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19. Jahrhundert -> 1857-1934 Oscar von Hutier

Hutier

 

     Wenn man aus der Innenstadt von St. Wendel aus den Tholeyerberg hinauffährt und oben am Hotel Stadt St. Wendel die Bundesstraße 41 überquert, kommt man in den Bereich der St. Wendeler Kaserne. 1936 im Rahmen des Westwallbaues errichtet diente sie bisher drei Herren: von 1936 bis März 1945 den Deutschen, dann kurzfristig bis Juli 1945 den Amerikanern und sehr lange - nämlich bis Mai 1999 - den Franzosen. Seit dem hat die Stadt St. Wendel sie wieder unter ihre Fittiche genommen und baut sie in einen riesigen Gewerbe- und Freizeitpark um.

     Direkt vorn, an der großen Umfassungsmauer, links neben dem in meiner Erinnerung immer geschlossenen Eisentor, das mich immer faszinierte, weil dort ein gemauerter Eingangstunnel steht, durch den man das Tor hätte passieren können, dort hing jahrelang ein gut fünf Meter langes hellbraunes Holzschild, auf dem man mit dicken Lettern die beiden Worte "Garnison francaise" lesen konnte. Als die Franzosen abzogen, nahmen sie ihr Schild mit.

     Darunter kam ein fast ebenso langer Stein zum Vorschein, der ehedem auch einmal Buchstaben getragen hatte. Sie waren mit Hammer und Meißel abgeschlagen worden, vermutlich unmittelbar, bevor die Franzosen ihr Holzschild anbrachten. Sechs Buchstaben waren es gewesen, die man heute noch ungefähr erkennen kann, wenn man sich etwas anstrengt. Als ich zum ersten Mal davorstand und sie zu entziffern versuchte, traf mich fast der Schlag. Ich sprang ins Auto, raste nach Hause, schnappte mir meinen Fotoapparat und schoß schnell eine ganze Serie von Fotos, hochkant, querkant, im Totalen und en detail.

 

     Was ich dort entziffert habe? Nun, zuerst kam ein "H", beim zweiten Buchstaben war ich mir nicht sicher, der dritte war ein "T", dann kam einer mit einem geraden Abstrich, gefolgt von einem "E", und ein "R" bildete den Abschluß, dann kam ein Bindestrich und das gut erkennbare Wort "KASERNE". Ich las dort "HITLER-KASERNE" und gab dem Stein deswegen eine Überlebenschance von vielleicht einer Woche.

 

 

 

 

 

     Doch als ich die Fotos entwickeln ließ, legte sich meine Aufregung schnell, denn das "i", also der zweite Buchstabe, war definitiv kein solches, sondern ein "U", das "L" allerdings war ein "i". Das ergab dann "HUTIER", nicht HITLER. Ein Blick ins St. Wendeler Heimatbuch von 1993/4 - und Dieter Bettingers Artikel über St. Wendel als Garnisonsstadt bestätigte den Namen.

     Ausführliche Informationen fand ich im Internet auf der Website eines Amerikaners namens Michael B. Barrett. Er ist Doktor der Philosophie und lehrt an der Universität "The Citadel" in Charleston, South Carolina, Geschichte. Sein spezielles Interesse gilt der Weimarer Republik und dem Ersten Weltkrieg. Er hält Einführungs- und Fortgeschrittenenkurse über sounterschiedliche Themen wie den Ersten Weltkrieg, Hitler, Plato und die Nato. Er stimmte erfreut zu, als ich ihn bat, seinen Text als Basis für diesen Artikel verwenden zu dürfen. Leider gibt es die Website nicht mehr.

 

 

 

 

 

 

 

Oskar von Hutier

* 27. August 1857 in Erfurt;
5. Dezember 1934 in Berlin

war einer der erfolgreichsten und innovativsten deutschen Generäle des 1. Weltkriegs.

 

     An Hutier erinnert man sich immer dann, wenn es um die sogenannten "Hutier"-Taktiken geht, die man auch "Infiltration" oder "Sturmtruppentaktik" nennt.

     Hutier hatte bemerkt, daß die konventionelle Art des Angriffs, nämlich lange Artilleriesalven entlang der gesamten Frontlinie, gefolgt von massiven Infanterieangriffen, nur zu desaströsen Verlusten führten. Er schlug einen Alternativplan vor, bestehend aus drei grundlegenden Schritten:

=> Ein kurzes Artilleriebombardement, bestehend aus schweren Granaten in Kombination mit verschiedenen Giftgas-Granaten, neutralisiert die feindliche Frontlinie, zerstört sie aber nicht..

=> Sturmbataillone rücken unter kriechendem Artilleriefeuer vor und infiltrieren zuvor identifizierte Schwachstellen in der feindlichen Verteidigung. Dabei vermeiden sie Kämpfe so gut als möglich und dringen zielstrebig zum feindlichen Hauptquartier bzw. Artilleriestellungen vor und nehmen diese ein oder vernichten sie.   => Nachdem die Sturmbataillone ihre Arbeit getan haben, rücken schwere deutsche Armeeeinheiten mit Maschinengewehren, Mörsern und Flammenwerfern vor und greifen Ziele an, die die Sturmbataillone nicht neutralisieren konnten. In der letzten Phase des Angriffes bricht reguläre Infanterie jeglichen verbliebenen feindlichen Widerstand.

     Viele andere Generäle haben in der Vergangenheit ähnliche Taktiken entwickelt. Sie reichen zurück bis in die Zeit des US-Amerikanischen Bürgerkriegs, als Army Colonel Emory Upton 1864 eine ähnliche Taktik bei der Schlacht von Spotsylvania Court House anwendete. Alliierte Verbände taten dies ebenfalls in frühen Kämpfen in Frankreich. Hutier jedoch war der erste Kommandant, der sie im großen Stil auf das Gefechtsfeld brachte.

     Hutier stammte aus einer alten Militärfamilie. Sein Großvater diente schon unter Napoleon und blieb dann in Deutschland. Seine Vater führte ein preußisches Regiment und verdiente sich Lob und Anerkennung im Krieg von 1870 gegen die Franzosen. Hutiers Mutter war eine Ludendorff, und der Generalquartiermeister Erich Ludendorff war Hutiers Cousin.

     Nachdem er die Kadettenschule von Lichterfelde abschlossen hatte, durchlief er eine der üblichen Karrieren, bis er mit der Empfehlung seines Lehrers von Hindenburg - "ein hochbegabter junger Offizier, in den wir unsere größten Hoffnungen setzen" - in den Generalstab versetzt wurde.

     Während er beständig zwischen dem Truppendienst und Stabsdienst hin und herwechselte, arbeitete er ständig an seiner Karriere. Während des Marne-Feldzuges kommandierte er die 1. Garde Infanterie Division in Bülows 2. Armee. Im Frühjahr 1915 wechselte er an die Ostfront und kommandierte das XXI. Armeekorps, das zu Eichhorns 10. Armee gehörte, und nahm Vilna und Kovno ein. Im Janaur 1917 wurde er zum Kommandeur der Armeesektion "D" (vorher Sektion Scholtz) an der Drina südlich von Riga ernannt und im April des gleichen Jahres zum Kommandeur der 8. Armee.

     Am 3. September 1917 nahm die 8. Armee Riga ein, wofür ihr Kommandeur mit dem Pour le Mérite ausgezeichnet wurde. Einen Monat später unternahm die 8. Armee das einzige Wasser-Land-Manöver des gesamten Krieges und eroberte die Baltischen Inseln.

     Hutier wechselte anschließend als Kommandeur der neu aufgestellten 18. Armee an die Westfront, die mit ihrem Durchbruch am 21. März 1918 die Frühjahrsoffensive eröffnete. Ihm standen dazu 5 Corps und 27 Divisionen zur Verfügung. In wenigen Tagen nahm die 18. Armee 50.000 Kriegsgefangene und stieß gut 60 Kilometer vor, wobei sie ihre Schwestern-Armeen an ihren Flanken weit hinter sich ließ. Für diesen Erfolg wurde Hutier vom deutschen Kaiser am 23. März 1918 zum Pour le Mérite noch das Eichenlaub verliehen.

     Während des restlichen Krieges leitete er mit fähiger Hand die 18. Armee gegen Angriffe der Engländer und Franzosen. Nach dem Friedensschluß führte er seine Einheiten zurück über den Rhein. Ihm wird nachgesagt, daß eine Ansprache an seine Armee am 10. November 1918 die Grundlage für die berüchtigte Dolchstoß-Legende bildete, als er sagte: "Vom Feinde unbesiegt, aber durch äußere Umstände gezwungen, müssen wir das Gebiet wieder aufgeben, das wir nach so heftigem Ringen erobert haben ... trotzdem können wir mit erhobenem Haupt in unser geliebtes Vaterland zurückkehren ..."

     Im Januar 1919 reichte er seinen Rücktritt ein und übernahm bis zu seinem Tode den Vorsitz des Deutschen Offiziersbundes."

     Oskar von Hutier starb im Jahre 1934.

 

Dieser Artikel erschien 2015 in meinem Buch "Kriegszeiten".

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