Mittlerweile ist das 19. Jahrhundert angebrochen. Bis Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt nur eine Schule besessen, die im alten Altaristen-, späteren Organisten- und heutigen Küsterhaus Balduinstraße 30 untergebracht war und um diese Zeit aus allen Nähten zu platzen drohte. Bis dahin hatte der alte Handwerkerlehrer Riotte alle Kinder in einem Raum ?unterrichtet?. Das lief so, daß er die Aufsicht über alle Kinder führte, während die älteren den jüngeren ihr Wissen vermittelten. Riotte ging unterdessen in einer Ecke des Schulsaals seinem Handwerk nach, da er nur vom Lehrergehalt allein nicht leben konnte.
Dieses Schulsystem wird nun völlig geändert. Federführend für diese Änderungen ist der schon genannte katholische Pfarrer Dr. Castello, der Nachfolger von Martin Bender. Er war selbst Lehrer am Priesterseminar in Trier gewesen, von dort aber abberufen und als Priester nach St. Wendel versetzt worden. 1797 hat er hier eine eigene Mädchenschule organisiert, die in zwei Räumen der alten Schule Raum fand. Um die Jahrhundertwende beginnt Castello, sich um die wachsende Schülerzahl Sorgen zu machen. Und um das für diese moderne Zeit furchtbar altmodische Bildungssystem. Castello haben es die neuen Pädagogikmethoden des Ignaz von Felbiger angetan. Nach dessen Grundsätzen war knapp 50 Jahre zuvor eine Reform des Schulwesens eingeleitet worden.
Ziel dieser Reform ist die Heranbildung von tüchtigen Mitgliedern der Kirche, von rechtschaffenen Untertanen des Landesherrn, von brauchbaren Bürgern des Staates. Durch Klassenunterricht, durch Anwendung der Hähnschen Tabellar- oder Literalmethode (nach der das Einprägen des Lernstoffes durch schematische Übersichten an der Wandtafel erleichtert werden soll), durch Katechismus- und biblischen Geschichtsunterricht, alles in der Obhut von gut vorgebildeten und sittlich einwandfreien, das heißt ?rechtschaffenen?Lehrern, gelang es Felbiger allmählich, den Bildungsstand in den deutschen Schulen zu heben. Der Lehrer hat nicht mehr nur die Aufsicht über die Schüler, sondern lenkt und lehrt seine Klasse. Das Prinzip des Katheders wird eingeführt, die Schulbänke nach ?vorne? in Richtung Lehrerpult ausgerichtet.
Im Mai 1802 wendet sich der St. Wendeler Bürgermeister Johann Josef von Hame im Auftrag des Stadtrates an den zuständigen Unterpräfekten in Saarbrücken und bittet um Überlassung der ehemaligen Magdalenen-kapelle als Schulgebäude. Dieser stellt in seinem Antwortschreiben den Stadtrat vor die Wahl, entweder am Standort der ?Wendelskapelle? ein neues Schulgebäude mit Lehrerwohnung zu errichten oder das vorhandene Gebäude umzubauen. Es soll Raum geschaffen werden für eine Elementarschule mit 220 oder mehr Schülern, und es seien mindestens zwei Schulsäle notwendig. Der Stadtrat stellt daraufhin fest, daß ein solches Bauprojekt in St. Wendel zur Zeit nicht zu verwirklichen ist; deshalb wolle man die ehemalige Kapelle umbauen. Sie sei schon lange nicht mehr Kirchengut und ebenso lang nicht mehr als katholische Kirche benutzt worden.
In dieses System paßt der alte Handwerkslehrer Riotte nun überhaupt nicht mehr. Als die Schule in die Magdalenenkapelle umzieht, geht er in den Ruhestand.
Im Vorfeld der bevorstehenden Umbaumaßnahmen werden die letzten Reste der vorherigen Verwendung aus dem Gebäude entfernt. Die verbleibenden beiden Altäre werden aus der Magdalenenkapelle in die Pfarrkirche versetzt. Eine ganze Woche lang sind mehrere Bürger damit beschäftigt, die Tumba, die in der Kirchenrechnung ?das Grab des hl. Wendelin? genannt wird, von ihrem alten Platz in der Kapelle zu lösen und ebenfalls in die Pfarrkirche zu schaffen. Eine schweißtreibende Arbeit, gerade im August; deshalb wird Bier als Belohnung ausgegeben. Das bezahlt die Pfarrei, und deshalb findet es seinen Niederschlag in der Kirchenrechnung, und deshalb wissen wir den Termin der Übertragung der Tumba in die Basilika.
Julius Bettingen berichtet, daß der Auftrag für den Umbau schon am 23. August 1802 dem Meister Anton Marck aus Alsfassen für den Preis von 286 rheinischen Gulden oder 620 Franc 61 Centimes übertragen wird. Das Baumaterial muß die Stadt liefern.
Zunächst wird ein Erdgeschoß eingezogen, darüber zwei Stockwerke und ein drittes ins Dach hinein. Der Speicher bleibt noch 180 Jahre unbewohnt. Die Tür wird um eine Fensterreihe nach Osten und damit in die Mitte des Gebäudes versetzt. Das charakteristische Gesims über der Tür wird angebracht und der Dachreiter aufgesetzt. Den Umbau der vorherigen hohen Kirchenfenster durch Etagenfenster sieht man heute noch sehr gut an der unverputzten Rückseite.
Im Erdgeschoß werden zwei Wohnungen, eine für einen Lehrer, die andere für eine Lehrerin, eingerichtet.
Im dritten Stockwerk werden zwei große Schulsäle hergestellt.
Der Schulbetrieb wird rasch aufgenommen. Um 1810 ist die Schülerzahl auf 350 angewachsen, weshalb man in Alsfassen eine eigene Schule mit eigenem Lehrer einrichtet.
1817 wird das neu errichtete Rathaus (das heutige ?alte Rathaus? am Fruchtmarkt) vom Landgericht belegt, weshalb die dort befindliche St. Wendeler Oberbürgermeisterei in das jetzige Schulgebäude umziehen muß. Sie bleibt dort bis zum Sommer 1823.
Ein Stockwerk tiefer in der Schule hat sich mittlerweile auch einiges getan. Der Lehrer Bosle erliegt am 25. Juni 1817 einem Herzinfarkt. Seine Lehrerstelle wird durch den früheren Theologe Johannes Schué aus Neumagen an der Mosel besetzt. Er fängt am 1. August 1817 an.