Männer starben. Lt. Bostick war der letzte, der irgendwo hoch über Türkismühle die Thunderbird verließ, die bei Gonnesweiler im Bereich der heutigen Surferbasis einschlug. Farris' Besatzung stieg über der Pfalz aus, und seine "Flying Ginny" krachte bei Güdesweiler in den Wald. Zwei amerikanische Flugzeuge - Sislers "Kitty" und Kandls "Skylark" stürzten bei Gusenburg und Hermeskeil ab.

 

Die Boeing B-17 (das "B" steht für "Bomber") war ein schwerer viermotoriger Bomber, der bei einem Startgewicht von 29,7 Tonnen in acht Kilometern Höhe eine Höchstgeschwindigkeit von 486 km/h erreichen konnte. Das 23 Meter lange Flugzeug hatte eine Besatzung von 10 Mann: der Bombenschütze und der Navigator saßen in der Flugzeugnase; der Pilot und der Copilot im Cockpit, direkt dahinter befand sich die Kampfstellung des Oberen Turmschützen, der gleichzeitig der Bordmechaniker war; hinter seiner Position befand sich der Bombenschacht, der bis zu 1,8 to Bomben aufnehmen konnte. Dem Bombenschacht schlossen sich die Funkerkabine und dahinter das Mitteldeck an. Hier hielten sich drei Mann auf: jeweils ein Seitenschütze nach links und rechts und im unten angehängten Kugelturm ein weiterer MG-Schütze. Letzter Mann ganz hinten war der Heckschütze, der das Flugzeug gegen Angriffe von hinten verteidigte. Außer den beiden Piloten war jeder Mann mit einem einfachen oder doppelten Maschinengewehr vom Kaliber 0.50 ausgerüstet. Dieser starken Defensiv-Feuerkraft verdankte das Flugzeug seinen Namen "Fliegende Festung".

 

Sisler bei Gusenburg

 

Typ: B-17G 5 BO

Kennzeichen AE-S

Serien-Nummer # 42-31151

Einheit: 96th Bomb Group (H) 337th Bomb Squad, stationiert in Snetterton Heath, England

 

Pilot                  Darrell C.           Sisler             1Lt          O-797196   KIA

Copilot              Clarence K.        Johnson        2Lt          O-740824   KIA

Navigator          Montidier N.       Estes             2Lt          O-682161   KIA

Bombenschütze James L.           Kelly              2Lt          O-679176   POW

Funker              Philip M.             Rousse          TSgt        3115580     POW

Oberer Turm      Raymond F.       Lewis             TSgt        32449434   KIA

Kugelturm         Arthur J.            Brown           Sgt          36376220   POW

Rechte Seite      Lawrence T.       Rothholz        SSgt        12155252   KIA

Linke Seite         Thomas E.         Price              SSgt        38190361   KIA

Heckschütze      Walter L.           Wilde             SSgt        19086684   POW

 

KIA = Killed in Action = Im Einsatz gefallen

POW = Prisoner of War = Kriegsgefangener

 

 

 

 

 

 

Philip M. Rousse, der heute in der Kleinstadt Windsor im US-Bundesstaat Vermont lebt, war der Funker eines der Flugzeuge, die sich von Südosten her Hermeskeil näherten. Seine Tochter Raina A. Maynard schildert die Geschehnisse, wie ihr Vater sie erlebte:

 

Der Einsatz begann auf der Snetterton Heath Air Force Base in England. Sie hatten das Ziel erfolgreich bombardiert und waren auf dem Rückflug nach England. Eine Flugzeug führte, und der Rest formte sich hinter ihm in Form eines Diamanten. Während des Bombenabwurfes war die Diamantformation ziemlich weiträumig, so daß man sich gegenseitig nicht mit Bomben bewarf. Nach dem Bombenabwurf schloß die Formation näher zusammen, damit feindliche Flugzeuge nicht in sie eindringen konnten.

 

Auf dem Nachhauseweg wurde ein etwa drei Fuß großes Loch hinter dem Sitz meines Vaters in das Flugzeug geschossen. Er sprang auf und fing an, Dinge in das Loch zu stopfen, um es zu verschließen und den Wind aufzuhalten (Durchzug). Er nahm Dinge, die sie nicht brauchten, wie z.B. ihre dicken Pelzjacken. Währendessen kam Arthur J. Brown aus seinem Kugelturm unter dem Flugzeugrumpf und stellte sich in die Tür zum Funkraum. Er berichtete, daß seine Kugel nicht mehr arbeite und er gekommen sei, um nachzuschauen, was los sei. Sie nahmen an, daß der Treffer, der das Loch verursacht hatte, auch das elektrische System der Kugel ausgeschaltet hatte. Der Pilot rief dann meinen Vater, er solle aus dem Fenster schauen, und fragte, ob er das deutsche Flugzeug sehen könnte, das an der Formation entlang flog. Es flog in einem Winkel, daß sie es nicht treffen konnten. Während mein Vater es beobachtete, sah er, ein greller Blitz und eine Rauchwolke aus der Tragfläche hervorkamen. Er konnte eine Rakete sehen, die mitten in ihre Formation hineinraste. Mein Vater stand auf und sah die Rakete, wie sie über ihr Flugzeug hinwegflog und die Tragfläche traf. Sie riß den Motor ab und zerbrach die Tragfläche. Ihr Flugzeug kippte zur Seite und stieß mit einer anderen Maschine zusammen, die knapp unter ihnen flog. Durch den Zusammenstoß brach das Flugzeug meines Vaters in zwei große Stücke. Mein Vater und Brown, die beide ihre Fallschirme trugen, standen sich im Funkraum von Angesicht zu Angesicht gegenüber, und als das gesamte Flugzeugheck abriß, fiel mein Vater durch das Loch hinaus. Er wurde sofort bewußtlos. Als er wieder zu sich kam, fiel er rücklings durch die Luft. Er zog seine Reißleine, der Fallschirm öffnete sich, und er wurde sofort langsamer. Unter ihm waren Wolken, und er konnte den Boden nicht sehen. Dann waren Wolken um ihn herum, und er spürte keine Bewegung mehr. Er schaute sich um und sah einen anderen Mann an einem Fallschirm. Er begann, Namen zu rufen. Die Namen seiner Mannschaftkameraden. Er rief und rief. Keine Antwort, nur Echos. Plötzlich kam er aus den Wolken, und der Boden schien direkt auf ihn zuzukommen. Er war noch sehr hoch und konnte Bauern sehen, die auf dem Boden standen und mit ihren Mistgabeln auf ihn zeigten. Er machte eine Eisenbahnlinie aus und einen kleinen Bach, der durch eine Röhre unter den Schienen hindurchlief. Auf der anderen Seite der Eisenbahn lag ein großes Weizenfeld. Er landete im Bach und versteckte seinen Fallschirm in der Röhre unter den Schienen. Als er sich die Schuhe band und sich darauf vorbereitete, in das Weizenfeld zu laufen, wurde er durch einen Deutschen aufgehalten, der mit einem Gewehr auf ihn zielte. Mein Vater sagte, er sah nicht aus wie ein Soldat, eher so eine Art "Heimatwache".

 

(Es wird erzählt, daß Peter Koch aus Gusenburg auf einer Wiese auf Hermeskeiler Bann in der Nähe der heutigen Blasiusmühle arbeitete. Mit seinem Wiesenbeil legte er kleine Abflußgräben an. Plötzlich ging ein Ami am Fallschirm nicht weit von ihm runter. Koch, ein großer, kräftiger Mann, erschrak fürchterlich, nahm die Beine in die Hand und nahm Reißaus. Er alarmierte die Polizei, die den Amerikaner festnahm. Als man ihn später nach seinem Heldentum fragte, fragte er zurück, welche Farbe denn Heldenblut habe - braun oder rot. "Rot" war die Antwort. Drauf Koch: "Dann habe ich mir in die Hose gesch....")

 

Sie gingen etwa einen Kilometer weit und kamen in einen kleinen Ort (Gusenburg) in ein Schulhaus (ggf. ehem. Nebensaal des Gasthauses Nellinger (heute Hoffmann)). Die Schullehrerin sprach gut Englisch und übersetzte die Fragen, die ihm gestellt wurden, die er allerdings nicht beantworten durfte, nur seinen Namen, Rang und Seriennummer. Durch den Absturz hatte er sich an der Hand verletzt. Diese nette Lady reinigte seine Wunden und war untröstlich, daß sie keinen Verband hatte. Mein Vater sagte ihr, er habe einen Erste-Hilfe-Kasten bei seinem Fallschirm. Er erzählte ihr, wo er lag, und sie schickte jemanden los, um den Fallschirm zu finden. Sie kehrten mit dem Fallschirm zurück, und sie verband seine Hand. Er war von ihrer Freundlichkeit sehr berührt. Dann brachten sie James Kelly herein. Mein Vater erkannte ihn erst nicht, weil sein Gesicht so zerschnitten war, seine Nase war auf eine Seite gebogen, und sein Mund blutete. Er konnte nicht sprechen. Durch Gesten bat er meinen Vater um eine Zigarette, und mein Vater erkannte ihn durch den Ring am Finger als Kelly. Als der Wachsoldat bemerkte, daß die beiden sich kannten, gab er ihnen zu verstehen, daß sie nicht miteinander reden durten.

 

Zusammen mit 5 oder 6 anderen Gefangenen und ungefähr 10 Soldaten wurden sie dann in einem Pferdewagen in einen größeren Ort und ein größeres Gebäude gebracht (Hermeskeil). Man trennte sie, und sie wurden von den deutschen Behörden verhört. Dann setzte man sie in einen Zug und schickte sie nach Frankfurt. Wieder wurden sie verhört. Man brachte sie in kleinen Zellen unter, und nach etwa vier Tagen erlaubte man ihnen, sich zu anderen Gefangenen zu gesellen. Hier traf er wieder mit Kelly zusammen. Kelly erzählte ihm, als ihr Flugzeug das andere Flugzeug traf, brach sein Stuhl auseinander, und er wurde durch die Plexiglas-Kanzel hinausgeschleudert. Dabei erlitt er die Schnittwunden und brach sich die Nase. Vater fand hier auch Brown und Wilde wieder.

 

Er blieb etwa einen Monat dort. Eine Notiz kam ans Schwarze Brett, in der nach Freiwilligen als Offiziersordonanzen für ein Lager der Luftwaffe gefragt wurde. Mein Vater und Brown trugen sich ein. Etwa zwei Tage später brachte man sie per Bahn ins Gefangenenlager Stalag Luft III in Sagan (südöstlich von Dresden). Das war das letzte Mal, daß er etwas von Kelly oder Wilde hörte. Er und Brown blieben bis Kriegsende zusammen. Er blieb in Stalag Luft III etwa 10-11 Monate. Mein Vater berichtet, daß man sie im Camp niemals mißhandelte oder in anderer Weise verletzte. Die Verhältnisse waren armselig, und sie mußten sich mit dem aushelfen, was ihnen zur Verfügung stand. Sie erhielten bei Bedarf medizinische Hilfe. Sie organisierten sich und wurden zum Arbeitsdienst eingesetzt. Nahrung war natürlich der wichtigste Punkt auf ihrer Tagesordnung, da es nichts anderes gab, mit dem sie sich Zeit totschlagen konnten. Mein Vater erzählt von den Werkzeugen, die sie herstellten, und den Öfen, um sich warmzuhalten; alles wurde aus Resten und Abfällen hergestellt. Sie fanden für alles eine Verwendung.

 

Als die Russen anrückten, wurde das Gefangenenlager in Sagan aufgegeben. Die Gefangenen mußten zu Fuß nach Moosburg in Bayern marschieren marschieren. Dieser Marsch begann am 27. Januar 1945, und sie marschierten bis zum 13. April. Während dieses Marches begann mein Vater mit seinem Tagebuch. Am 29. April um 12:40 mittag wurde im Lager in Moosburg die amerikanische Flagge zusammen mit der britischen und der französischen gehißt. Die Befreier waren da. Am 3. Mai bestieg er einen LKW, der ihn nach Landshut brachte. Am 7. Mai flog er in einem amerikanischen Transportflugzeug vom Typ C-47 nach Reims, Frankreich, wo er per LKW nach LeHavre, Frankreich, gebracht wurde. Am 15. Mai bestieg er endlich ein Schiff, die U.S.S. Santa Rose. Sie legte am 29. Mai 1945 am Pier # 16 im Hafen von New York an.

 

Soweit die Schilderung von Philipp Rousse. Ebenfalls in seiner Maschine saß Walter L. Wilde aus Crawford, in Texas. Er war der Heckschütze:

 

"Wir waren auf dem Rückweg nach England von einem Bombenangriff auf den Verschiebebahnhof von Frankfurt. Wir waren das Führungsflugzeug in einer Einheit aus vier Flugzeugen und hatten unseren Hintermann sowie den rechten Flügelmann verloren.

 

Das ganze geschah so schnell - es dauerte vermutlich nur Sekunden - daß ich bis heute nicht verstehen kann, wie der Kugelturmschütze, Arthur Brown, aus seiner Kugel herauskommen und sich seinen Fallschirm anlegen konnte, bevor das Flugzeug in die Luft flog. Ich habe selbst schon im Kugelturm gesessen, es ist ein langwieriges und umständliches Unterfangen, während des Fluges auszusteigen.

 

Ich flog im "Stachel" als Heckschütze, als ich spürte, wie sich das Flugzeug wild vibrierte. Etwas, das wie die vordere Hälfte einer Focke Wulf 190 aussah, segelte an meinem Fenster vorbei. Ich dachte, einer der Bordschützen hätte einen Jäger erwischt, und bemerkte nicht, daß das unser Motor Nummer vier gewesen war, den man aus der Tragfläche herausgeschossen hatte. Ein oder zwei Sekunden später kam unsere rechte Tragfläche hoch, worauf das Flugzeug wild durchgeschüttelt wurde und nach links driftete, wo wir unseren linken Flügelmann trafen. Beim Zusammenstoß explodierten beide Flugzeuge, und die andere B-17 ging scheinbar senkrecht nach unten (Kandls Maschine).

 

Die Explosion verursachte bei mir einen momentanen Blackout. Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich im Schwanz unseres Flugzeuges wieder, der wie ein Segelflugzeug ohne Kontrollen nach unten ging. Zunächst konnte ich meinen Fallschirm nicht finden und stellte fest, daß meine Füße unter Munitionsgurten begraben waren, die aus den Munitionsbehältern gefallen waren. Ich befreite mich, wobei ich einen Stiefel verlor. Ich lag rücklings auf meinem Fallschirm. Ich schaffte es, ihn unter mir hervorzuziehen, und beschloß, mit dem Fallschirm in der Hand abzuspringen ... ich hoffte, ich würde auf dem Weg nach unten genug Zeit haben, um ihn anzuziehen. Ich muß sagen, ich hatte verteufelt viel zu tun, das Ding anzuziehen, während ich mit 120 Fuß pro Sekunde hinunterfiel. Ich erinnere mich, daß ich in freiem Fall durch die Wolken fiel, bevor ich die Reißleine zog, fühlte, wie ich abrupt stoppte und dann binnen Sekunden den Boden erreichte.

 

Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden. Ich machte eine perfekte Landung und sah mich sofort um. Teile unseres Flugzeuges fielen um mich herum zu Boden. Nachdem ich vergeblich versucht hatte, meinen Fallschirm zu vergraben, verbarg ich ihn schließlich unter einem Busch.  Über einen Hügel konnte ich eine Rauchwolke sehen, vermutlich dort, wo der Rest unserer Maschine runterkam. Zur rechten und in einiger Entfernung lag vermutlich der Hauptteil unserer Maschine. In diesem Gebiet war einiges los. Ich konnte Leute sehen und Stimmen hören.

 

 

 

 

 

Ein paar Minuten später bemerkte ich einen Fallschirm. Es war unser Bordschütze aus dem Kugelturm, Staff Sergeant Brown. Mir schien es wie eine Ewigkeit, bis er endlich den Boden berührte. Als ich ihn fragte, wie er es aus seiner Kugel geschafft hatte und seinen Fallschirm anziehen konnte, antwortete er:  Ich weiß es nicht, ich habe es einfach getan!  Ich half ihm, seinen Fallschirm zu verstecken, und wir rannten über ein offenes, gepflügtes Feld in ein Wäldchen aus jungen Bäumen. Wir fanden einen flachen Graben, in den wir uns legten und so klein wie möglich zu machen versuchten. Wir hörten Gewehrschüsse in der Nähe. Niemand von uns trug eine Waffe. Es war meine 13. Mission, und die Jungs drüben in England hatten mich damit aufgezogen, das sei eine Unglückszahl. Ich sagte ihnen, ich würde alles zurücklassen, meine Waffen, Notration usw., und das zeige, wie sicher es sei, daß ich in gutem Zustand würde zurückkehren."

 

Über Wildes Gefangennahme berichtet Walter Jakoby aus Hermeskeil. Er hatte den Absturz der beiden Flugzeug gesehen, nachdem sie aus den Wolken gekommen waren. Eine Tragfläche landete in der Gemarkung "Steck" gegenüber von Gusenburg. Er sah die Rauchwolken, die aus dem Wald aufstiegen, und lief mit seinen Freunden dorthin. Als sie an die Straßenkurve nahe beim brennenden Wrack ankamen, kam vom Konzentrationslager Hinzert ein Klein-Lkw, auf dem etwa 15 bewaffnete Soldaten mit Suchhunden saßen. Diese befahlen den herumstehenden Zivilisten, eine Suchreihe zu bilden. Auf je drei Zivilisten kam ein SS-Mann. Auch die Jungen wurden eingebunden. Der erste SS-Mann in der Reihe, augenscheinlich der Anführer, führte zwei Hunde. Er rief Jakoby zu sich und übergab ihm den Hund Prinz. Prinz war ziemlich groß, er reichte Jakoby bis über die Hüfte. Jakoby hielt ihn am Halsband fest, als der erste Mann den Befehl zum Eindringen in den dichten Wald gab. Der Hund zog ziemlich fest, und Jakoby konnte ihn nicht so kontrollieren, wie er gerne wollte. Bald lagen er und Prinz ein paar Meter vor der Reihe der anderen. So erreichten sie schließlich eine, ein paar Meter breite Schneise, die von rechts nach links durch den Wald führte. Just in diesem Moment betrat ein Amerikaner von der anderen Seite die Schneise und wollte diese überqueren und wieder in den Wald eindringen. Er befand sich Jakoby schräg gegenüber. Jakoby stieß einen Schrei aus, der die Suchmannschaft alarmierte, und ließ den Hund los. Der stürmte auf den Amerikaner zu und sprang an ihm hoch. Der Ami fiel auf den Rücken, Prinz stellte sich über ihn. Der Ami rührte sich nicht. Die Leute kamen von allen Seiten hinzugelaufen. Der SS-Hundeführer pfiff Prinz zurück, der auf der Stelle reagierte. Der Ami durfte aufstehen, dann wurde er von oben bis unten durch Abtasten untersucht. Der SS-Mann förderte eine Art Schlauch zu tage, der voller Wasser war. Er wollte es wegwerfen, als der Ami ihn durch Gesten bat, es behalten zu dürfen. Die Bitte wurde ihm gewährt. Er wurde zur Straße bei der Kurve hinuntergebracht, wo schon zwei weitere Gefangene warteten. Einer der Amerikaner entnahm einer Uniformtasche ein Zigarette, steckte sie in den Mund und wollte sie gerade anzünden, als sie ihm der politische Leiter der SA in Hermeskeil, W., mit der flachen Hand aus dem Gesicht schlug. Dies bekam W. nicht gut, denn er selbst wurde von den Männern der SS niedergeschlagen. Die Amerikaner wurden auf einen Lkw aufgeladen und weggebracht. Der Hund "Prinz" wurde ein paar Tage später offiziell belobigt und ausgezeichnet.

 

Walter Wilde berichtet weiter:

"Kurz nach unserer Gefangennahme trafen wir auf einen anderen Kriegsgefangenen, von dem ich glaube, daß er ein Überlebender aus dem Schiff zu unserer linken gewesen war, in das wir hineinstürzten, als unsere Tragfläche abbrach und wir außer Kontrolle gerieten. Er schien schlimm verbrannt zu sein.

 

Ich erinnere mich, daß nur Brown und ich mit einem Automobil in                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Das erste, was mir einfiel, war "wann gibt es etwas zu essen?". Deshalb wiederholte ich dies, bis den Verhörer die Geduld auf eine bessere Antwort ausging.

 

Ich erinnere mich vage, daß eine Anzahl Menschen im Zimmer waren, einige in Uniform und einige in Zivil. Sie hatten mich in einem weiten Bogen eingeschlossen. In der Mitte stand ein Mädchen, das als Übersetzerin diente. Sie hatte geweint, und es schien, daß sie sich die Hand oder die Faust geschnitten oder verletzt hatte. Das Verhör war sehr kurz, und die Verhörer waren arg verdrossen über die dürftigen Information, die sie von mir erhalten hatte. Deshalb warfen sie mich ziemlich rüde aus dem Zimmer. Ich dachte schon, für Brown und mich sei damit der Weg zu Ende!

 

Später brachte man uns in eine Einrichtung, wo auch andere Gefangene inhaftiert waren. Jemand meinte, es sei ein altes Hühnerhaus gewesen. Dort trafen wir auch unseren Bombenschützen Lt. James Kelly und den Funker SSgt Rousse. Ich erkannte den Bombenschützen nicht, weil sein Kopf völlig zugewickelt war - wie eine Mumie. Der Funker erzählte mir, es sei Kelly. Es schien so, als ob er durch die Plexiglasscheibe in der Flugzeugnase geschleudert worden sei.

 

Der Funker Rousse sagte mir, er hätte seinen Fallschirm schon getragen und gerade Thomas Price in seinen Brustfallschirm helfen wollen (sie standen beide im Funkraum) und half einem Bordschützen mit dessen Fallschirm, als Price plötzlich weg war. Er wußte nicht, was er noch mit dem Fallschirm machen sollte, also ließ er ihn fallen. Er trat aus dem Funkraum ins Freie und zog seine Reißleine (dazu Rousse' Tochter: Die Geschichte, die Ihnen Wilde über meinen Vater und Price erzählte, stimmt nicht. Mein Vater sagt, wenn es so gewesen wäre, wie Wilde es beschrieben hat, hätte er Alpträume wegen dieser furchtbaren Ereignisse. Er gibt an, er weiß nicht, wo sich Price zu dieser Zeit aufhielt)."

 

Hans Scherer aus Hermeskeil arbeitete im Bürgermeisteramt Hermeskeil. Als die Gefangenen nach Hermeskeil in den Ratskeller gebracht wurden, "erhielt" seine Abteilung auch einen Gefangenen, den sie versuchten zu verhören. Anwesend waren Scherer (Jahrg. 1927), Inspektor Schneider sowie drei weitere Beamte. Der Amerikaner, ein Hüne und stattlicher Mann, wirkte eher belustigt, als ihm die Beamten ein Flugzeug aufmalten und von ihm wissen wollten, wieviel Männer im Flugzeug gewesen waren. Er lachte sie an und gab keine Antwort. Scherer vermutet, daß es Wilde gewesen sein könnte.

 

Die Gefangenen wurden noch am gleichen Abend nach Trier in die Kaserne am Petersberg gebracht.

 

Anni Hennen, Hans Schömer, Alfred Anell, Hermann-Josef und Maria Wahlen, alle aus Gusenburg, können sich an das Flugzeugwrack genau erinnern:

 

Die beiden Flugzeuge kamen von Südosten über die Berge herein. Schon während des Fluges taumelten sie, eines zog eine Rauchwolke hinter sich her. Während die brennende Maschine in den Wald rechts der Straße nach Hermeskeil auf Hermeskeiler Bann einschlägt, kommt die andere nur noch in Einzelteilen runter.

 

Oberhalb des Gusenburger Sportplatzes geht von der Hauptstraße nach links ein geteerter Feldweg ab, der nach etwa 200 Metern an einem Schuppen vorbeiführt. Auf der Landkarte biegen von diesem Weg nach Norden sechs weitere Wege ab (der 6. ist die verlängerte Kellerstraße), die ein langes Feld durchqueren, das über einen Hügelrücken bis zum gegenüberliegenden Wald, dem Perchwald, verläuft. Dieser Wald war 1944 noch nicht vorhanden. Mitten in diesem Feld stand früher ein hölzerner Aussichtsturm.

 

Der Hauptteil des Flugzeuges stürzte zwischen dem 2. und 3. Weg (von der Hauptstraße an) auf die Erde, wobei andere Trümmer aber auch weiter entfernt einschlugen. Zwischen dem 1. und 2. Weg lag ein Toter. Westlich der verlängerten Kellerstraße lagen ebenfalls drei Tote. Sie schlugen beim Aufschlag tiefe Löcher, ihre Fallschirme steckten meist noch in den Fallschirmsäcken auf ihrem Rücken.

 

Das abgetrennte Heck der Sisler-B-17 landete nahe dem Hauptrumpf auf dem o.a. Feld. Eine der Tragflächen kam auf der anderen Seite des Ortes auf einem Feld oder Acker westlich des Mühlenweges herunter. Ein weiteres Flugzeugteil schlug auf Bierfelder Bann auf. Eine der Bordkanonen steckte mit dem hinteren Teil im Boden, der Lauf starrte in die Luft. Als ein neugieriger Junge mit dem Fuß dagegenstieß, ging die Kanone los.

 

 

 

 

 

Einer der Toten trug eine Armbanduhr, die 12.00 Uhr zeigte, als jemand draufschaute. Auf der rechten Seite der Straße nach Hermeskeil oberhalb der Einbiegung Gartenstraße arbeitete der Gemeindearbeiter Jakob Klauck nahe einem Abflußgraben bei der Straße. Als er den Motorenlärm hörte, ging er im Graben in Deckung. Er erschrak furchtbar, als plötzlich neben ihm im Graben ein menschliches Bein, am Oberschenkel abgerissen, landete. Es gehörte dem Navigator Montidier N. Estes, dessen Körper bei Bierfeld niedering.

 

Als Kinder sich die Toten anschauten, kam eine Frau daher und rief ihnen zu: "Paßt auf, der lebt noch. Schaut mal, er wackelt noch mit den Füßen." Als die Kinder erschraken und verängstigt davonstoben, begann sie, die Toten nach Brauchbarem zu untersuchen.

 

Die Fallschirme waren sehr begehrt. Ein Mann aus Gusenburg schleppte gleich drei nach Hause; ein paar Wochen später trugen seine Töchter die neuesten und schicksten Blusen des ganzen Dorfes.

 

Der in Hamburg lebende, freiberufliche Autor Gerd Fuchs stammt aus Nonnweiler; in seinem Jugendroman "Die Amis kommen - ein Hitlerjunge erlebt das Kriegsende" beschreibt er auf u.a. auch den Absturz einer B-17. Als Vorlage diente ihm der Absturz von Sislers Bomber bei Gusenburg.

 

Kandl bei Gusenburg auf Hermeskeiler Bann

 

Typ: B-17 F-125-BO

Kennzeichen MZ-0

Serien-Nummer  42-30859

Name: "Skylark" (Himmelslerche)

Einheit: 96th Bomb Group (H) 413th Bomb Squad, Snetterton Heath, England

 

Pilot                  Louis C.             Kandl             1Lt          O-797550   KIA

Copilot              Brandon J.         Britt               2Lt          O-680599   KIA

Navigator          Robert W.          Stanton         2Lt          O-736416   KIA

Bombenschütze Albert                Combs          1Lt          O-2043755 KIA

Funker              Robert J.           Scanlon         TSgt        11094721   KIA

Oberer Turm      Edward J.          Knapp            TSgt        13039641   KIA

Kugelturm         Theodore A.      Wagner         SSgt        36275721   KIA

Rechte Seite      Theodore D.      Brown           SSgt        32362081   POW

Linke Seite         Aaron E.            Shoop           SSgt        17077156   KIA

Heckschütze      Charles E.          Harbaugh       SSgt        13145658   POW

 

 

 

 

 

Der Heckschütze Charles E. Harbaugh aus Tiffin im Bundesstaat Ohio schildert seine Erlebnisse an Bord der Skylark während ihres letzten Fluges:

 

"Ich trat im November 1942 in den Militärdienst ein, verbrachte acht Monate mit Training und wurde dann einer B-17-Crew als Heckschütze und Flugzeugwaffenwart zugeteilt. Im Sommer 1943 kam ich in England an.

 

Im Januar 1944 wurde der Skylark-Crew die Rolle des Squadron-Führers zugeteilt. Am Morgen des 29. Januar 1944 nach dem Briefing, in dem uns das Ziel Frankfurt zugewiesen worden war, trat in der Aufwärmphase während des Vorflugchecks ein mechanisches Problem auf. Während das Problem von der Bodencrew in Ordnung gebracht wurde, stieg die Squadron auf, wobei das normalerweise zweite Flugzeug die Führung übernahm. Als wir dann für luftauglich erklärt wurden und mit der sich sammelnden Formation aufstiegen, war es zu spät, um die Führung zu übernehmen, und wir reihten uns weiter hinten in der Formation ein.

 

Nachdem die Bomben durch ein Loch in der Wolkendecke abgeworfen worden waren auf das, von dem wir dachten, es sei Frankfurt (es war aber Ludwigshafen), drehten wir in Richtung Heimatbasis zurück. Es tauchte zwar keine verbündete Jägereskorte auf, aber dafür eine Menge deutscher Jäger. Sie griffen die Formation an und versuchten, durch sie hindurchzutauchen, eine Taktik, die man benutzte, um die Verteidigungskräfte aufzulösen und jeden Bomber auf sich allein zu stellen.

 

Plötzlich hörte ich über den Intercom: "Schaut raus", dann kam ein Zusammenstoß, und ich fand mich allein in der Hecksektion, und der Rest des Flugzeuges war weg. Ich hatte einige Probleme, mich zu befreien, aber als ich sprang und eine Rolle durchführte, um meinen Fallschirm öffnen zu können, folgte mir das Heck nach unten mit fast der gleichen Geschwindigkeit, mit der auch ich fiel. Ich wartete, so lange es ging, bis ich meinen Schirm öffnete, und irgendwie verpaßte der Fallschirm das Heck, und wir landeten Sekunden auseinander auf einem kleinen Feld. "Das Heck war nicht mehr als 200 yards von mir entfernt heruntergekommen.

 

StaffSergeant Theodore D. Brown, der rechte Bordschütze, wurde aus der Maschine geschleudert, als sie am Geschützstand des Seitenschützen entzweibrach. Er trug seinen Fallschirm und landete sicher. Nach seiner Heimkehr nach Amerika wurde er über den Absturz befragt und gab folgende Aussage zu Protokoll:

 

"Der Zusammenprall ereignete sich um 11.45 (englische Ortszeit) in einer Höhe von 23.000 Fuß auf dem Rückweg nahe Belgien. Außer mir kam nur noch der Heckschütze raus; er befand sich im Heck, als dieses abgetrennt wurde. Er kämpfte gegen den Druck an und kam aus dem Heck heraus, als es die Wolken erreichte. Ich traf zwei Besatzungsmitglieder des anderen Flugzeuges auf dem Boden wieder, den Bombenschützen und einen Seitenschützen.

 

Unser Pilot Kandl stieg nicht aus; er war im Flugzeug gefangen. Er muß versucht haben, das Flugzeug unter Kontrolle zu bringen, obwohl er gewußt haben muß, daß das Heck weg war, die Kontrollen zerstört und das Flugzeug abstürzte. Der Kugelturmschütze Wagner stieg nicht aus, sein Fallschirm befand sich außerhalb des Kugelturms. Ich vermute, der Kugelturm war abgeschnitten und konnte nur noch manuell bedient werden. Nachdem das Heck ab war, kam er vermutlich nicht mehr aus der Kugel heraus, um seinen Fallschirm zu nehmen und abzuspringen. Der Turmschütze Knapp sah das Flügelschiff auf uns zukommen und wollte den Piloten warnen, aber es war zu spät. Die Maschine tauchte weg oder geriet ins Trudeln, und er konnte sich wohl nicht mehr befreien. Shoop, den linken Seitenschützen, sah ich zum letzten Mal, als das Heck ab war und ich hinaussprang. Ich hatte ihn gefragt, ob ich ihm helfen sollte, seinen Fallschirm anzuziehen, und er schüttelte den Kopf: nein. Deutsche Soldaten sagten mir, er sei tot. Ich vermute, er sprang ohne Schirm ab oder blieb im Schiff. Persönlich glaube ich, daß er fiel. Die Luftströmung zerriß das Schiff, und er stand nah am Rand. Weil das andere Schiff mit uns kollidierte und uns in zwei Teile zerbrach, ist der Funker Scanlon wahrscheinlich im Funkraum irgendwo gegen gestoßen, so daß er bewußtlos wurde und nicht mehr hinaus kam. (Leider ist es dem Autor nicht gelungen, mit Brown in Verbindung zu treten)".

 

Charles Harbaugh berichtet von seiner Gefangennahme:

"Am Rand des Feldes stand eine Baumreihe, etwa 50 yards lang, dahinter lag ein weiteres Feld, und dann kam ein Hügel. Ich warf meinen Fallschirm ins Flugzeugheck, überquerte das erste Feld und versteckte mich unter den Bäumen. Als ich hörte, daß sich eine Suchmannschaft näherte, verließ ich die Baumreihe auf der anderen Seite und hielt über das zweite Feld auf den Hügel zu. Als ich etwa in der Mitte des Feldes angelangt war, kam ein deutscher Soldat auf einem Motorrad um die Baumreihe herum. Er rief laut "halt", und ich blieb sofort stehen. Er fuhr auf mich zu und nahm mich gefangen. Er fragte mich nach meinem Fallschirm, also gingen wir zurück zum Heck und holten ihn. Ich trug zwar meine .45er unter meinem Overall, kam aber nicht auf die Tdee, sie zu ziehen. Außerdem war der Soldat bewaffnet. Er hieß mich loszugehen und gab die Richtung an, also trottete ich vor ihm her. Er folgte mir auf seinem Motorrad." (Er ist der Mann, den Johannes Ganz in seinem eingangs aufgeführten Erlebnisbericht sah).

 

Harbaugh fährt fort:

"Ich wurde in ein kleines Dorf gebracht, das nicht weit entfernt lag. Zeiten und Entfernungen geraten leicht ducheinander, besonders nach all diesen Jahren. Ich erinnere mich an eine Rauchsäule auf der anderen Seite eines Hügels und Geräusche, die wie explodierende Munition in einem Feuer klangen. An diesem Abend wurden ein oder zwei andere und ich per Lkw an einen Ort gebracht, wo wir auf andere amerikanische Flieger trafen und über Nacht blieben. Dort traf ich Ted Brown, unseren Seitenschützen. Er war aus dem Flugzeug geschleudert worden, trug aber seinen Fallschirm, und war ebenso unverletzt wie ich. Er war auf dem Weg nach unten einige Kilometer weit abgetrieben worden."

 

Anni Kaspar aus Bierfeld erzählt über die Gefangennahme eines amerikanischen Fliegers in Bierfeld. Sie war damals 24 Jahre alt. Ein amerikanischer Soldat landete mit dem Fallschirm im Wald am Rand des Dorfes, wurde von der Bevölkerung in Empfang genommen und ins Dorf zum Haus des Bürgermeisters Ramb (Annis Vater) gebracht. Schon vor der Tür kam ein Mann aus Bierfeld auf Ramb zu und sagte: "Ramb, es wird nicht lang gefackelt, nimm die Pistole und erschieß ihn!" Aber Ramb war im 1. Weltkrieg Gefangener in Belgien gewesen und erinnerte sich daran, wie er damals behandelt wurde. Der junge Amerikaner wurde ins Haus in die Küche gebracht. Er hatte eine Verwundung am Nacken, möglicherweise von einem Streifschuß, und blutete ziemlich schlimm. Anni wusch die Wunde aus und verband sie. Ihre Mutter hatte Suppe gekocht, und man bot dem Amerikaner einen Teller voll an. Auch eine Tablette gegen die Schmerzen sollte er erhalten. Doch er schüttelte nur den Kopf. Ein deutscher Soldat, der Englisch konnte, kam hinzu und sprach mit dem Gefangenen. Doch der wollte nichts nehmen. Erst als Anni einen Löffel Suppe aß und eine halbe Tablette nahm, gab er nach und aß. Dann aber gleich zwei volle Teller. Später kamen deutsche Soldaten und holten den Mann ab. Am anderen Ende des Dorfes kam ein Flieger ohne Fallschirm nach unten. Eins seiner Beine fehlte.")

 

 

 

Harbaugh erzählt weiter:

"Am nächsten Tag setzte man uns in einen Zug und brachte uns zum Dulag-Befragungszentrum in Frankfurt. Wir brauchen nicht darüber zu reden, daß die Zivilisten, die noch einen oder zwei Tage vorher bombardiert worden waren, nicht gerade glücklich waren. Wir wurden durch bewaffnete Gardisten beschützt und wurden zu keiner Zeit mißhandelt. Nach der Befragung durch die Luftwaffe wurde ich per Zug in Stalag Luft III nahe Sagan gebracht. Ich war in Gewahrsam dort bis Januar 1945, als die Russen von Osten her nach Deutschland vordrangen. In dieser Zeit wurden wir von dort weggebracht ins Stalag VII, wo ich am 29. April 1945 befreit wurde.

 

Hermann-Josef und Maria Wahlen aus Gusenburg können sich an das Flugzeugwrack noch gut erinnern:

 

Die Absturzstelle liegt rechts der Straße nach Hermeskeil nördlich von Gusenburg kurz nach dem Eintritt in den Wald. In einer kleinen Linkskurve geht ein Feldweg in den Wald hinab. Nach etwa zehn Metern biegt man ins Gestrüpp ab und stößt auf den alten Weg nach Hermeskeil. Nach etwa 50 Metern trifft man auf eine große Fichtenschonung. Dort schlug das Flugzeug auf und brannte völlig aus. Pilot und Co-Pilot starben in der Maschine. Leute erinnern sich daran, daß sie zusammengeschnurrt waren wie kleine Puppen. Der Pilot saß am Steuerhebel und hielt diesen fest in der Hand, seine Zunge hing heraus, wie sein ganzer Körper schwarz verkohlt. Der Co-Pilot saß neben ihm und hielt eine Tasche fest. Etwa 250 m entfernt wurden fünf weitere Tote gefunden, einer lag mit dem Kreuz über einem Baumstumpf. Hildegard Blasius von der Blasiusmühle sah einen Toten, der am Fallschirm in einem Baum hing.

 

Edmund Schömer aus Hermeskeil fand bei der Suche nach einem römischen Tempel nahe der Absturzstelle Teile eines Munitionsgurtes mit noch scharfen Patronen.

 

Die toten Amerikaner wurden geborgen und auf dem Friedhof von Gusenburg beerdigt; identifiziert wurden sie anhand der Erkennungsmarken, die sie um den Hals trugen. Nach dem Krieg kam ein amerikanisches Sammelteam, das die Überreste ausgrub, um sie später auf einem der außerhalb Deutschlands gelegenen amerikanischen Soldatenfriedhöfe zu bestatten. Die meisten kamen um 1948 im Rahmen der Operation "Sunset" (Sonnenuntergang) auf Wunsch ihrer Angehörigen in die Staaten zurück und wurden auf ihren Familienfriedhöfen beerdigt.

 

Die Flugzeugwracks wurden schon kurz darauf von den Luftwaffe weggeschafft und eingeschmolzen. Aluminium war damals wie heute ein wertvoller Rohstoff. Und Metall war knapp.

 

Von Sislers Flugzeug ist heute nichts mehr zu finden; in der Schonung am alten Weg nach Hermeskeil dagegen finden sich immer wieder noch ein paar kleine Stückchen verbogenen Metalles. Das ist alles, was von dem 30 Tonnen schweren Flugzeug übrigblieb. Ein bißchen Schrott und diese Geschichte.

 

Quellen:

Nationalarchiv, College Park, MD, USA: Missing-Air-Crew-Reports 2377 u. 2381; KU 734

Hermeskeil - Aufstieg zum zentralen Ort , Seite 213 unten (Photo)

Sammlung Klaus Zimmer, St. Ingbert

 

Zeitzeugen:

Raina A. Maynard 36, Grand Isle, VT 05458, für ihren Vater Philipp M. Rousse

Walter Lee Wilde, Crawford, TX 76638

Charles E. Harbaugh, Tiffin, Ohio 44883

Gusenburg: Anni Hennen, Hans Schömer, Alfred Anell, Hermann-Josef u. Maria Wahlen

Hermeskeil: Herbert Schmitt, Walter Jakoby, Hildegard Blasius, Edmund Schömer, Hans Scherer; Johannes Ganz, St. Wendel; Anni Kaspar, Bierfeld; Gerd Fuchs, Hamburg; Helmut Ludwig, Nonnweiler

 

 

Im September 1997 traf ich Charles Harbaugh in Fostoria, Ohio.

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