Schriftzug

[Philipp Jakob Steininger an Mutter und Geschwister]

 

An Madame et Mad. Steininger Wohlgeboren

in St. Wendel im Fürstenthum Lichtenberg

 

Bonn am 24ten April 1821

 

Werthe Mutter und Geschwister!

    Gestern Abend kam ich glücklich hier an.

    Als ich am Samstage nach Coblenz kam, ging ich gleich zu Herrn Consistorial rath Auer, welcher mich sehr höflich empfing und sagte, er wolle sorgen, daß ich das Geld am Ostersonntage bekäme, und mir auch anbefahl, daß ich am Ende des Semesters meine Zeugnisse sogleich dem Consistorium zu Coblenz überschicken mögte, wo sie denn sorgen würden, daß ich mehr als diese 100 Thaler bekäme. Den Tag darauf ging ich wieder zu ihm, er hatte aber niemanden auf der Regierung angetroffen, sagte daher, er wolle es mir nachschicken. Ich wollte auch die Herren Lange, Milz, _ung besuchen, konnte sie aber nicht treffen.

    Studenten, welche die ganze Kost haben, wie in Trier giebt es hier keine, wohl aber solche welche in dem Hause, wo sie wohnen, auch ihr Mittagessen haben, darin nach Lust und Laune zu Morgen und zu Abend essen. So habe ich es denn auch gemacht. Ich habe mir ein Zimmer der nie-drigsten Klasse, von 4 Thaler gemiethet, bekomme in dem-selben Hause das Mittagessen, täglich zu 12 Stüber oder Sous, wo für ich Suppe, Gemüse und Rindfleisch habe, muß denn jeden Monat der Magd 20 Stüber Trinkgeld bezahlen wofür sie mir das Zimmer reinigt und Gänge thut. Zum Frühstücke und Abendessen werde ich mir Brod kaufen, und in der Obstzeit Obst essen; denn 1 Tasse Kaffee kostet 4 Stüber. Meine Wäsche und Licht muß ich mir übrigens auch stellen, dazu noch 6 Thaler für Matrikulirung und Colle-giengeld bezahlen, von welchen ich noch nicht weiß, was sie kosten. –

    Uebrigens lebe ich auf diese Art so wohlfeil, als man nur hier leben kann, denn man hat mir immer 6 bis 10 Thaler für ein Zimmer, und 20 bis 40 Stüber für ein Mittagessen gefordert; und mein Zimmer ist blos deswegen so wohlfeil, weil es nach hinten geht, gar keine Aussicht hat, und ganz an das ausserste Ecke am Rheine, eine starke Viertelstunde von dem Universitätsgebäude liegt. Nach Poppelsdorf zu gehen, war gar nicht rathsam, denn es sind wenige Zimmer da zu vermiethen, und diese wenigen sind wegen der angenehmen Lage des Dörfchens ebenso theuer als in Bonn; theils auch deswegen, weil dies der gebräuchlichste Spaziergang ist, und daher diejenigen, welche dort wohnen, am meisten besucht und gestört werden.

    Was nun das Studentenleben hier angeht, so scheint es mir ziemlich ordentlich zu seyn; denn es herrscht nicht der tolle Studentengeist wie an Parade Universitäten. Jn ihren Trachten sind sie im Ganzen nicht so üppig, obwohl man einige findet, die es ins Lächerliche treiben; im Schwelgen sind sie auch ziemlich enthaltsam und Biergelage wie in Heidelberg, giebt es keine, man hat wohl Commercen, trinkt dabei aber Wein und kann es mithin nicht so lange toll treiben; und gegen Fremde sind sie sehr freundlich, und nur selten hört man im Spasse von etwas Uebermüthigen die Neckereien mit Fuchs &. Wenn ich das Geld bekomme, werde ich mich immatrikuliren lassen, und dann erfahren, welche Collegien ich höre und was sie kosten.

    Uebrigens bin ich dies halbe Jahr gut auszukommen.

    Heute wollte ich nach Cölln, will die Reise aber des Gel-des wegen bis später aufschieben. Den Brief dahin von Frau Tosetti werde ich besorgen; den an Madame Langer in Bonn habe ich abgegeben. Die alte ist todt, Sohn und Tochter sind beide verheiratet, und in ziemlich guten Umständen. Jm neuen Keller traf ich heute H. München, und ich werde morgen mit ihm nach Aarweiler gehen. Leben Sie übrigens recht gesund und wohl, und schreiben Sie mir bald wie es hinsichtlich des Nicola aussieht; und empfangen Sie herzliche Grüße, Sie alle und Richard, Tosetti’s, Gerhard, Massing, Schue & von ihrem ergebensten    P.J. Steininger

    Ich bin noch gar nicht eingerichtet, sonst würde ich Ihnen ordentlicher geschrieben haben. Dem Johann und H. Castello werde ich nächstens hinsichtlich des Studirens schreiben; an welchen letztern ich denn auch meinen höflichen Gruß bitte, und Sie ermahne, doch sehr für die weiße, rothe und blaue hepatica nobilis und die Hyazinthen zu sorgen.

Meine Adresse:

Herrn studiosus Steininger,

in der Josephstraße No 766 in Bonn.

 

 

[Mutter und Schwester an Johann Steininger]

 

Sr. Wohlgeboren Herrn Herrn Johann Steininger

Professor in Trier

 

St. Wendel 5ter Hornung 1822

Lieber Bruder!

    Vor drey Wochen haben wir schon dem Nicolas seyn koffer durch Cettos fuhr an Herrn Ewerling geschickt daß er es möchte nach Bonn besorgen, seydem haben wir aber noch nichts davon gehört und wissen nicht ob er es besor-gen will oder ob er es besorgt hat; dieß wäre das beßte, der Nicola schrieb uns wenn wir das Coffer nach Trier schickten möchten wir dir schreiben daß es doch gut fort besorgt würde. wir wollen dich aber nicht bemühen damit, und glaubten H Ewerling würde uns den gefallen thun und es besorgen. Willst du also die güte haben und in Ewerling fragen lasen ob es besorgt ist, oder aber noch da ist? und dann möchte es doch bald besorgen, es ist unser klein köferchen mit seynen nöthigsten Kleidern und Büchern ohne die er nichts machen kann.

    Jn der Hoffnung daß du dich noch wohl befindest

    deine getreue M. und L. Steininger

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Bonn am 22ten December 1823.

Lieber Bruder!

    Ich höre dieses Semester viele Collegien, Differential-rechnung, analytische Geometrie, Trigonometrie, die Bü-cher des Apollonius von Perga, die Emeriden von Aeschylus, Plautus, das Philolog Seminar und Geschichte des Mittel-alters. Obgleich mir diese alleine schon genug zu arbeiten gäben, so habe ich durch die Vorbereitungen zu dem bevor-stehenden Examen doch noch weit mehr zu thun. Also fleißig muß ich sein, und bin es auch.

    In Betreff des Stipendiums wandte ich mich nach Coblenz. Das Consistorium antwortete jedoch, seiner Seits ginge es nicht mehr an, einen Antrag für mich zu thun, indem das Ministerium ihm ausdrücklich geschrieben, ich bekäme es zum letztenmale. Ich wollte mich deßhalb direct nach Berlin wenden; aber Dietterweg versicherte mich, das Gesuch würde wieder hier an Refues geschickt und ich sollte mich daher lieger an Refues selbst wenden. Das that ich auch. Er meinte, da so viele in dem Neuzellen-Fond participirten, so würde es meistens nicht lange gegeben; das Jnnere des Fonds, der Geldmangel hatte es wahr-scheinlich nöthig gemacht, daß man es mir abgesagt hätte; er wolle aber sich für mich verwenden, jedoch für den Er-folg könne er nicht stehen. Ich bezog mich in dem Gesuch auf die Zeugnisse, die über die Prüfungen von vorigen Semester ausgestellt wurden, und welche, wie mich der Decan versicherte, für mich günstig ausfielen. Dazu fügte ich noch die Zeugnisse von den Collegien dieses Semesters, welche ebenfalls sehr günstig sind.

    Was die Stelle zu Essen betrifft, so ist sie mir noch immer vorbehalten; inzwischen ist es doch so ganz sicher nicht damit, denn Consistorial-Rath Grassow aus Cölln war nemlich hier. Er sprach davon, sie rechneten nur auf mich, und sie hätten mir ja auch Hoffnung darauf gemacht. Allein in Wesel sei einer als Mathematiker provisorisch angestellt gewesen unter der Bedingung, innerhalb eines Jahres sein Examen zu machen; dieser habe sich aber darauf gleich geheirathet und erklärt, er werde sich dem Examen nicht unterwerfen. Jahres darauf sei er wirklich abgesetzt wor-den, weil er das Examen nicht gemacht. Dieser Mensch, nun brodlos, habe beim Ministerium angehalten, er wolle sein Examen machen, und sie sollten ihn wieder anstellen. Das Ministerium weiß nun nicht davon, daß ich nach Essen bestimmt sei, verspricht ihm diese Stelle, wieder unter der Bedingung wenn er sein Examen gemacht habe. Aber nun geht dieser Mensch wieder hin, schreibt Grassow, er möge authorisch dem Consistorium erklären, daß er das Examen nicht mache. So wissen also die Cöllner nicht, wie sie mit diesem Menschen halten und rechnen noch immer auf mich; und im Falle, daß dieser Ostern seine Prüfung noch nicht bestanden hat, soll ich wirklich nach Essen. In jedem Falle aber, sagt Grassow, müßten sie Ostern für mich sorgen, da sie mich so lange in Hoffnung gehalten. - Wie es also mit diesem Stipendium und ferner mit der Anstellung geht, muß noch dahin gestellt bleiben. Auf jeden Fall aber hoffe ich nächstes Jahr in eine angenehmere und bessere Lage versetzt zu sein; selbst wenn ich die Hilfslehrerstelle am hiesigen Gymnasium, die ich nächsten Herbst bekom-men kann, als Mathematiker annehmen wollte und könnte, in dem da noch der Sommer im Wege steht, so würde ich nicht schlecht daran sein. Ich will also getrost in das neue Jahr schreiten, das für mich aber so angenehm wie unan-genehm, aber in jedem Sinne recht wichtig ist.

    Den Nicola sehen wir auch seinem Ziel um so näher ge-rückt; und das Maria wird hoffentlich wieder gesund sein, oder es doch werden. Und wir könnten dann ziemlich bald eine freiere, glücklichere Aussicht gewinnen und mit Recht könnte ich dann auch beiden zum Neujahr gratuliren, da ich somit thue.

    Auch bitt ich meine Gratulation bei Herrn Castello nicht zu vergessen.

Also auf eine fröhliche Zukunft

    Euer ergebener Bruder

    P.J. Steininger

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Bonn am 23ten Febr. 24.

Lieber Bruder!

    Ich bin sehr mißmuthig. Da bekomme ich gestern deine 2 Abhandlungen, die ich Schue geliehen hatte, und zahle an Porto, weil Sauer auf der Addresse nicht angemerkt hatte was darinnen sei, - 3 Thlr! Ich brauche sie, um dem Grassow dadurch zu zeigen daß ich griechisch verstünde; eine theure Recommendation! -

    Meinen grünen Rock will ich mir in einen Frack umändern lassen, und man forderte mir dafür 7 Rthlr! Weil man die Weste nun so trägt, daß man durchaus ordentliche Hemden haben muß, so muß ich mir ½ Duzend machen lassen; Von meinen und denen des Nicola könnte ich freilich noch so viele herausbringen, daß ich mich auf ein halb Jahr behelfen könnte; jedoch sie sind alle von solcher Leinwand und so gemacht, daß ich zu neuen gezwungen bin. Man fordert mir für ½ Duzend Morseleinen (?) 12 Thaler und für tuchene 15! - Zu Anfang des Semesters habe ich bei Heinrich ein Colleg „Cicero de re publica“ belegt. Heinrich fängt aber erst an zu lesen - 3 Wochen nach Neujahr! Ich war einige-mal darin, kann aber wegen des Examens jetzt nicht mehr, und muß - 1 Friedrichs d’or bezahlen! Bei Naeke meinem Examinator hörte ich die Eumeniden; weil man wenig bei ihm lernt, gehe ich nicht mehr hin; ich hörte noch nichts bei ihm, war also jetzt zu einem Colleg gezwungen und muß meinen Thaler geben! So trage ich morgen einige 30 Thaler Collegiengelder weg! Ich habe 89 Thaler erhalten, eine schöne Summe, und weiß nicht was ich dafür habe. Wenn ich so glücklich bin die 100 Thaler zu bekommen habe ich doch noch eine Masse Schulden! Ich werde in den ersten Jahren meiner Bestallung zu sorgen haben, daß ich ins Reine komme; und wie glücklich werde ich mich schätzen, dann sagen zu können! daß nichts verschwendet wurde, wird wohl einleuchten, wenn man an’s Examen denkt.

    Grassow schrieb an Diesterweg, der Mensch von dem ich dir einmal gesprochen, sei vom Consistorium der Stelle unwürdig erklärt worden, fordert deshalb eine Erklärung von mir:

1) ob ich Ostern mit meinem Triennium [= 3 Jahre] auch meine akademische Laufbahn beschließen, und Ostern meine Examen gemacht haben wolle; 2) ob ich in einer Verbindung gewesen; 3) ob ich griechisch verstehe und den ersten Unterricht darin übernehmen könne. Die erste Frage konnte ich mit Ja, die zweite mit Nein beantworten und in Bezug auf die 3te wollte ich ihn durch meine 2 Arbeiten selbst urtheilen lassen. Ich meldete mich schriftlich zum Examen, und reichte mein curriculum vitae in lateinischer Sprache ein; die schriftlichen Aufgaben werde ich bald bekommen, und die mündliche Prüfung so wie meine Probelectionen werde ich 8 Tage vor Ostern bestehen. Morgen will ich Grassow darüber schreiben. Und wenn ich dann nicht durchfalle, so wird meinem Berufe nach Essen nichts im Weg stehn.

    Ein gelindes Examen habe ich nicht zu erwarten, denn bei Windischmann und Dellbrück habe ich noch kein einziges Colleg gehört, habe also dadurch meine Meinung von ihnen genug an Tag gelegt; freilich unbesonnen genug. Naeke ist tolerant; jedoch habe ich seit 1 Jahr die Philologie und besonders das Griech. durchaus vernachlässigt und vernachlässigen müssen. Jn der Mathematik habe ich den Winter so gesorgt, daß ich da ein Durchfallen nicht zu befürchten brauche. Diesterweg den ich durch Fragen und Einwendungen und Aufdecken von offenbaren Fehlern diesen Winter oft in nicht wenige Verlegenheit setzte, scheint sich vor mir zu fürchten, und mahnt mich nur recht eifrig alle Mathematik auf die Seite zu setzen, und für den Pedanten Dellbrück zu studiren, auf welche Weise man dem Kinde eine Ohrfeige giebt. Ich bin gezwungen zu folgen (…)

[Leider fehlt das letzte Blatt.]

 

[Mutter und Schwester an Johann Steininger]

 

Ihre Wohlgeboren Herrn Herrn Gebruder Steininger

Professor zu Trier

 

St. Wendel den 14ten December 1826

Liebe Brüder!

    Wir danken sehr für das Gedenken unserer Namenstäge. Sie glaubten gewiß wir wären Ihrer ganz vergeßen weil wir noch nicht geschrieben haben aber nein, wir dachten so viel öfter an Sie, wir hätten gerne geschrieben wußten aber nicht was wir schreiben sollten, weil wir bis hiehin immer auf die Entscheidung des Ministeriums warteten ob der Nicola hir Praktitiren könne oder nicht. Dieses wurde Ihm an verflossenen Samstag zugeschickt daß er ungehindert darf, welches auch im nächsten Amtsblatt bekannt gemacht wird. Er hat sehr viel Arbeit und haben auch bey allen durch diese die er noch bis jetzt in der Kuhr halte. Es sagte mir ein Mann von Wirschweiler seine Frau wäre über ein Jahr krank läge den ganzen Herbst sehr schlecht im Bett, und alle Aerzte hätten ihr verlohren gegeben, und jetzt hätte mein Bruder sie 14 Tage in der Kuhr jetzt seye sie ganz hergestellt, sie spinne schon wie dannen. Vetter sagt einer von Baltersweiler seine Frau wäre schon drey jahr krank und sehr schlecht, deme Nicola hat ohne den Leuten Ihr Wißen Herren Kaplan order geben sie zu versehen. Sie wird jetzt, seid Sie arznei nimt von Tag zu Tag beßer, und so hört man Ihn überall loben, und sonst hält er sich ganz stille- am Sontag hat er dem Jacob geschrieben, und Ihm seine Disertation geschickt. Wir haben Ihm auch noch nicht geschrieben.

    Weil wir nichts bestimmtes wüßten und Nicolas sagte uns nicht bis das Päckchen zu war wenn Sie schon schreiben solten so bitte ich mir es zu melden so schicke ich ein Briefchen für ein zu legen es ist nicht der Mühe Werth daß es es auf die Post gebe es kostet gleich zu viel ich hätte jetzt ein Briefchen mitgeschickt aber das Mädchen geht jetzt eben fort welches wir vorherin nicht wußten. Wir schicken hir ein Paar schwarze Strümpfe und verlange zu erfahren wie es jetzt mit beyderseidiger Gesundheit steht. Bey uns ist alles in allem im Alten.

    Wir grüßen Sie vielmal und bitten unser Compliment und danck an Herrn Kastello und wo es sonst nöthig ist zu entrichten. Wir verbleiben wie allezeit.

    Ihre getreue Mutter und Schwester

    C. und L. Steininger

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Herrn Steininger

Wohlgeboren, Oberlehrer am Gymnasium

 

Essen am 4. Juni 1827.

 

Lieber Bruder!

    Daß Nikola und Lehnchen hier gewesen sind, wirst du wahrscheinlich aus ihrem eigenen Munde erfahren haben. Sie haben es übel getroffen, denn es war beständig un-freundlich Wetter, und auch auf der Hieher-Reise scheint Lehnchen nicht viel Genuß gehabt zu haben. Freilich hat Nikola zu viele Eigenheiten und schließt sich an Frauen viel zu wenig an, als daß diese ihm allein überlassen, auf einer Reise Vergnügen finden könnten. Um so mehr mußte ich es bedauern, daß auch ich so wenig beitragen konnte ihr hier einige, angenehme Tage zu verschaffen; denn des bestän-digen Regens wegen konnte man beinahe nicht die Stube verlassen, und in den Gesellschaften, worin ich sie des Abends führte, konnte sich Lehnchen allerdings auch nicht gefallen. Möge die Rückreise einigen Ersatz gewährt haben für die vielen Unkosten, mit denen eine solche Reise ver-knüpft ist.

    Vor Ostern war Konsistorialrath Kortüm von Düsseldorf zum Abiturienten-Examen wieder hier. Ich hatte gehofft, mit ihm über Versetzung sprechen zu können, traf ihn in dessen nie allein und es ward nicht draus. Schreiben mag ich nicht, um so mehr da sie einen genau kennen und da in ihrer Provinz keine Stellen fällig sind; man müßte sich also ans Ministerium wenden und es nur dem Zufall überlassen, wohin dieses einen schickte. Mit dem Mathematiker geht es nicht wie mit einem Philologen, dem sich alle Augenblicke eine Anschrift eröffnet. Ich werde demnach noch einige Zeit hin zubringen können, und bin auch auf einige Jahre gefaßt, auf etwa 3-4, so lange nämlich bis ich hier alles Vorkom-mende durchgenommen; dann mache ich eine Bahn.

    Ich habe in den Osterferien eine interessante Bekannt-schaft gemacht mit einem guten Mathematiker und über-haupt recht tüchtigen Manne, mit dem Bruder des Prof. Diesterweg. Er ist, nachdem er als Mathematiker in Worms, dann in Frankfurt und Elberfeld gestanden, endlich als Direktor des Schullehrer-Seminars in Mörs angestellt wor-den, wo er nun ganz dem Volksschulwesen sich widmete. Wahrscheinlich am Ende seiner Carriere, muß er seinen Bruder in Bonn sehen, diesen seinen Bruder, der sich an Kopf und Kenntnissen bei weiter nicht mit ihm vergleichen läße. So geht es in der Welt. Er machte mich aufmerksam auf die Unversität Berlin, auf Grüson und alle wie sie dort heißen, daß sie nichts leisten, wie bekannt; daß Lehmus gar nicht einmal sich anstellen lassen wolle, und sich privatim etwa sein 12000 Thr verdiene, wie ebenfalls bekannt; daß es einen jungen Mann, der anfängt und ausdauert, besonders Rücksicht genommen auf die vielen Königl. Institute, nicht fehlen könne etc etc. Auch Konsistorial-Rath Kortüm gab mir, unaufgefordert und aus eigenem Antriebe, Winke, die Universität betreffen: - Wenn ich jetzt schon 4 meiner Universitätsgenossen als Personen auf Universitäten erblicke, keineswegs lauter ___ lumina; und dann die Ueberzeugung habe, daß der Gymnasiallehrer nur unter den glücklichsten Conjuncturen und durch Zufall gewisser-massen erst ziemlich spät zu diesem Posten gelange; und wenn ich dann das Leben des Gymnasial-Lehrer betrachte: - ich fühle mich dann wenigstens bewogen, dergleichen Werte zu beachten. Ich überlasse übrigens nach 3-4 Jahren mich ganz dem Zufalle, so lange nämlich ich noch etwas lernen kann.

    Ich habe so lange geschwiegen, nicht weil ich nicht an’s Schreiben gedacht, sondern - wie es denn so immer geht, man weiß nichts was euch interessieren könnte. Haltet euch in dessen überzeugt, daß mich die Meinigen nicht ver___ daß es mein innigster Wunsch ist, die Termine ___ Wandtet möchten sich recht zusammen fasse und daß ich glücklich bin, sie froh und glücklich zu wissen. Meiner Schwägerin sage meinen besten Dank für die Zeilen, womit sie mich in deinem letzten Briefe erfreut hat. Ich habe Antheil genom-men an den traurigen Ereignissen, die ihre Familie betrübt haben, und wünsche, der Sommer möge recht angenehm für sie werden und sie diese Vorfälle verschmerzen lassen. Grüße sie freundlichst. Auch Herrn Castello empfehle mich gelegentlich. So schließe ich denn wieder, und mit der Versicherung, daß ich Briefen von dir jederzeit sehnlichst entgegensehe, wenn gleich so nachlässige im Schreiben.

    Dein dir ergebenster Bruder

    P.J.

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen am 15. April 1829.

 

Lieber Bruder!

    Beikommend erhälst du einige Programme von vorigen Jahre. du wolltest es nicht als ein Vergessen, oder als eine gewisse Nachläßigkeit von meiner Seite ansehen, daß ich sie dir erst jetzt schicke. Das Programm-Schreiben ist für uns eine wahre Last. Müde von Präparation und Korrektur sehnen wir uns am Ende noch gezwungen zu dergleichen Arbeiten die Feder zu ergreifen. Wir sind daher zufrieden, wenn sie ganz unbeachtet gelassen, oder wenigstens nur als das angesehen werden, was sie sind, als Produkte des Zwangs. Inzwischen scheint es nicht allenthalten so zu sein. Ist es doch Mode geworden, Programme zu repertiren. Die Furcht, ein gleiches Schicksal möchte das unserige treffen, veranlaßt mich darum noch nachträglich zu thun, was ich sonst zu thun mich so halb und halb würde geschämt haben. Wenn H. Castello und H. Hein vielleicht Interesse daran finden sollten, es einmal zu lesen, so bitte ich dich, nebst meinem ergebensten Gruße jedem eines übermachen zu wollen.

    Der vergangene Winter war für unser Gymnasium ziem-lich merkwürdig. Ich weiß nicht, ob du dich noch eines gewissen Guillaume erinnerst, der an die Stelle des früher hier gewesenen Kapuziners gekommen ist. Nicht ohne Anlagen aber ohne alle geistige Ausbildung, von glattem geschmeidigen äusserem Benehmen, aber ohne allen Cha-rakter und alle Mannhaftigkeit, in gleichem Grade bigott, scheinheilig, und lüderlich und gemein konnte er als der Repräsentant aller Münsterländer gelten. Pflichtvergessen wie nur einer sein konnte, leistete er nichts und verdarb uns alle unteren Klassen. Selbst betrunken wurde er oft in den Stunden gesehen. Dieser Mensch, nachdem das Maas seiner Sünden voll war, nachdem er Schandthaten und Gemeinheiten aller Art begangen, machte sich mit nicht weniger als 1500 Thlr Schulden - bei Nacht und Nebel davon. Er soll nun in London sein. Wenn du die Direktion unseres Gymnasiums aus meinen hin und wieder gemach-ten Aeußerungen noch nicht känntest, so würdest du in diesen Streichen wenigstens zum Theil einen Maasstab für deren Beurtheilung haben. In dessen unser Direktor sollte noch das Gegenstück zu dem Auftritte von Guilleaume liefern. Ich habe dir wohl mitunter geschrieben, wie er uns durch sein Herumlaufen in den Klassen und in den Gängen vor Anfang der Stunden, und durch seine Jnkonsequenz im Handeln und überhaupt durch sein wenig Gescheit oft an-stößig und beleidigend gewesen ist; wie er bald den Prote-stanten, bald den Katholiken oder den Juden vor- und zurückgesetzt hielt und uns dadurch unsäglichen Verdruß verursachte; wie er namentlich mich öfter mit der Bibel oder mit den Stunden der Andacht besuchte, und mich küßte und drückte, und mir vorschwatzte, und ich denn Stunden lang zugehört, ohne zu wissen, ob er mich zum Freunde oder zum Christen in seinem Sinne hatte machen wollen. Hatte er schon in den ersten Jahren durch dergleichen sich so gezeigt, daß man nicht wußte was von ihm halte, so nahm dieses in der letzten Zeit noch immer zu. Ich fing an, ihm überall aus dem Wege zu gehen; aber in eben dem Grade, als ich ihn meide, verfolgt er mich mit seinem Groll wie mit seiner Liebe. Um alle Berührungs-punkte mit ihm abzuschneiden, bitte ich ihn mir nichts als Mathematik und Physik durch das ganze Gymnasium zu las-sen, mir selbst das Ordinarium abzunehmen; es geschieht, aber er verfolgt mich immer mehr mit Unannehmlichkeiten und mit Liebkosungen. Wie ich denn endlich sehe daß gar kein Auskommen mit ihm, sage ich ihm in der Konferenz von Kopf bis Fuß die Wahrheit, zähle ihm alle dummen Streiche auf, die er gemacht, halte ihm seine Jnsagungen vor und erkläre ihm daß ich nicht mehr so leben wolle wofern er nicht schriftlich mir meine Verhaltungsregeln angäbe daß ich mir dieselben sonst von der Behörde erbitten müßte. Er bat um Verzeihung und ersuchte mich, die Verhältnisse zwischen Direktor und Lehrern schriftlich zu entwerfen und sie der Konferenz zur Bestätigung vorzu-legen. Von Tag zu Tag war er wieder anders; er bittet wie-der um Verzeihung, und verspricht mir Besserung wenn ich ihn lieben wollen wolle; ich zweifle nicht mehr an seinem wahren Zustande, habe Mittleid mit ihm und kaufe mir zu seiner Beruhigung Luthers Bibel und er - entweicht in aller Frühe im Schlafrock und in Pantoffeln nach dem 4 Stunden entlegenen Duisburg und predigt auf den Gasse von dem tausendjährigen Reiche.

    Der eine also entläuft aus Lüderlichkeit, der andere wird ein Narr und läuft davon. Das ist der Zustand unseres Gym-nasiums! Welchen Eindruck dies alles gemacht, und von welchen Folgen es für unser Gymnasium gewesen ist und noch ist, läßt sich leicht deuten. Der Direktor wurde einge-fangen, seine Narrheit nahm immer zu, artete zuweilen in Raserei aus, und er sitzt nun - im Siegburg. Die Behörde hat ein Jahr Frist festgesetzt, während welcher sie seine Wiederherstellung abwarten und hier alles in status quo lassen will; aber es dürfte sich doch fragen, ob er auch nach gänzlicher Wiederherstellung nochmals herkommen könnte, und höchst wahrscheinlich würden wir übers Jahre einen anderen Direktor erhalten. Dieser Veränderung sehe ich nicht ungerne entgegen, und ich wünschte sehr einen Bekannten vom Rhein hier zum Vorgesetzten zu bekom-men. Sollte nicht H. Schwendler darauf respiriren wollen? Mir däucht, es dürfte gelingen, da der neue Direktor katho-lisch sein muß, und da man sehr gerne einen Geistlichen sehen würde. Ueberdies ist in den Rheinlanden Mangel an künftigen Subjekten, und an ganz junge wird eine solche Stelle nicht vergeben. Vorläufig führt hier die Geschäfte der älteste Lehrer, Hr. Wilberg. Daß wir durch diese Verän-derung nur an Arbeit gewonnen haben, folgt von selbst; wir schlagen uns mit einigen Kandidaten herum und jeder der Lehrer hat noch Stunden zubekommen. Jndessen bin ich doch sehr vergnügt, da aller bisherige Verdruß verschwun-den ist und da ich keinen Korrektor mehr habe. Ich lebe und webe jetzt nur in Mathematik und Physik.

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen am 10. Juni 1830.

Lieber Bruder!

    Dein Brief hat mir viele Freude gemacht. Es hat mich und endlich gefreut zu sehen dass du dich wieder erholst und wieder anfängst neue Kraft zu bekommen. Das Bertricher-Bad wird gewiss nur sehr vortheilhaft auf dich wirken, und viel dazu beitragen deine Gesundheit zu befestigen. Die Mittel zu deiner früheren Beschäftigung waren sehr gut gewählt. Das Lesen von Reisebeschreibungen Ist nicht allein recht angenehm und anziehend, sondern auch für den Lehrer der Physik und Naturgeschichte sozusagen unent-behrlich; und die Anlage einer Sammlung von Versteine-rungen ist eine recht hübsche Ausbeute für die Urgeschichte unsrer Gegenden. Die Reise in das Bertricher-Bad dürfte dir, außer ihrem Hauptzwecke, auch noch zur Erweiterung dieser Sammlung förderlich sein, in dem sie zu mehrerlei kleinen Exkursionen Gelegenheit giebt und zum Suchen veranlaßt. Gern biete ich dir hierbei die Hand, und werde auch in diesen Gegenden aufsuchen und aufsuchen lassen so viel ich kann, um es dir zur gehörigen Zeit zuzu-schicken. Ich beschäftige mich schon beinahe zwei Jahre ausschließlich mit Mathematik und Physik, dass ich am Gymnasium noch die zwei obersten Klassen in Französisch habe, hat in der Krankheit unseres Direktors und in dem Entweichen Guilleaume's seinen Grund, und wird wahr-scheinlich auch nur mehr bis Herbst dauern; es nimmt mir übrigens zu Hause keine Zeit weg und ist nicht in Anschlag zu bringen. Ebenso daß ich in den Herbstferien etwas Latein las und Englisch trieb, waren nur eine Erho-lung für mich und mußte auch mit den Ferien wieder aufhören. Es wäre ein angenehmer Wunsch für mich, hin und wieder in den Ferien die alten und neuen Sprachen zu pflegen; es wird aber wahrscheinlich nur ein Wunsch bleiben, in dem die einzelnen Disziplinen der Naturgeschichte in deren Stelle scheinen treten zu sollen. Aus eigener Erfahrung ansehend, wie sehr diese in einem gewissen Grade dem Physikus nothwendig sind, habe ich schon seit zwei Jahren angefangen mich in den Zwischenstunden damit zu beschäftigen, und habe ich zu diesem Zwecke auch den Unterricht darin am Gymnasium übernommen.

    Ich fange so nach und nach an einen Blick hinein zu thun, und ich habe diesem Gegenstande diejenigen Stun-den bestimmt in denen ich zum kräftigen Arbeiten nicht fähig bin; die guten Stunden des Tages sind alle der eigent-lichen Physik gewidmet. Darin habe ich schon viel gethan; aber es ist mir noch ungeheuer viel zu thun übrig. - So wie sich die naturgeschichtlichen Zweige als Nebenstudien an die Physik anlehnen, so schließen sich an die Mathematik, in der ich so weit sie auf dem Gymnasium vorkommt einen ziemlich festen Fuß gefaßt habe, die praktischen Messungen an. Ich gehe im Sommer jede Woche wenigstens einen Nachmittag heraus. Mich verfolgt hierbei beinahe in allen Arbeiten als Gymnasiallehrer das eigene Geschick, durch Lehren erst lernen zu müssen, indem fast alles was ich auf dem Gymnasium oder auf der Universität gelernt habe mir zur Anwendung nicht vorgekommen ist, ich hingegen fast allein in dem zu unterrichten, wovon ich gar nichts wusste daher zum Teil in den ersten Jahren mein schwieriger Standpunkt; es wird noch einige Jahre zu gehen, bis ich als Gymnasiallehrer mich leicht fühle.

    Die Nachrichten von Trier waren mir sehr interessant; ich hatte lange nichts mehr von dem Leben am Gymnasium gehört. Der Tod des Herrn Castello war für mich zwar nicht überraschend, thut mir in dessen doch leid; man war von je her gewohnt sich ihn als eine Art von Familienvater zu denken, dessen man sich immer erinnerte so oft man der Jahre seiner frühen Jugend gedachte. Daß Chr. Stein nicht wirklicher Direktor der neuen Bürgerschule in Trier ist, war für mich befremdend; noch vor kurzem hörte ich aus dem Munde des Hr. v. Münchow, der mich auf einer Durchreise besuchte, daß er es sei und sich besser stehe als wäre er nach Cöln gekommen. Sonderbarer Weise bin ich in die Angelegenheiten von Cöln auch mit verwickelt worden.

    Gegen Mitte des vorigen Sommers nämlich war Hr. Professor Grastopf des Morgens einmal plötzlich ganz unerwartet im Gymnasial=Gebäude. Er wandte sich ganz freundlich zu mir; und bat mich meine Stunde besuchen zu dürfen. Er begleitete mich von Klasse zu Klasse, und veranlaßte mich noch eine außergewöhnliche Stunde in der Physik auf Prima + Secunda zu geben. Er forschte Nicht nach der sie ihr angelegentlich aus, inwiefern ich Neigung zur praktischen Mathematik und Physik etc. habe, und was ich schon in diesen Fächern gethan. Bis mittags wurde ich in dem Hause in welchem er speiste zu Tische gebeten, des Abends in einem anderen Hause ebenfalls. Er nahm von mir Abschied, mit dem Bemerken daß er hoffe, mit mir in genauere Verbindung zu treten. Tags darauf war die ganze Stadt voll, ich käme als erster Oberlehrer an die höhere Bürgerschule nach Cöln, mit einem Gehalt von 800-900 Thlr., Habe vorläufig unter Graskopfs Leitung das Direk-torium wahrzunehmen, werde alsdann selbst Direktor et cetera. Daß Gr. In Auftrag der Regierung und meinetwegen hergekommen war, war zu offenbar; allein gegen mich hat er sich weiter nicht geäußert und nur zu anderen bestimm-ter gesprochen. Einige Tage später schrieb er indessen an einem Curator das Obige, mit dem Zusätze sie hätten noch vorher den provisorischen Mathematiker an der Bürger-schule wegzuschaffen und würden jetzt der Nacht die Maas-regeln ergriffen. Im Herbste erschien hier dieser Mathe-matiker; er sagte die Regierung habe ihm schriftlich meine Stelle versprochen. und zwischen uns beiden sollte ein Austausch geschehen, es hänge nur mehr an der Oberbehörde. Gegen Neujahr kam hier von Koblenz die Nachricht, daß die Provinzialbehörde gegen diese Ver-tauschung nichts einzuwenden habe; als einige Wochen später wieder die entgegengesetzte Nachricht von dorther einlief, der Tausch sei wieder aufgegeben und Eschweiler sei das Direktorium angetragen. Als Ursache gab man die Verwendung einer antiken Hof’schen Partei beim Ministe-rium an, an deren Spitze der Erzbischoff und Lange stehen. Man soll Seitens der andern Partei Herrn Gr. Privat-Ab-sichten und namentlich Geldspekulation vorgeworfen ha-ben. Wie dem auch immer sei, H. Eschweiler scheint die Stelle nun zu bekommen und es scheint sich immer mehr um sein Examen zu handeln. Meinerseits leugne ich gar nicht, daß es mich sehr befremdet hat, Herrn Eschweiler am Anfang bei der Wahl übergangen und dieselbe auch mich geleitet zu sehen, da derselbe ein weit älterer Lehrer als ich, in Cöln gekannt, und besonders bei Herrn von Münchow sehr froh geschätzt ist. Ich habe mich übrigens um die ganze Sache nicht bekümmert, so wie mir nie in den Sinn gekommen wär nach dieser so wichtigen Stelle zu spüren. Gegen Fastnacht, wie ich glaubte, daß sie schon bestimmt an Herrn E. vergeben sei, meldete ich mich in Privat-Schrei-ben bei Herrn Lange und Gr. zur Stelle von Herrn Esch-weiler; erhielt aber im sehr verbindlichen Briefe die Ant-wort, daß sie wahrscheinlich eingehen und der Unterricht an die übrigen Lehrer vertheilt werden soll. Somit ist also dieser freundliche Stern, der mir ein halb Jahr geleuchtet hat, wieder gänzlich verschwunden. Ich bin indessen doch zufrieden, obgleich ich hier nimmer in die 30 Stunden zu geben, wegen Mangel an Fonds eine Aussicht auf eine Gehaltserhöhung oder auf Remuneration, und wegen der geringen Anzahl katholischer Gymnasien auch wenig Aus-sicht auf Versetzung habe. Im Herbste werden wir wohl einen neuen Direktor bekommen, da der unserige in Sieg-burg für incurable [= unheilbar] erklärt worden. Es heißt, daß Ruckstuhl[i] aus Koblenz dazu ernannt werde.

    Obgleich man sich zum Dirigiren eines Gymnasiums wohl fähig halten könnte, so dürfte ich doch an die hiesige Stelle nicht denken, theils weil ich noch Herrn Wilberg vor mir habe, theils auch weil ein Mathematiker noch schwerlich so leicht in solcher Eigenschaft angestellt werden möchte. Da-rum muß man es nur gehen lassen wie es geht, und muß sich in der Stille für künftig mögliche Fälle zu befähigen suchen. Ich werde mich übrigens immer zufrieden und glücklicher fühlen, so wie ich die Meinigen immer zufrie-denener und wohl weiß, und in dieser Gesinnung wünsche ich denn und hoffe ich, daß die Reise in’s Bad zur Befestigung deiner Gesundheit viel beitrage. Sehr verlange ich, daß wir uns einmal wieder sehen und sprechen, und ich hoffe auch daß wir uns gesund sehen.

    Grüße mir freundlich Mdme Klauck und behalte sie lieb

 Dein getreuer Bruder

 P.J. Steininger

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen 26. Nov. 1830

 

Lieber Bruder!

    Hiermit erhälst du dann die Versteinerungen die ich ver-gangenen Sommer gesammelt habe. Ich habe sie vor den Ferien nicht schicken wollen, weil ich hoffte, sie während derselben noch zu vermehren, nach den Ferien bin ich noch nicht früher dazu gekommen, die beßten Exemplare aus dem großen Wuste, den ich hatte zusammenschleppen las-sen herauszusondern, sie einigermassen zu ordnen, und den Brief zu schreiben der sie begleiten sollte. Es sind im Ganzen 55 Nummern, wovon beiliegend das Verzeichnis – weniger, als man bei dem großen Kasten erwarten dürfte; aber er war einmal fertig, die Versteinerungen waren gepackt, und so ließ ich ihn wie er war. Die Versteinerungen wurden beinahe alle in einer einzigen Wurzelgaube gefun-den. Ich habe an mehreren Orten nach suchen lassen, aber nirgends im Vergleich zu diesen ersten viel gefunden. Dieser ist dagegen so reich, daß man in einem halben Tage einen ganzen Korb bekommen kann. Schon seit 12 Jahren wird von einzelnen da gesucht, vergangenen Sommer hat das Bergamt mehrere Körbe voll nach Berlin geschickt, immer wird gleich viel gefunden. Schade, daß nun die Nachgrabungen wahrscheinlich ein Ende nehmen; denn auf der einen Seite stehen Häuser, und auf der anderen ein Weg, unter dem man nicht weggraben kann; und wollte man diese Hindernisse überspringen und dahinter fortfah-ren, so wäre man gezwungen, 8-10 Fuß Lehm auszuwerfen, was neben den Entschädigungskosten der Landeigenthümer zu theuer werden würde. Du erhälst so ziemlich alle Arten, welche hier vorkommen. Austern und Korallen giebt es unsägliche; Ammoniten, Turbiniten, und Turriliten wenige; Nautiliten sehr wenige. Ich habe mit Hilfe der Petrefacten-Abbildungen von Goldfush und nach der Angabe des Mine-ralogen Herrn Sack von Bonn, der mehrere Tage hier war und vielleicht der tüchtigste Kenner der hiesigen Petre-facten ist, geordnet, und sie werden dahier ziemlich richtig benannt sein. Nur die Austern haben keine Namen, weil H. Sack sie nicht bestimmt anzugeben wußte und sie im Goldfuss auch noch nicht sind; ebenfalls sind No 1 und 2 sind bestimmt genug sondirt, was mir erst auffiel, als die Zettelchen schon angeklebt waren. Dieser H. Sack ist ein merkwürdiger Mann. Neffe des bekannten Staatsbeamten gleiches Namens, und ziemlich vermögend, widmete er sich dem Bergwesen und kam als Eleve vor etwa 12 Jahren in hiesige Gegenden. Man legte ihm rücksichtlich siener Kar-riere viele Hindernisse in den Weg, und veranlaßte ihn da-durch dieselbe ganz aufzugeben; er widmete sich von nun an ganz seiner Lieblingsneigung, der Mineralogie. Mit einem gewissen Instinkt begabt, Mineralien und Fossilien aller Art zu suchen, zu erkennen und zu sammeln, durchstöberte er alle Kabinette, durchkroch er alle westphälischen Höhlen.

    So gelang es ihm dann, daß er ohne bedeutende Geschäfte von Hauße sich eine Mineralien-Sammlung von 40.000 Exemplaren, eine Sammlung von Peterfacten von 25.000 Exemplaren, selbst eine nicht unbedeutende Muschel- und sogar Münz-Sammlung anerschafft hat. Er wohnt seit 6 Jahren in Bonn, und wird nächsten Sommer seinen Wohnort nach Halle verlegen. Ich habe ihn in diesen Tagen kennen lernen, und verdanke seinem kurzen Um-gang sehr viel, so wie ich ihm für die Bereitwilligkeit meine Mineralien und Petrefakten zu ordnen sehr viel Dank schul-dig bin. Er wird Ostern nach Trier kommen und hat mir ver-sprochen, dich zu besuchen. Auffallend an ihm war mir auch seine Abneigung gegen Noeggerath[ii], den er nicht als Mineralogen gelten ließ und höchst dreist nannte, die Arbei-ten der anderen zu benutzen und als die seinigen auszu-geben; und besonders interessant waren mir auch seine Unterhaltungen über die fossilen Knochen, die er im Bett der Lippe und in der Sunderichs=Höhle fast von allen größeren Thieren heißester und kältester Zonen auffand.

    Meine Ausbeute in den Ferien war rücksichlichtlich der Versteinerungen nicht sehr groß. Von Thieren habe ich keine weiteren auftreiben können. Der Schieferthon, wel-cher nebst dem Sandstein alle hiesigen Kohlen=Flötze begleitet, ist voll von Pflanzenabdrücken. Ich habe ihn auf allen Zechen verglichen und habe gefunden, daß bei sämt-lichen Flötzen der Schieferthon im Liegenden blos gewalt-sam zerstörte und durcheinander gemengte Pflanzen hat, wogegen sie bei sämtlichen Flötzen im hengenden ruhig und regelmäßig geschichtet sind. Aus dem Hengenden habe ich ein Stück beigefügt, es ist das breite schilfartig ge-furchte. Der Kohlensandkasten enthält häufig ellenlange, dicke, deutlich gegliederte Schilfarten, und eine Art langer schuppiger Zapfen; ich habe von beidem Exemplare hinzu-gefügt. Auch that ich 2 deutliche andere Pflanzenabdrücke hinzu.

    So viel denn von den Versteinerungen. Ich muß dir meinen Dank sagen, daß du mich auf diesen Gegenstand aufmerksam gemacht hast. Gleichzeitig, indem ich für dich gesammelt habe, habe ich auch den Grund zu einer Samm-lung für das hiesige Gymnasium gelegt. Ich werde mit meinen Nachgrabungen fortfahren und besonders auch auf die Umgegend aufmerksam sein, und werde dann somit für die Erweiterung deiner Sammlung sowie der meinigen, wo möglich Sorge tragen. Jn letzterer Beziehung könntest du mir vielleicht auch einmal behülflich sein, wenn du Dupletten hättest, die du nicht gebrauchtest; ich würde dich als dann sehr darum ersuchen.

    Ich habe mich die Ferien damit beschäftigt, das Mark-scheiden und den praktischen Bergbau genau kennen zu lernen, was ich für die Bergschule so sehr nothwendig habe; habe also viel arbeiten müssen und wirklich keinen ein-zigen Tag Ferien gehabt. Ich bin durch den Brief von meiner Schwester sehr erfreut worden, daß ihr die Unsrigen alle wohl verlassen habt, und auch du dich viel wohler fühlst wie früher; ich wünsche mir, daß ihr so gesund sein möget, wie ich es immer bin, und daß du bald dahin kommen werdest.

    Somit grüße ich euch alle herzlich,

    euer getreuer P.J. Steininger

 

Verzeichnis der zur sandigen Margel zu Frohenhausen bei Essen gefundenen Versteinerungen

No

 

1

Austern, je 3 Stück Oberschalen (No 10, 19 St. Unterschalen (N0 1a)

2

dito, eine andere schön am Rücken aus gefurchte Art; 9 St. Oberschalen, 2 St. untere

3

dito, eine schmalere mehr gekrümmte und feiner gefurchte Art; 8 obere Schalen, und 1 untere.

4

dto, dünn, flach und rund; 7 St nebst einem Papier voll.

5

dto., ziemlich dünn und klein, halb rund, ein Papier voll Oberschalen und 3 untere.

6

Ammonites, 2 St

7

Turilites, 1 St

8

Ammonites inflatus, 1 St

9

Nautilus, 1 St

10

Anomia pectiniformis, 1 St

11

Tubiatula, 1 St

12

Tubiatula, 2 St

13

Tubiatula, 7 St

14

Tubiatula, 11 St

15

Tubiatula, 3 St

16

Tubiatula, 4 St

17

Perten, 5 St.

18

Lima, 3 St.

19

Thecidea hieroglyhica, 21 St.

20

Thecidea radiano, 5 St.

21

Edhimus, 4 St.

22

Echimiten-Stacheln, 13 St.

23

Warzenstück eines Echimiten

24

Anomia pectini formis, 4 St.

25

Retepora? 2 St.

26

Ostrea haliothidea, 1 St.

27

Serpula, 6 St.

28

Serpula, 2 St.

29

Serpula, 3 St.

30

Cellepora escharoides, 1 St.

31

Thecidea hieroglyphica 2 St.

32

Mytilus? 3 St.

33

Durchbohrungen von Pholas? 1 St.

34

Turbo, 1 St.

35

Scyphia infundibiliformis, 6 St. und ein Papier voll

36

Ceriopora poymorpha, 9 St.

37

Cellepora escharoides, 10 St.

38

Ceriopera micropora, 11 St.

39

Ceriopera gravilis, 1 St.

40

Ceriopera cribota, 1 St.

41

Manon Pepiza, 1 St.

42

Fragos piriforme, 1 St.

43

Tragos rugesum, 2 St.

44

Ceriopera stellata, 4 St.

45

Tragos stellatum

46

Scyphia tetragona

47

Manon palvinarium

48

Scyphia furcata

49

Manon stellatum

50

Manon Peziza

51

Knochen vom Krokodil

52

Ein großer und ein kleiner Turkimit

53

Zwei in einer andern anderthalb Stunden weit entlegener Mergelgrube gefundenen Kelemniten

54

Ein Amoniten Stück bei den Kelemniten gefunden

55

Dentalien u Cansylien aus dem Magdeburger Braunkohlen Sandstein von Herrn Sack

 

Ueberdies 7 St. Pflanzenversteinerungen aus dem hiesigen Kohlengebirge.

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen am 6. Jan. 1831

 

Lieber Bruder!

    Es ist mir sehr lieb, später mehrere Doublette deiner Eifeler Versteinerungen erwarten zu dürfen. Sie sind mir zu der Sammlung von Petrefakten sehr willkommen, die ich für unser Gymnasium anzulegen im Begriff bin. Ich bitte Dich daher, mir die Auslagen zugleich mitzubemerken, wenn du sie mir sendest. Das was ich für die dir übersendeten aus-gegeben habe, beträgt für Transport und Verschlag nebst Schachteln 4 Thlr. Ich bitte dafür unserer Schwester ein Neujährchen zu kaufen, und es ihr in meinem Namen einzu-händigen. Ich habe mich diese Weihnachtsferien auf einer neuen Grube hier beschäftigt. An Pflanzenver-steinerungen fand ich weit mehr als vorigen Herbst. Das Hengende, wel-ches man gewöhnlich nur Gelegenheit hat zu untersuchen, war daran außerordentlich reich. Auch fiel mir auf den ersten Blick die ungeheure Größe auf, welche diese Pflan-zen müssen gehabt haben; die Reinfarne waren meisten-theils über 1 Fuss breit und oft 1 Zoll tef. Es würde mir viel-leicht gelungen sein, einen ganzen solchen Pflanzenstamm unversehrt herauszubringen; allein es war an einer abge-bauten Stelle, wo es angefangen hatte einzubrechen und wo man in Lebensgefahr sich nicht hineinwagen konnte. Das Resultat meines Fundes besteht darin:

    1) ein Streifen Holzkohle von einiger Linie dick zieht sich durch ein ganzes Flötz; in der Nähe ist ziemlich viel Schwefelkies.

    2) das Hengende desselben Flötzes ist voll nierenartiger eisenfester Steinkerne, welche bald rund wie Aprikosen-steine, bald länglich wie Pfirsche oder Eicheln, und bis zu einer Kindes-Hand dick sind. Wenige Pflanzen finden sich sonst in diesem Hengenden.

    3) Im Hengenden eines höher liegenden Flötzes die prächtigen ungeheuren Pflanzen, und zwar 5(er)lei Arten,

    a) breit gestreift mit Reihen von Vertiefungen oder Augen,

    b) schmal und mehr oval gestreifte ebenfalls mit Reihen von Vertiefungen,

    c) schöner sehr breiter Schelf mit regelmäßigen Ringen,

    d) breite, nicht gestreifte Pflanen mit großen Vertie-fungen oder auch Erhöhungen,

    e) endlich etwa 1 Zoll höher dünne Stiele und kleine Blätter von Farnkräutern.

a und b befinden sich auch unter denen, die ich geschickt habe, wenn gleich schlecht. Ich habe mir mehrere Exem-plare mithergenommen und immer Gelegenheit, neue dazu zu bekommen, werde dir also später auch einmal schöne davon besorgen können. Hier am Gymnasium ist noch alles im unbestimmten Zustande, die andern Nationen jagen ihre Könige fort, geben sich neue und ändern ihre Verfassungen, ehe es unseren Regierungen gelingt, einen Direktor herzu-bringen. Die Erfahrungen, die man in dieser Beziehung schon gemacht hat, tragen sehr dazu bei, die hohe Meinung, die man von der Gerechtigkeit der großen Regie-rungen über eingeimpfet bekam, herabzustimmen. Es ist wirklich auffallend, wie man sich gebehrdet und welche Schritte man sich nicht schämt zu thun, um einen Prote-stanten und dazu noch einen recht jämmerlichen Prote-stanten auf Unkosten der Katholiken zu befördern, und um Familienverhältnisse zu begünstigen. – Uebrigens hört man hier so nach und nach ein Wort von Konstitution sprechen, was bei dem sklavischen Sein der preuß. Beamten viel sagen will. Denn Beamten so wie das Volk, worunter nicht bloß das Plebs zu verstehen kennen das Wort kaum, und sonst war es ein inauditum. Die gewöhnliche Menge möchte ihre Behörden eher heute als morgen fortjagen; und zwar wissen sie nicht eigentlich warum, sondern nur wissen sie daß es früher weit besser war als jetzt.

    Du wirst gegen Ende der nächsten Woche einen Besuch bekommen von einem Hauptmann Berger. Er stand seit 1816 hier in Essen, war 4 Jahre mein Tischgenosse, nahm mit mir an allem geselligen Leben Theil wie man denn in so kleinen Städten immer auf einander hingewiesen ist, und ist nun nach Trier versetzt. Er ist ein Mann von Geist, von mehr als gewöhnlicher Bildung da er sich von dem Kriege auf der Univer(sität) Frankfurt a/o zu einem gelehrten Berufe vorbereit(et hat) und wegen seines lustigen, lebhaf-ten Temperamentes in Gesellschaften gerne gesehen. Ob ich ihn gleich recht gut leiden mag und sehr gerne mit ihm bekannt bin, so würde ich doch Bedenken getragen haben ihn dir zu empfehlen, weil ich glauben kann daß du nach dergleichen Bekanntschaften nicht neugierig sein wirst. Indessen hat er mich um eine Empfehlung an dich gebeten, und ich kann also nicht umhin dich zu bitten ihn mit dem einen oder anderen z.B. Herrn Schwendler bekannt zu machen.

    Die Wünsche zum neuen Jahre erwiedere ich von Herzen, und gestehe ich gern daß es beim Antritt desselben mein größter Wunsch gewesen ist, bald wieder einmal bei euch zu sein, und dich und meine Mutter wieder recht gesund und froh zu sehen. In Hoffnung also darauf grüße ich dich herzlich und verbleibe ich

    dein ergebenster Bruder

    Steininger

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen am 27. März 1831

 

Sr. Wohlgeboren Herrn Steininger

Oberlehrer am Gymnasium in Trier.

 

Lieber Bruder!

    Ueberbringer dieses ist Herr Hauptmann Berger, von dem ich dir in einigen Briefen geschrieben habe. Da sein Aufenthalt in Trier wahrscheinlich von langerer Dauer sein wird, so würde ich dir dankbar verbunden sein, wenn du etwas dazu beitragen könntest, ihm denselben angenehm zu machen. Diejenigen Herrn, mit denen du Veranlassung nehmen wirst, ihn bekannt zu machen, werden ihn durch seinen Geist, durch Bildung und durch seinen heiteren Sinn ihren Beifall nicht versagen.

    Ich habe in Gemeinschafft mit dem Bergamte und Herrn Pack hier mit dem Besitzer des Feldes, wo die Verstein-erungen gefunden wurden, einen Vertrag geschlossen, auf 2 oder mehr Jahre graben zu dürfen. Wir werden deßhalb auf der einen Seite, wo es noch thunlich ist, graben lassen und uns in die Ausbeute theilen. Später werde ich dir über das Gefundene Nachricht erstatten. – Kennst du vielleicht ein kleines französisches Werk über den Flötzbergbau, oder über das Markscheiden bei demselben? Das würde mich sehr interessieren.

    Ich grüße dich herzlich.

    Dein ergebener Bruder Steininger

 

 

[Johann Steininger an seinen Bruder Richard Maria]

 

St. Wendel den. 4. Jen. 1832

 

An Wohlgeboren dem Herrn R.M. Steininger

Professor und Subregens im Seminar zu Trier

 

Lieber Bruder!

    Deinen Brief und den von Philipp Jakob habe ich richtig erhalten, und melde dir hiermit deinem Wunsche gemäß sogleich das Uebermorgen ich, Schwager und seine Frau, Zusammen mit der Post anch Essen abreisen werden, wo als dann letztere, wenn es nöthig sein sollte, bei meinem Bruder bleiben, und bis dahin, wo sie zusammen nach Trier zu Johann kommen, die gehörige Pflege übernehmen will. Mehreres also von Essen aus. Unsere Mutter und Schwester wissen aus den Briefen natürlich noch nichts und fühlen die beiden sich noch immer so ziemlich wohl.

    Dein Bruder Johann

 

    Auch schreibe ich soeben einige Zeilen an P. Jakob nach Essen, damit er einigermassen vorbereitet ist, und wir ihm nicht so ganz unerwartet kommen.

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen 19/4 (1832)

per expres

 

Sr Wohlgeboren Herrn Herrn Steininger

Professor am Gymnasium in Trier

 

Lieber Bruder!

    Ich erhielt deinen Brief heute Mittag, die Theilnahme an meinem Unternehmen und die Güte die du darin aus-sprichst, haben mich mit Rührung erfüllt. Ich beeile mich, das zu beantworten. Mediziner werden könnte ich nicht, da es meiner Natur widerspricht.

    Wollte ich Jus studiren, so würde dies eine weit-beschäftige Sache werden. Auch angenommen, daß ich in 2 Jahren auf Universität absolviren könnte, was sehr dahinsteht da ein philosophisches Kurs nicht nöthig ist für einen Juristen; so müßte ich rechten noch 3 Examen machen, zu denen man nur zugelassen wird wenn man lange Zeit praktisch gearbeitet hat, das Auscultator=, das Referendariats= und das sogenannte 3te rheinische Examen. Diese 3 Examina würden wenigstens 3 Jahre er-fordern und ich wäre somit nach 5 Jahren, günstig gerech-net, erst Advokat und könnte als solcher vielleicht auch nach einige Jahre ohne Brod herumgehen. Dabei diente mir mein ganzes mathematisches und physikalisches Wissen ja nichts und meine bisherige Karriere wäre mir durchaus verloren.

    Notar und Friedensrichter, muß ich gestehen, würde ich nicht.

    Eher würde mich entsprechen, mich als dem zu einem Professor auf Universität auszubilden, was indessen auch über 6 Jahre dauern würde. Im Baierischen dürfte ich vielleicht schon zum Advokaten gelangen, würde aber als Ausländer immer schlimm dran sein. An eine politische Um-änderung für die Rheinlande denkt hier kein mensch mehr, und auch mir scheint ein langer Friede gewiß. Wenigstens scheint es mir zu sehr gewagt, bei meinen unter-nehm[erischen] Hoffnungen auf solche Veränderungen zu gründen.

    Wollte ich meinen Stand verlassen, so wäre immer mein erster Gedanke an das Bergwesen. Ich hätte da den Vor-theil, daß meine Kenntnisse mir von Nutzen wären, ob ich gleich auch hierin von vorne anfangen müßte. Allein da ich in meinem Alter einen solchen Schritt thue, mich jetzt, nach so vielen Arbeiten und so vielem Ungemach auf lange Zeit unterwerfe. So resigniere ich zugleich damit auf das häus-liche Glück auf das Angenehme und so manchen Genuß, den der Beamte findet, wenn er sich in einem gewissen Ziele sieht. Ich leugne daher nicht, daß ich eine Entschä-digung anderer Art da für will. Ich will mich wenigstens bestreben, mir die Möglichkeit eine Karriere zu machen offen zu halten.

    Sollte ich also Bergmann werden, so würde ich bedacht sein an ein Oberbergamt zu kommen, und würde gewiß erst nach 10 Jahren O.b. Assessor sein. -

    In beiden Fällen dauert es also sehr lange. In beiden Fällen habe ich noch mehrere Jahre auch gar kein Gehalt, und auch nicht einmal auf eine Unterstützunng Seitens des Minist Trier zu rechnen. Ebenfalls muß ich in beiden Fällen ganz von vorne anfangen, mein Wissen dient mir wenig oder nichts, meine bisherige Karriere ist zugleich verloren. Ich kann mich nicht entschließen, 11 Jahre umsonst gelebt zu haben, jetzt nochd anzufangen wo der 20jährige Jüngling steht. Das ist aber ganz anders, wenn ich Profes-sor der Mathematik und Physik werde. Was ich gelernt habe, gereicht mir zum Nutzen; ich bliebe in meinem Fache; ich habe schon reelle Verdienste; und das läßt sich dabei einwenden, dieser Schritt hätte einige Jahre früher geschehen können. Verloren habe ich nichts, habe selbst gegen einen gewöhnlichen Professor mehreren voraus durch meine praktische Karriere. Die Möglichkeit ist mir dadurch auch vorhanden, neben dem einmal Schulrath zu werden. Das Ministerium wird mich gewiß nicht immer ohne Unterstützung und auch gewiß nicht sehr lange ohne Geld lassen. Ich bin als Inländer angesehen, und bin auch nicht ganz ohne Empfehlung. Nach 6 Jahren bin ich gewiß am Ziele meiner Wünsche, und so viele Schulden nachzube-zahlen hoffe ich nicht.

    Ich muß freilich dabei in der Hauptstadt sein; aber ist hier die Natur viel schöner? Ist das Leben besser? Euch kann hier alles sehr auffallen, ich aber bin schon 8 Jahre sowohl an die dürftige Natur als an das dürftige Leben gewöhnet. Auch ist die Entfernung von den Meinigen nicht sehr in Anschlag zu bringen, da ich ja auch hier schon zu weit entfernt bin, um öfter nach Hause kommen zu können.

    Nein, ich bitte dich, dich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Vor 6 Jahren noch hätte dein Brief mich zum glücklichsten Menschen gemacht, ich würde ohne Bedenken Jurist geworden sein und habe damals oft daran gedacht. Aber jetzt ist es dazu zu spät, ich kann nicht wieder von vorn anfangen und zehn Jahre verloren geben. -

    Noch ein halbes Jahr muß ich auf jeden Fall hier aushalten, gemäß meiner Notation; ich werde wahr-scheinlich auch erst gegen Pfingsten meine Entlassung vom Ministerium bekommen. Sobald ich letztere habe, werde ich dir wieder gleich schreiben. Ich habe reiflich überlegt, und 2 Jahre lang; also nicht unbedacht trete ich mein Unther-nehmen an. Ich werde aber noch ein ganzes Jahr lang deine Vorschläge beherzigen können, und also noch Zeit genug haben meinen Entschluß zu ändern, sollte ich mein eines besseren belehren. Ich danke dir von Herzen für deine Sorge. Du hast schon so viel für uns alle gethan; ich habe dir noch nichts vergelten können; daß du selbst nun dich sogar anbietest, mich nicht im Stiche lassen und mir helfen zu wollen, hat mich mit Rührung erfüllt. Ich sage dir meinen innigen Dank für dein Anerbieten, Nikola will ja so gut sein mir für dergleichen Bedürfnisse sorgen.

    Wie gesagt, ich werde deine Vorschläge auch alle überlegen, da uns noch Zeit dazu ist. Ich wünsche, daß dir das Bad recht wohl bekommen möge und diesen sommer deine Gesundheit wieder vollkommen hergestellt werde.

    Wenn du noch heute reisen solltest, so grüße meine Mutter recht herzlich, so wie ich euch alle von Herzen grüße.

    Dein ergebenster P. Steininger

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen am 25. Mai 1832.

Lieber Bruder!

    Als ich den Entschluß faßte, künftigen Herbst nach Berlin zu reisen, waren mir die Hindernisse, welche der Ausfüh-rung im Wege stehen, nicht unbekannt. Im Gegentheile kannte ich sie alle durch meine Freunde und durch meine langen Nachforschungen so gut, wie sie nur jemand kennen kann. Ich rechnete indessen darauf, bald an einer anderen Anstalt nebenher angestellt zu werden, wie dies bei den meisten dortigen Mathematikern und auch bei beiden Ohmen der Fall ist; dadurch nicht so viel Zuschuß, und wenn ich einmal als extraordinarius auch nur einige 100 Thlr Gehalt bekäme, als dann gar keinen mehr nöthig zu haben. Ich hoffte dabei in einen Jahre meine Subsistenz zur Noth geführet zu haben; ich hette ein erträgliches Leben, könnte mich den Wissenschaften widmen; meine bisherigen Mühen und Studien weren mir nicht verloren; und ich müßte dann doch mit der zeit ordinarius werden. Ich leugne nicht, daß ich dabei selbst an die Errichtung der école polythechnique gedacht habe, welches meinem Unter-nehmen nur günstig sein konnte.

    Du bist sehr dagegen. Auch Kortüm ist es. Er schrieb mir Ostern und rieth mit so lange in meiner jetzigen Stellung zu warten, bis ich eine bequeme und einträglichere erhalten würde. Er meint, aus der bisherigen Nichterfüllung meiner Wünsche nicht zu schließen, daß sie niemals erfüllt würden. Schöne Worte! Hätte ich statt meiner 30 Stunden nur die Hälfte, so wollte ich wohl noch einige Jahre zusehen; aber so ist das Maas voll. Und überdies, ist mir denn dabei gedient, aus meinem Gymnasiallehrer-Posten in einen anderen zu kommen? Direktor werde ich nie, denn sonst wäre ich es schon. Zwei Philologen, welche noch mit mir studirt haben, wenn sie auch ein oder anderthalb Jahr früher fertig waren, und die gewiß nicht diese Zeugnisse aufzuweisen wie ich, und die sich auch während dem gewiß nicht so geplagt haben wie ich, sie sind es schon. Für ein Gymnasium bin ich noch nicht einmal in Vorschlag gewesen. Und auf eine höhere Bürgerschule warten? Das ist allzu gewagt. Der Mathematiker und der Katholik steht mir immer noch im Wege, und die Wahrscheinlichkeit, fast die Gewißheit ist dafür, daß ich noch eine ziemliche Reihe von Jahren hier oder wenigstens an einem anderen Gymnasium als Lehrer bin. Also geändert muß werden.

    Daß ich mich am besten stehe als Jurist, wenn ich einmal mein Ziel erreicht habe, das habe ich nie bezweifelt. In jedem Falle sei es als Professor an Universität, oder als praktischer Jurist. Aber daß ich dadurch Verzicht leiste, muß ich allen Nutzen meiner bisherigen Studien, daß mir meine viele Zeit und meine vielen Mühen gänzlich verloren sein sollen, daß ich die dreißiger wieder zubringen soll wie die zwanziger, mit bloßem Vorbereiten zur eigentlichen selbständigen Wirksamkeit - das allein das trieb mich zur Professur in der Mathematik, oder zum Wegziehen. In-zwischen habe ich mich jetzt an die Gedanken schon so ziemlich gewöhnt, ich habe mich schon so ziemlich drein gegeben; ich werde denn wahrscheinlich Jurist werden. Ich habe das Reglement, was im April für die Vorbereitung der rheinischen Juristen im Amtsblatte erschienen ist, gelesen. Darin wird ein juristisches triennium academicum auf einer deutschen Universität verlangt, wovon uns der Justiz-minister dispensiren kann. Alsdann gehen noch mindestens 1 ½ Jahre hin, bis man Friedensrichter, und mindestens 2 Jahre, bis man Advokat werden kann. Wenn ich daher annehme, daß ich auch ein Jahr vom triennium acade-micum geschenkt bekomme, so habe ich doch mindestens 4 Jahre nothwendig, bis ich Advokat werden kann.

    Immer eine schöne Zeit, besonders da man als dann auch noch nicht sogleich im Verdienst ist. Gürster, Feller, Mitwy etc hatten im Herbste noch gar nichts verdient. Sauer, der schon einige Jahre angestellt ist, muß noch sein Auskommen nicht haben. Warum Schaak, der doch eine gute Praxis hat, die Rathsstelle zu 900 Thr vorgezogen hat?

Wie denn auch immer sei, ich bin so ziemlich mit dem Ge-danken vertraut, Jurist zu werden. Ich sehe jeden Tag meiner Entlassung entgegen, und werde mich dann bestimmt entscheiden.

    Sobald dieselbe angekommen ist, werde ich dir gleich schreiben.

    Bis dahin lebe recht wohl. Das beikommende Paquet, sei so gut, an meine Schwester abzugeben. Ich grüße euch alle recht herzlich.

Dein ergebenster Bruder

P.J. Steininger

 

 

[Mutter und Schwester Steininger an Johann]

 

St. Wendel den 23ten Julis 1832

Lieber Bruder!

    Wir gratuliren zu deinem Namensfeste und wünschen herzlich daß du dich dessen noch lange freuen mögest. Es war uns sehr leid zu vernehmen daß du unwohl seiest und daß Mde Klauck schon so lang krank wäre, wir hoffen daß du doch jetzt wieder ganz wohl bist wie wir, von Kellers Nicola und Gerhart vernahmen es war ein schlimmes Früh-jahr für sehr viele Leute; fast die Meisten selbst die Gesün-desten mußten sich in Acht nehmen die Kripp hat so viele nach Krankheiten und fast alle hatten selbe. Meine Mama hatte 6-7 rückfälle ohne daß mann bald die Ursache nicht erkannte jetzt ist Sie aber ganz Wohl, ich ließ Sie gar nicht ausgehn worüber Sie oft sehr unwillig ward bis am 7 Juni hat Sie Ihre Ostern gehalten seid geht Sie aus und ein, so hoffe ich wird auch dein und der Madame Klauck ihr übel durch die Wärme geschwinden. Doctor war auch eine längere Zeit dadurch unwohl izt geht wieder besser will aber doch ins Bad nach Niederbrun wohin er die nächste Woche Reißen wird wenn ihn nichts verhintert, Mde Kirsch wird auch in ein Bad gehen ich weiß aber noch nicht wohin, wirst du auch eins besuchen, oder wie du zwei verflossenen Jahre in Trier landen, wenn du das thust so bitten wir doch immer jemand mit zu nehmen und besorgt zu sein das nichts geschehen kann. Herman und Nicola können dich ja begleiten dann sind sie auch unter aufsicht, der Richard macht gute geschäfte ihrer Haushaltung ist ziemlich in ordnung im ganzen genommen. Du warst so gütig uns Spargeln zu schicken wir danken sehr dafür. Herr Pastor hatte die güte uns etlichemal zu schicken.

    Mit aufrichtigem Wunsche fester Gesundheit Empfehlen wir uns dir, SubRegens und Mde Klauck verbleibend

Deine getreue Mutter und Schwester

C. u. L. Steininger

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Richard Maria]

Essen am 26. Juli 32

 

Sr. Hochwürden Herrn Subregens Prof. Steininger

 

Lieber Bruder!

    Auf mein Gesuch um Entlassung vom 3. Apr bekomme ich endlich die Antwort, daß das Ministerium noch Anstand nehme, mich zu entlassen, da keine Aussicht zu einer Versetzung an eine Universität, und auch nicht einmal an ein anderes Gymnasium vorhanden sei. Ich werde dann ermahnt, die Sache wieder reiflich zu erwägen etc etc, und aufgefordert, mich von neuem zu erklären.

    Da ich die Hoffnung aufgegeben hatte, mich dem Bergwesen widmen zu können, war mein einzigr Leitstern die Professur an die Universität Berlin. Ich habe mich nun überzeugt, daß ich auch diesen Plan und überhaupt den Gedanken an eine Universitätsprofessur im math. Fache aufgeben müsse. Es fragt sich daher: darf ich etwa darauf bauen, einmal Direktor an einem Gymnasium oder an einer Bürgerschule zu werden? Das wäre der einzige Anker, der mich jetzt noch im Schulfache halten könnte. Ich glaube wohl, daß es einmal geschehen würde; aber nunmehr? daß ich Katholik bin und Mathematiker, steht mir überall im Weege. Die Aussichten dazu sind höchst schlecht. Und ewig Gymnasiallehrer bleiben? Ich würde es nicht ertragen können. Bis jetzt war mir die Schule erträglich, in der Hoffnung, einmal um so tüchtiger einen höheren Posten bekleiden zu können, wenn ich von unten an gedient hätte. Nun ist mir unausstehlich, da diese Hoffnung geschwunden Advokat zu werden, darauf bin ich gefaßt. Mein Bruder gibt mir das Geld dazu. Wenn auch 4, auch 6 Jahre damit hingehen, bis ich zum Ziele komme; so kann ich nachher das Geld wieder zurück geben. Wenn ich allein stehe, und nur auf mich Rücksicht nehme, so bin ich ohne Sorgen und komme gewiß zu meinem Zwecke und zu einem angenehmen Leben. Bis ich ganz frei bin von Schulden, darüber werde ich freilich 40 Jahre alt; aber ich lebe während dieser Zeit doch schon frei, und angenehm und alsdann bin ich dann doch an meinem selbstgewählten Ziele. Ich würde die Universität Freyburg von Anfang zu beziehen wünschen, um nicht in Bonn oder Heidelberg mit meinen alten Schulern auf denselben Bänken sitzen zu müssen, und würde alsdann nach Strasburg gehen. Nach-her würde ich, wenn ich dardurch eher fertig wäre, im Baden’schen oder Bayer’schen mich niederlassen. Wenn ich auf mich allein Rücksicht nehme, habe ich also ziemlich leichte Aussicht; aber wenn ich an meine Mutter denke, dann wird es mir wahr.

    In der Nähe der Meinigen würde ich als Gymnasiallehrer einkommen. Wollte ich Haushaltung anfangen, so würde ich meine Mutter nicht zu mir bitten können, weil sie in einem fremden Lande und unter fremden Menschen es nicht aushalten würde. Wenn ich heirathete und sie nicht zu mir käme, würde ich ihr von meinem Gehalte nichts schicken können, weil die Gehelter zu klein sind. Also blos in dem einen Falle, wenn ich ledig bleibe, könnte ich als Gymnasiallehrer meine Mutter thätig unterstützen, indem ich jährlich um 200 Thaler schickte. – Wenn ich Advokat werde, wann werde ich alsdann mich wieder gegen meine Mutter erkenntlich beweisen können? Werde ich jemals wieder dazu kommen, da sie schon bei Jahren ist? Muß ich sie nicht ganz eurer Sorge überlassen? Werdet ihr dadurch nicht zu sehr gedrückt sein? Ihr habt schon so viel für uns alle gethan, soll ich nicht auf mein eigenes Wohl verzichten, um euch zu erleichtern, um meiner Mutter ein erkenntlicher Sohn zu sein?

    Da nun der Augenblick ist, wo es heißt, entweder Zeit Lebens im Schulfache geblieben und das Joch geduldet, oder für immer aus demselben; so möchte ich doch noch um deine offene Meinung gebeten haben. Der eben ange-gebene Punkt in Betreff meiner Mutter liegt mir besonders auf dem Herzen, vorzüglich auch darüber möchte ich deine Meinung hören, auch, was du von der Universität Freyburg sagst. Ich bitte alsdann dich auch, mir Nachrichten zu geben von Hause, was unsere Mutter macht, ob mein Bruder Johann im Bade ist, meine Schwester noch in Trier, und wie es dir geht; ich habe seit Ostern nichts mehr gehört. Vor allen Stücken muß ich dich aber bitten, mir umgehend zu schreiben, da ich mit meiner Antwort ans Ministerium so lange warten werde. Ich grüße euch alle herzlichst.

    Dein Bruder P.J. Steininger

 

 

[Philipp Jakob an seine Mutter in St. Wendel.]

 

Essen am 21. Oktober 1832.

Liebe Mutter!

    Ich bin gestern abend glücklich hier angekommen. Ich habe gesehen und gelernt was ich wollte, und bin somit mit meiner Reise ganz zufrieden. Ich habe die Cholera noch nicht angetroffen. In Mülheim wüthet sie stark. Dies hat seinen Grund darin, daß die niedere Klasse meist aus Schif-fern besteht welche unmäßig dem Trunke ergeben sind, und daß auch die Vornehmen wegen ihrer Unmäßigkeit hierherum allgemein bekannt sind. Zu Duisburg und Ruhr-ort ist sie kaum zu beachten. In die anderen Städte ist sie noch gar nicht gekommen, und leicht dürfte sie auch von hier ganz wegbleiben. Man fürchtet wenigstens gar nicht davor, und ist übrigens mäßig. Ich bin nun froh daß ich wie-der hier bin. Ich werde ein ganz stilles und ruhiges Leben für mich führen, und ganz meinen Studien leben. Eine Zeit, wie ich sie gemacht habe, ist sehr angreifend, rüttelt den Körper durch einander und stärkt ihn ebenso sehr. Sie hat mir sehr wohl gethan, und sie Ruhe danach wird mir nun gut schmecken. Ich wünschte jetzt auch sehr zu wissen, wie es mit Ihnen zu Haus steht; ob Sie alle gesund sind, und was meine Brüder die Ferien angefangen haben; ob sie immer zu Haus geblieben sind oder auch größere Erkundi-gungen gemacht haben. Ferner wünsche ich auch zu wissen, wie Sie sich den Winter einzurichten gedenken; ob meine Schwester und Elischen wieder mit nach Trier gehen Oder nicht. Schreiben Sie mir doch bald über alles dies.

    Es wird meinen Bruder vielleicht interessieren, das Ge-nauere von Meiner Reise zu erfahren. Ich fuhr von dir direkt nach Siegen, hielt mich mehrere Tage in den Mecettener Gruben auf, ging alsdann nach den Kupferwerken in's Dillenburgische, durch im Westerwald zurück in die Braun-kohlengruben, und somit wieder durch die Reviere Kirchen, Herdorf und Eiserfelden nach Siegen. Darauf machte ich über Arensberg nach den Salinen zu Werl und Unna, und so wieder nach Essen auf. Ich habe so die Bergwerke aller Art besucht und befahren, und habe dabei immer die betref-fenden Hütten und Schmelzen angesehen. Die Kabinette und Sammlungen zu Siegen allein habe ich nicht gesehen, weil ich bei dem schönen Wetter niemanden angetroffen habe, der sie mir hätte zeigen können. Alles war immer auf Reisen. Den Inspektor Stengel auf der Hütte Lohe habe ich auch besucht; mein Bruder kennt ihn. Auch den Bergrath Schneider von Holzappel habe ich kennen gelernt; er erinnerte sich meines Bruders wohl.

    Nun so leben Sie denn recht gesund und wohl. Beikom-mende 100 Thaler mögen etwas dazu beitragen, Ihnen das Leben angenehm zu machen. Schreiben Sie mir bald und ausführlich.

    An alle die Meinigen sage ich meinen herzlichsten Gruß. Ich verbleibe wie immer

    Ihr ergebenster PJ. Steininger

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen 21.12.1832

Lieber Bruder!

    Heute Morgen erhalte ich einen Brief vom Schulkollegio folgenden Inhalts:

    „Des Königs Majestät haben durch Allerhöchste Kabinets-ordre vom 18. v.M. Ihnen eine persönliche Gehalts-zulage von 100 Thr jährlich vom 1. Jan. d.J. ab zu bewilligen ge-ruht. Wir setzen Sie hiervon mit dem Bemerken in Kenn-tniß, daß die Anweisung der gedachten Summe zu seiner Zeit erfolgen wird, und freut es uns, daß Ihnen in dieser Weise eine Anerkennung Ihres bisherigen verdienstlichen Wirkens als Lehrer am dortigen Gymna-sium, dem Sie nun-mehr auch ferner Ihre Thätigkeit freudig wird nun werden, zu Theil geworden ist. Ich bin um so mehr über dieses Schreiben erfreut, da ich es ganz unerwartet und ohne alles Wissen erhielt; kam daher auch nicht umhin, euch schon sogleich davon in Kenntniß zu setzen. Ich wiederhole die herzlichen Glückwünsche, die ich schon in meinem Schrei-ben an Richard zum neuen Jahr ausgesprochen habe.

Am 21. dez. 32 dein ergebenster Br PJ. St.

 

 

[Mutter und Schwester Steininger an Johann]

 

Am 12. Januar 1833 wird das Urteil über die Mitglieder sog. „Kellerschen Gesellschaft“ gesprochen, die im Zuge der Aktivitäten um das Hambacher Fest im Jahr zuvor der Rebellion angeklagt wurden.

 

St: Wendel den 14ten Jänarn 1833

 

Lieber Bruder!

    Endlich ist am 12ten das Urtheil aber wieder aller er-warten zu Gunsten der Regierung erfolgt. 1tens Schue, Juch, Sauer wegen der Gesellschaft in Kellers frei, Keller weil er sein Lokal dazu gab (und mehr als 25 Personen als Gäßte gehabt hätte) vom Prokurator auf 100 Frank und Kosten verwiesen, beym Urtheil frei. 2tens Eilf, als Rebellen beschuldigte Bürger wurden vor den Instructions-Richter Sebald verwießen, für einen Namens Lithard wurde gleich ein verhafts Befehl ausgefertigt, gleich desidirt ins Frank-reich.

3tens als Beleidiger der Regierung wurde Adv. Hallauer 2 Jahr, Hen 1 Monath, Klein 1 Monath ins Gefängtniß und die Kosten verwießen. Bonnet frei gesprochen. 4tens wegen den Büchelchen wurden Adv. Hallauer 3 Monath 50 Fr. Sauer 3 Monat 50 Fr. Fischer 1 Monath 50 Fr gestraft und jedem 5 Jahr das Bürgerliche Recht beraubt. 5tens die drei-farbige Kokarten Träger frei gesprochen. 6tens wurde Juch wegen den Predigten zu 3 Monath Gefängniß und Kosten verwießen. 7tens Volz und Greif beleidiger des Brigadiens 8 Tage Gefängniß und Kosten

8tens Carl Cetto, Adv. Hallauer, Hen, Sauer, N. Hallauer Thuchmacher M. Tholei, Schue wegen Komite frei. Alle be-wußte noch beschuldigte sind frei. Juch wurde besonders bemerkt, daß Er wegen der angegriffenen Censsur und Mauth in der Predigt gestraft würde. Sie Nehmen aber jetzt noch keine Gnade an. Sie wollen (Geht das Gerede) Appel-lieren. Es wurde Keller ein Schreiben vom 24ten Dec von Präsident Simborsqui unterschrieben, daß seine Wirthschaft unter strenger Polizeilicher aufsicht stehe, und wenn die Gesetzwiedriche Gesellschaft nicht auf höre, Ihre Tenndenz aufgelößt würde. Seid dem sitzen fast jeden Abend 2 Gen-darmens von der Brigadie da, zur aufsicht. auch oft Nach-mittags. Vor einigen Tagen fragte H. Prisident Cobadhin (?) zwei Herrn welche in Jochem logierten wo Sie gewäßen wären. Sie antworteten in Kellers. Er fragte ob dann auch Gendarmens da gewessen wären. Sie sagten ja zwei, hätte ich das gewußt, erwiederte ersterer in gegen-wart mehrerer Herrn ich wäre mit Ihnen gegangen, um auch zu sehen, wie man mit den Leuten umgeht. Den Tag nach her kam kein Gendarme, wie es die letzten Tage bis jetzt ging, weiß ich nicht, gestern 3.

 

Ich glaube aber daß der ganze Winter herumgeht ehe alles ins Reine kommt mit Bürger und Regierung, denn der Land-Rath war bis Neu Jahr ausgesetzt, und jetzt wieder auf eine unbestimmte Zeit. Sie haben das 32 Jahr noch zu ver-rechnen. H. Latz ist fort von hie, weiter kann man noch nichts von seinem hiesigen aufenthalte sagen, sobald ich etwas weiteres weiß werde ich es gleich melden.

    Mit vergnügen ersehen wir aus letzteren briefen daß du dich recht wohl befindest wie auch Mde Klauck, ein gleiches kann ich auch von uns allen melden, ausgenommen seid vorgestern hat meine Mama den Husten, ich hoffe aber daß er bald aufhören wird. wir danken des Glückwunsches

    Nebst empfehlung von Vetter Hallauer grüßet Dich, Md. Klauck und H. Bruder

    Deine getreue Mutter u. Schwester

C. und L. Steininger

 

 

[Mutter und Schwester Steininger an Johann]

 

St. Wendel, den 14ten März 1833

Geliebter Bruder

    Wir freueten uns sehr zu vernehmen daß du den ganzen Winter wohl warst. Hier ist auch alles recht wohl. Schon lange Zeit weiß man nicht daß so wenig Kranke waren wie dieß Jahr, alles was der Doctor hatte, und noch hat sind nur Kleinigkeiten was in unserer Nähe ist ausgenommen die Gegend von Marklingen hat viele Kranken. Was man aber hir nicht einmal gewahr würde wenn man den Doctor nicht so nahe hätte, überhaupt ist diesen Winter alles sehr still hir, man weiß kaum mehr daß Voriges Jahr die Spannung hir herschte, denn alles staunte über das Urtheil, alle Leute sehen jetzt wohl ein daß nicht aus gerichtet ist. es sind etliche 20 Mauthbeamte hir und 6 Gendarmens, die sind immer in Bewegung, Tag und Nacht, haben auch schon etliche güter eroberungen gemacht, von Hafer, Zucker, Taback und sonstige Waaren, auf einmal bekommen sie in einer Nacht 14 Löst Taback und das andermal 28 Löst, aber nie bekommen sie einen Man, daß sie beweisen konnten, wem die Waare gehört, ein Wein Händler von Offenbach wurde, den sie bekommen hatten, 1300 Preußische Thaler gestraft, er hat repelliret, man glaubt, das es ihn jetzt weil er wahrscheinlich nochmal verliret über 2000 Thlr kommt und das sagen Leute, sie verZolten nichts, wenigstens keinen Taback. wenn schon alles stille ist, so hat man doch immer seine Unterhaltung. Von P. Jacob haben wir noch seid Neu Jahr nichts gehört, ich will ihm auch schreiben ob er die Ostern wird her kommen wollen, er hat in seinem letzten Briefe sich nach der fahrenden Post über St. Wendel erkundigt.

    Du wirst doch auch her kommen und deine Waganz hier halten, es ist doch lange für ohne bestimte Arbeit in Trier zu bleiben, so doch alles diese Zeit bemüht, um sich auf das einsitzen des Winters zu erhohlen. Auch wäre es uns sehr lieb wenn Madame Klauck mit käme es war ja auch eine erhohlung für Sie, und auch für Ihre Gesundheit zu-träglich, weil Sie voriges Jahr unwohl war und auch das Sitzen nicht vertragen kann, ich bitte dich, bitte Sie in unserem Namen uns dieses Vergnügen zu schenken, die Oster Ferien mit dir bey uns zu halten, ich hoffe daß das Wetter recht schön wird werden bis dahin, weil es bis jetzt mit der Kälte an gehalten hat, bitte Sie statt unserer und bringe Sie mit wenn es nur sein kann es ist uns recht lieb wenn Sie mit kommt.

    Jn dieser Erwartung grüßen wir Sie sehr herzlich, verbleibend

    Deine getreue Mutter u Schwester C und L. Steininger

 

 

[Mutter und Schwester Steininger an Johann]

 

St. Wendel den 21ten Juni 1833

Lieber Bruder!

    Wir freueten uns zu vernehmen daß Sie alle recht wohl sind hier geht es auch jetzt zimlich gut. Mde Kirsch verlangt jetzt ins Bad zu kommen weil Sie unwohl ist, und ist ganz gerichtet für abzu Reißen um ende des Juni wie voriges Jahr, sie will aber länger im Baade bleiben als voriges Jahr deswegen Sie auch etwas Vor dir hin reißen, daß du nicht genirt wärest und dir nicht zu lange würde, für zusammen her zu reißen, Sie wollen den 30ten Juni oder den 3ten Juli auf der Post hir abfahren und dich in Wiesbaden nach deinem Schreiben erwarten, Sie werden in der Post logiren wo du glaubest daß es am besten sey. Sie will in kein Haus wo Sie das Bad nicht auch haben kann, die Lehnchen wird Ihre begleitterin sein weil das Kathchen nicht da ist, muß das Mariannchen im Haus sein und Sie muß immer jemand bey sich haben. Wie du es jetzt mit der Reiße einrichten wist über laßen wir dir und Mde Klauck wie Sie es am besten finden wir werden immer bereit sein, Nur wünschen wir daß du ganz Gesund und Munter aus dem Bade zurück kommest die Witterung ist dieß Jahr sehr günstig, Nicola Demuth, Herr und Mde Sebald, die alten sind auch schon fort nach Wiesbaden, die Herrn Cetto und Rautenstrauch sind mit einander, ich weiß aber nicht in welches Bad, von P. Jacob haben wir seid Ostern nichts mehr gehört, hat Er noch nicht nach Trier geschrieben es ist schon so lange.

    Jndem wir alle und Mde Klauck dem bruder und dir Empfehlen Gratuliren wir dir zu deinem Namens Feste und wünschen dir von Herzen alles Gute in der Hoffnung noch einige Zeilen vor dem Bade von dir zu erhalten und bleiben wir wie allezeit

    Deine getreue Mutter und Schwester C und L. Steininger

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Essen am 11. August 1833

Lieber Bruder!

    Ich freue mich sehr, daß dir die Bäder wohl bekommen sind, und daß sich deine Gesundheit immer mehr und mehr befestigt. Es sind auch mehrere Essender in Wisbaden gewesen. Obgleich ich mit allen sehr bekannt und selbst befreundet bin, so habe ich es doch unterlassen dich auf dieselben aufmerksam zu machen, weil es formelle Welt-leute sind deren Bekanntschaft für dich wohl schwerlich von Interesse würde gewesen sein. – Wenn unser Bruder Richard bald eine Domherrenstelle bekommen sollte, so würde dies mir das Liebste sein was ich hören könnte. Er würde dadurch auf einmal allen den Unannehmlich-keiten entrissen, die ihm so das Leben verbittern.

    Meine Gesundheit ist in diesem Jahr nicht zum Besten. Ich hatte im Winter eine starke Erkältung. Ich suchte den Husten mir durch isländisches Moos zu vertreiben, was mir auch vollkommen gelang, so daß nicht einmal mehr eine Spur von dem Hüsteln übrig geblieben ist, was ich sonst immer hatte. Indessen stellt sich später einiges Blutspeien ein, was sich bis hierhin von Zeit zu Zeit wiederholt, jedoch ohne von Husten oder sonst etwas begleitet zu sein.

    Ich ließ mich daher für diesen Sommer von einem Drittel meiner Stunden dispensiren. Ich fing an, jeden Abend früh zu Bette zu gehen, im Tage viel zu spaziren, genoß nicht das Geringste von geistigen Getränken, brauchte den gan-zen Sommer hindurch Medizin, selbst 2 Monat lang die Mol-kenkur, und arbeitet nebenher nur das Nothwendigste. So ist denn meine Gesundheit wieder ziemlich hergestellt, und bedarf nur der Zeit und der Ruhe um sich wieder zu befe-stigen. Ich bin deshalb um Urlaub eingekommen, um vom 1. Sept. bis 1. November ganz frei zu sein. Ich hoffe während dieser Zeit so weit zu kommen, daß ich keine Spur von der früheren Schwäche mehr fühle, und meine volle Stundenzahl ist mir deshalb auf dem neuen Betriebsplan wieder zugetheilt worden.

    Der Arzt hat mir eine Ferienreise nach Hause untersagt, und zwar aus dem Grunde, weil ich durch die Reise zu viel angegriffen würde und besonders weil ich zu Hause zu viele Veranlassung zum Sprechen, also für die Lunge nicht Ruhe genug hätte. Ich theile ganz seine Ansicht, und werde mich daher in einiger Entfernung von der Stadt auf einem Dorfe einmiethen, um zugleich ungestört zu sein. Ich werde vorzüglich um Milchspeisen zu genießen suchen, und Ende dieses Monats für immer die Medizin daran geben. Meiner Mutter werde ich als Ursache meines Hierbleibens das Arbeiten angeben, und wünsche ich auch, daß du sie sowohl wie auch meine Schwester in diesem Wahne unter-hältest, weil sie sonst ohne Nutzen nur in Sorgen und Kummer sein würden. Ebenso bitte ich dich meinetwegen unbesorgt zu sein, weil ich selbst die Gefährlichkeit eines solchen Uebels viel zu deutlich einsehe und viel zu viele traurige Beispiele vor mir habe, um aus eigenem Antrieb nicht alles zur vollkommenen Beseitigung desselben zu thun. Wenn ich mich jetzt nicht schon so ziemlich gesund hielt, würde ich selbst dir nicht das Mindeste geschrieben haben, um dich nicht unnöthiger Weise zu beängstigen, wie es bei solcher Entfernung gewöhnlich der Fall zu sein pflegt. Nun so wünsche ich dir und meinem Bruder dann von Herzen recht angenehme Ferien. Ich hoffe, daß diese deiner Gesundheit wieder sehr förderlich sein werden. Wie es mit mir aussehe, werde ich gleich zu Allerheiligen sehen.

    Ich grüße euch alle herzlich.

    Dein ergebenster Bruder P.J. Steininger

 

 

[Mutter und Schwester an Johann Steininger]

 

St. Wendel den 13ten Jänner 1834

Liebe Brüder!

    Nichts fält mir schwerer als daß wir den P. Jacob nicht dringend hir gehalten haben, ich hatte gute Hoffnung auf die vollkommene Herstellung seiner Gesundheit, aber jetzt durch diesen rückfall weiß man nicht wie es geht. Nicola ist mit Lehnchen und Katschen [Kathchen] Gestern auf der Post abgereißt, um zu sehn wie es mit ihm ist, können sie ihn mit bringen so warten Sie lieber etliche Tage auf ihn bis er so weit ist. und sehn Sie daß dieß nicht kann sein, so bleibt Katschen bey ihm bis es geschehen kann, und solte es noch etliche Monath dauren. Die bedürfniße will sie alle selbst besorgen, wenn Sie nur einen Ofen zum Kochen stellen können, solte es Katschen Schwerfallen allein dazubleiben wenn Docktor abreißt oder ist sonst nöthig dann läßt er auch das Kat-schen dort, sonst aber bringt er es mit zurück. mir war es unmöglich die Reiße vorzuneh-men so gern ich ihm auch dienstlich wäre, und hätte ich auch wegen meiner gekönt, sowäre es unmöglich wegen meiner Mama, da muß ich noch tag und Nacht auf den Beinen sein, aus nothwendigkeit für mich lege ich mich gegen 2 Uhr schlafen und dann spüre ich es doch immer daß ich nicht da vor, Sie wär jetzt zimelich gut genäßen, nun hat Sie nochmal den Husten, und so getrößte ich mich für den ganzen Winter, wenn ein übel fort ist dann ist das andere da, an Fleisch nimt Sie zu aber an den Nerven ist Sie noch schwach. deswegen muß immer noch auf das aeußerste gesorgt werden und ist für mich an keine entterung zu denken. die Kathchen wird aber soviel als möglich sorgen, ich zehle noch immer das gute. Wir danken für den Schlafrock er ist sehr gut und nüzlich für sie mit dem was er kostet werden wir wenn wir zusammen kommen aus machen, ich bitte der Frau von Stein zu sagen daß dieses Jahr gar kein Dirmel zu haben ist ich habe mich über all erkundigt und bekomme keinen es ist mir sehr leid, bitte auch unser empfehl an Sie mit sehr gild Ihre Mutter, auch Mille Mutter mit Vater, auch grüßen wir Sie mir Mde Klauck herzlich

    Ihre getreu M. u S. C . und K. Steininger

 

 

[Nikolaus an seinen Bruder Johann]

 

St. Wendel den 27. Februar 1834.

Lieber Bruder!

    Wie dir bekannt, sind wir schon seit 3 Wochen von unserer Reise zurück; auch wirst du das Wesentliche über die Krankheits Umstände unseres Bruders P. Jakob durch Katherin bereits erfahren haben. Ich würde dir auch gleich nach meiner Ankunft in St. Wendel deshalb selbst ge-schrieben haben, allein die Geschäfte haben sich hier seit meiner Abwesenheit sehr gehäuft, und zudem wurde ich selbst krank, so daß ich es bis jetzt unterlassen mußte.

    Wir kamen den 4ten Tag Abends 9 Uhr glücklich in Essen an, und hörten sogleich von unserem Wirthe, bei dem P.J. in den letzten Zeit in Kost war, daß unser Bruder sich vollkommen auf dem Wege der Besserung befände, und sogar die Speißen von der Mischtafel, so wie früher, wieder genießen könnte. Am erstern Tage Morgens giengen wir gleich zu ihm, fanden ihn durch den Wirth auf unsere Ant-wort vorbereitet, aber dennoch ziemlich ungehalten da-rüber, weil er glaubte, unsre Reise sey ganz unnöthig ge-wesen! - Ich ließ ihn im Verlaufe des Tages seine Kran-kengeschichte erzählen, beobachtete ihn ein paar Tage lang sehr genau, ohne etwas in Anwendung zu bringen, und fand, daß er an einem heftigen Lungenkatharr leidet, den er für unbedeutend geachtet, und deshalb auch von seinem Arzte ganz nachlässig behandelt worden war; dabei ist er ausserordentlich reizbar, und wegen einer mangelhaften Diät etwas magerer wie gewöhnlich. Von dem Projekte, mit uns nach Hause zu reisen, wollte er durchaus nichts hören, so stark ich ihm deshalb auch zusetzte; er meinte, und glaubte fest daran überzeugt zu sein, daß eine Reise bei dieser Jahreszeit und Witterung, und wenn auch die besten Vorkehrungen getroffen würden, für ihn nur sehr schädlich sein müsse, und die schlimmsten Folgen dadurch entstehen könnten; ebenso wenig aber, ja unter keiner Bedingung wollte er zugeben, daß Lehnchen und ihre Schwester zur Pflege und Aufmunterung bis zum Frühjahr, oder nur auf einen Monath, bei ihm bleiben sollten, obschon sein Haus geräumig, und die schönsten Zimmer dazu vorhanden sind, kurz, ich gieng ihn deshalb so an, daß er gleich böse gewor-den ist, wenn ich nur daran zu sprechen anfangen wollte. Durch den Direktor des Gymnasiums, durch seinen Arzt, und durch seine sonstigen Freunde glaubte ich ihn dahin bringen zu können, daß er den einen oder den anderen Vor-schlag annehmen würde, allein er blieb dabei und alles war vergebens. -

    Da ich nun sah, daß auf diese Art nichts anzufangen war, so kamen wir miteinander überein und fanden es am gerechtesten, ihm eine eigene Haushaltung einzurichten, was er auch um so eher zugab, da er früher schon eine Zeitlang eine für sich geführte hatte. Wir ließen ihm daher gleich eine Küche herrichten, dingten eine Magd, die ihm früher schon fünf Jahre lang zu seiner vollkommenen Zu-friedenheit bedient hatte, und in der That auch eine gute Köchin und sonst in jeder Hinsicht eine gute Magd und Haushälterin zu nennen ist. Seine Körperpflege und Com-missionen werden durch einen ebenso guten als treuen Burschen, der ihn ebenfalls schon seit mehreren Jahren bedient und deshalb seine Eigenheiten genau kennt, aufs beste besorgt; er ist vom dort stehenden Landwehrbatail-lon. Wie schon gemeldet, bezog er früher sein Essen aus dem Hauße, wo wir logierten, er bekam also das Essen ent-weder versalzen, oder sonst schlecht zubereitet, und natür-licherweise nur zur bestimmten Stunde, wo er nachher für die übrigen Tageszeiten nichts hatte! -

    Sein Arzt der ihn früher nur alle 5-6 Tage besucht hat, kömmt nun täglich, auch habe ich mich fast jeden Abend mit ihm über die Krankheitsumstände unseres Bruders besprochen, und ihm zuletzt meine Ansichten in Hinsicht der Therapeut. Behandlung schriftlich mitgetheilt, so wie ich auch meinem Bruder eine Vorschrift über Diät hinterlassen, und seine Köchin in der Zubereitung der Speißen und Ge-tränke hiesiger Gegend einigermassen unterrichtet habe. Zudem hat sein Arzt, Dr. Gützloe, mir versprochen, ein Diarium zu führen, und mich von Zeit zu Zeit von dem Befinden unseres Bruders in Kentniß zu setzen. Uebrigens ist P. Jakob gesonnen, bis zur guten Witterung im Frühjahr in Essen zu bleiben, alsdann aber bis gegen Pfingsten hin, auf einen ihm befreundeten Bauernhof an der Ruhr, zwei Stunden von Essen, zu ziehen, um allda eine Milchkur zu brauchen, und nachher erst über Trier nach St. Wendel zu kommen, wo er alsdann bis zu seiner vollkommenen Gene-sung und Herstellung seiner Gesundheit verbleiben will. Da-mals, als wir dort waren, lag P.J. schon nicht mehr alle Tage zu Bette, sondern las leichte Schriften, oder er spatzierte im Zimmer auf und ab. Ob er nun den kom-menden Herbst seiner Stelle, so wie früher, wieder vor-stehen, oder irgend eine andere der Art begleiten und über-nehmen könne, weiß man jetzt noch nicht, da es sich bin-nen weniger Wochen entscheiden muß, ob sein Zustand einen chronischen Charakter anzunehmen droht, oder nicht; am besten also, man wartet noch einige Monathe: Von Professor Catzbach und Dr. Gützloe habe ich schon Briefe erhalten, worin mir gemeldet wird, daß unser Bruder seit meiner Abreiße von dort sich noch nicht viel besser, aber auch nicht schlechter befinde. Ich erwarte Chocolade für P.J. von Mainz und werde so bald dich selbige erhalten, an ihn schreiben, und die pertinirten Briefe sogleich beant-worten.

    Mit unserer Mutter geht es ziemlich langsam; ich wünschte sagen zu können, es gienge besser, allein, die Gicht hat Kopf und Brust noch nicht verlassen, so viel Mühe ich mir auch deshalb gebe. Sie befindet sich einen Tag bes-ser wie den andern, ist eines tags von morgens 9 bis 10 Uhr bis gegen Abend auf; ißt und trinkt, aber dennoch will keine vollkommene Besserung eintreten!

    Es grüßet dich dein Bruder N(icola) Steininger

PS: Meinen Gruß und höfliche Empfehlung an Madame Glauck.

 

[Mutter und Schwester an Richard Maria Steininger]

 

Sr Hochwürden Herrn Herrn Steininger

Sub=Regens und Professor im bischöflichen Seminarium in Trier

 

St. Wendel den 2. Jänner 1836.

Liebe Brüder

    Heute erhielten wir Ihren Liebevollen NeuJahrs-Wunsch, den wir sogleich mit Herzlichster GegenLiebe erwiedern für Sie beide und Mde Klauck mit Bitte uns nicht zu verüblen daß wir Ihnen nicht eher geschrieben haben, wir wußten besonders nicht zu schreiben wollten daher warten bis gegen Neu-Jahr, da wurde unsere Magd krank da ging mir die ganze Zeit dahin und konnte nicht zum schreiben kommen bis jetzt, da es wieder auf ist. Mit der Gesundheit meiner Mama gieng es zimlich gut wenn der Husten Sie nicht so oft plagte aber in dem Tage wo Sie von hirab reißten bekam Sie den Husten, und konnte nicht mehr aus-gehn bis End November ging sie eingemal in die Kirche und war gut bis den Tag wo der Kaplan und bruder von hier abreißten bekam Sie in der Nacht den Husten so stark daß er nochmal bis hirhin angehalten hat jetzt ist er erstmal fort, ich will Sie jetzt gar nicht mehr in die Kirche gehen lasen und wenn Sie noch so wohl ist bis das Frühjahr, ich wollte es Ihnen nicht durch Bruder Klein sagen laßen um Sie nicht zu beunruhigen.

    Die Schuhe thun Ihr herliche Dienste wofür wir vielmal danken so wie auch nochmal für die Mäntel Sie sind recht schön, auch der Ketchen ihren ist angekommen, Sie freuet sich außerordentlich damit eine größere Freude hätten Sie Ihr nicht machen können, alles spricht von dem Schönen Mantel von der Näherin ohne daß Sie ihn an hatte Gestern sollte er gezeigt werden da wurde Sie unwohl daß Sie nicht konnte in die Kirche gehen bis Morgen. Mde Klauck hat schon so viel Mühe um uns gehabt wir danken sehr für alle besorgungen. durch H. Kaplan und bruder hörten wir, wie auch durch Ihren brief daß Sie alle recht wohl sind worüber wir uns sehr freuen sorgen Sie auch daß es so fort geht und Sie sich nicht erkälten, mit uns übrigen geht es zimlich gut, und von Neuigkeiten weiß man nichts hir, als die Beilsteins kam ganz freudig uns sagen daß Ihr Sohn gewiehen [geweiht] worden sey; H. Kaplan glaube ich wird jetzt richtig hir bleiben bis er Pastor wird, wie oft er aber noch nach Trier geht bis dahin wird man sehen, er fing neulich an wenn ich noch eine Stunde muß hir bleiben muß ich sterben und ging gleich fort. der Bruder von hür in die Kirch zu gehen gekommen und mußte mit gehen ohne noch nach Hauß gehen zu dörfen. Das Buch hat er bey uns der Catechen gegeben und war Seid noch nicht in Docktors gewesen. H. Pastor war noch Gestern oben, bey diesem werde ich auch ihm Ihren Neue Jahrs Wunsch ausrichten Nicola sagte er wolle selbst schreiben.

    Mit der Bitte unsere Empfehlung an bekannte, wo es nötig ist Zum Neuen Jahr zu entrichten Wünschen wir Ihnen beiden mit Mde Klauck nochmal von ganzen Herzen alles Gute verbleiben

Ihre getreue Mutter und Schwestere

 

 

[Mutter und Schwester an Richard Maria Steininger]

 

St. Wendel den 16ten Merz 1836

Lieber Herr Bruder!

    Wir freuen uns, daß Sie alle sich wohlbefinden, und daß die Ostern so schnell nahen wo wir uns wieder sehen, es wäre uns doch sehr lieb wenn Johann könnte mitkommen weil es doch 14 Tage sind die Er ohne bestimmte Geschäfte in Trier zubringen muß. Doch können wir es nicht an rathen, oder grade verlangen, weil wir von ganzem Herzen seine Gesundheit wünschen, müßen es also seinem gutdün-ken überlaßen. Das Schässchen werden wir Mittwochs schicken und Sie donnerstags erwarten, aber an die Stu-denten müssen Sie sich nichts kehren, denn ohne das Schässchen auß zu laßen könen Sie sie ja nicht mit bringen und darzu ist es zu kalt. Sie würden sich ganz verderben, sogleich bewegung in der Luft zu sitzen, und das Schäßchen würde auch schwerlich aushalten, wenn Sie noch so walten zu sich nehmen, und nur einen so gäbe es verdruß bei den andern, der Anton wäre der kleinste. Aber diese verdienen es gar nicht daß man sich Ihnen annimt, und würde bey Kellers der größte verdruß geben, un um gekehrt wenn Sie einen von Kellers mit brächten, daher rathen wir sich an keinen zu kehren wenn Sie nicht Feindschaft stiften wollen, wir bekämen nicht einmal Dank dafür viel weniger sonst etwas und hätten auch noch die Zehrung auf dem Wege zu besorgen. Kellers sagten schon ihre könnten mit Fuchs kommen doch ehe Sie dort abreißen bitten wir durch das Catchen in Henlingers Apotheke für 2. Groschen Spanische Mücken nehmen zu laßen und uns mit zu bringen. Riegel giebt uns keine ohne Recept und der Doctor will den Riegel nicht so kitzeln und vor zu schreiben weil Rigel weiß daß wir Sie für uns brauchen, die Salbe aus der Apotheke thut zu wehe, deswegen müßen wir uns selbst machen, den Sommer laßen wir uns solche selbst fangen.

    Hier finden wir uns alle recht wohl und wünschen daß Sie sich alle recht wohl halten. Bis hin sie zusammen treffen sollte unser Bruder nicht herkommen so wünschen wir Ihm vergnügte Oster-Ferien und grüßen Sie mit Ihm und Mde Klauck vielmal, verbleibend

    Ihre getreue M. und Schwester C. und L. Steininger

    H. Kaplan Schnur ist sehr froh hir bleiben zu können.

 

 

[Mutter und Schwester an Richard Maria Steininger]

 

St. Wendel den 23ten Mai 1836

Lieber Herr Bruder.

    Nehmen Sie uns nicht uebel daß wir nicht eher geschrie-ben haben. Wir hätten es längt gerne gethan wir wußten aber nicht was wir Ihnen schreiben solten und so auch unserm Bruder jetzt aber da er uns mit den schönen Kleidern überrascht hat, hätten wir ursache, und weil Sie beide nach Nicola fragten, der gieng wieder aus und hatte sich Mutwillig krank gemacht, ist jetzt aber wieder ganz besser und hätte wollen heuth zu uns kommen es hat aber geregnet daß er nicht konnte, denn jetzt hat er zu sorgen wenn er das ganze Jahr nicht will verlihren an der Schuhle, ich fühle er wird bald kommen. Mit uns geht es auch ziem-lich gut nur müßen wir uns war halten, welches wir auch Ihnen wie dem Bruder anrathen so auch recht viel mit Ihm spatzieren zu gehen, und alles auf die Gesundheit zu richten.

    Ihr Schwarzes Halstuch habe ich in die Mitte des Kist-chens in Papiere ein gelegt, wenn Sie es noch nicht gefun-den haben, so laßen Sie das Cethchen einmal suchen in dem alten leintuch welcheß in dem kistchen war ob es nicht darin verwickelt ist oder haben es mit etwas anders gegrif-fen und weg gelegt, es ist nicht hier und ich weiß ganz be-stimmt daß ich es gut eingepackt habe. Ich hoffe, daß es sich findet.

    Ihre 4 Hemter habe ich hir behalten wir haben sie mit gewaschen Sie brauchen den Herbst keine mit zu bringen, ein Kragen, ein P. Strümpfe und ein Sacktuch habe ich auch hier welches ich repariren will.

    Weil ich zu erst für unseren Bruder geschrieben habe erlauben meine Augen nicht mehr, muß daher schließen es ist auch hir weiter nichts vorgefallen, alles im alten sobald wir etwas bestimmtes wissen, werden wir gleich und neheres schreiben Doctor bey dem lieben H. Pastor auf Besuch ist Kellers und wir alle grüßen Sie recht herzlich.

    Ihre getreue M. u. Schwester

    C und L Steininger

 

 

[Johann Steininger an seinen Neffen Johann Keller]

 

An Johann Keller

Bonn, Brüdergasse 1041

Trier den 13ten Dec. 1836.

Lieber Johann!

    Dein Brief war mir sehr angenehm, da ich schon lange nach demselben gesucht hatte, und zu wissen wünschte, ,wie dir deine Umgebung sowohl als auch die gewählten Stunden gefallen möchten, daß du mit beiden ziemlich zufrieden bist, ist mir um so lieber, da ich versichert bin, daß sie dir später noch besser gefallen werden. Ich dachte vor dem Termin nicht daran, sonst hätte ich dir Flangies System der Gesetzgebung mittheilen können, welches dir gewiß recht gut gefallen haben würde; aber du kannst es auch einmal in den Papieren zu Hause lesen. -

    Es ist mir sehr lieb, daß du dich mit den übrigen Studen-ten nicht abgibst, und deine Zeit gehörig zu benutzen suchest. Da du an Schuster und Sattingen recht brave Cameraden sagst, wirst du andere Gesellschaft auch wenig vermissen. Grüße Sie und auch Montigny, wenn du sie siehst, so wie auch die übrigen Bekannten, die sich allenfalls nach mir erkunden. Ich bin noch immer sehr viel heißer, im Übrigen aber stärker und gesünder als früher; ich glaube, daß mir die Moselbäder sehr viel genützt haben. Mein Bruder am Seminarium ist auch öfter unwohl, ohne doch bedeutend kränker zu seyn; aber der Nicola hat wieder ein besseres Aussehen als früher, und er ist munter. Er scheint mit Hermann GUT zu harmoniren; dagegen dass Anton noch immer die alten Klagen veranlaßt. Von Hause haben ich keine andere Nachricht, als daß die Tante wieder eine Augenentzündung hatte, doch nun nochmal besser ist; auch sagt der Nicola, daß der Richard gegen Christtag vielleicht hierher kommen wird. -

    Hier ist alles beim Alten. H. Briesch will Ostern nach Paris fahren, um dort zu bleiben. Mainzer hat daselbst ein Unterkommen in einem Pensionat, unter ziemlich vortheil-haften Bedingungen besorgt. Weiter weiß ich dir nun nichts zu schreiben, als daß Madame Klauck, mein Bruder und der Nicola dich herzlich grüßen; lebe recht wohl, schreibe öfter, und denke zuweilen an deinen ergebensten

    J. Steininger

 

 

[Nikolaus Steininger an seinen Bruder Johann]

 

St. Wendel den 16. Febr. 37

Lieber Bruder!

    Anton schrieb mir, daß nun auch zu Trier die Grippe allenthalben ausgebrochen sei, daß er selbst sehr heftig daran leide und beklagt sich nebenbei über eine mangel-hafte und nachlässige Aufwartung von Seiten seiner Hospite.

    Seine Mutter ist durch diese Nachricht sehr ergrifen und hat keine Ruhe mehr. Lasse dich daher herzlich durch die Katchen W. über sein Befinden erkundigen, und sei so gut, es mir gleich, und zwar mit eingehender Post, zu melden, damit ich im Stande bin, nöthigenfals die geeigneten Maßregeln zu ergreifen. Sollte er wirklich sehr krank sein, Echt bedenkliche Symtome zeigen, oder sollte die Haupt-krankheit bereits vorübergegangen, und Nachkrankheiten sich einzustellen drohen, so würde es wohl, schon seiner Mutter wegen, am Besten sein, wenn ich, ihn zu besuchen, nach Trier käme, oder, im anderen Falle, da doch die Ferien so nahe sind, wenn ich ihn gerade, damit er besser ver-pflegt würde, mit nach Hause nehmen könnte. Wir befinden uns hier so ziemlich wohl, und grüßen Euch alle recht sehr.

    In der Hoffnung, dich bald hier zu sehen.

    Dein Bruder N. Steininger.

    Einen besondern Gruß von mir und Lehnchen, an Madame Glauck nicht zu vergessen

 

[Der Rest der Seite wurde als Einkaufszettel verwendet. Der größte Teil ist abgerissen. Oben links steht in Bleistift das Wort „Fleisch“, darunter folgt „Salz“, „Zucker“, „Gemüs“. Am unteren Rand steht wieder in anderer Schrift und mit Tinte „fols“ und „Hauerlohn“. Die Rückseite fehlt ebenfalls zum größten Teil, am Rande findet sich wieder eine Liste mit den o.a. „Zutaten“.]

 

 

[Philipp Jakob Steininger an seinen Bruder Johann]

 

Sr Wohlgeboren

Herrn Joh. Steininger

Professor am Gymnasium in Trier

 

Trier, den 10ten September 1837

Lieber Bruder!

    Wir kamen bei schlechtem Wetter gut hier an, und fan-den alle mit Ausnahme des Nikola recht gesund. Das Bad ist Nikola nicht gut bekommen, so daß er stark den Husten bekam und die Füße ihm dick wurden. Mit dem Einen wie mit dem anderen wäre es vermutlich schon ganz gut, wenn er sich zu halten wüßte; aber kam war er einige-mal so ziemlich in der Reihe, als er sich auf ein Neues erkältete. Wenn das Wetter gut bleibt, so will er täglich wie-der aus-fahren, was er wegen des langen Regens unterlassen mußte.

    Hoffentlich wirst du ihn wieder ganz hergestellt finden. Schulrath Gratz war mehrere Tage hier und hat mich auch besucht. Ich war zweimal in Jochems um ihm meinen Gegenbesuch zu machen, traf ihn aber nicht, und den Tag darauf hatte er Morgens und Nachmittags Examen, wes-wegen ich nicht mehr zu ihm kam. Es wäre mir lieb, wenn du Gelegenheit fändest, mich zu expensiren. Heute Morgen reiste er von hier ab. Ich wollte ihn noch diesen Morgen besuchen, und schickte deswegen unsere Magd in Jochems, aber Madame Jochem ließ mir sagen, daß er schon abge-reist sei.

    Wenn du den Postwagen benutzen willst, so hast du einen schönen gut geschlossenen Wagen, den ich selbst gesehen habe, und bist Mittags in St. Wendel. Er geht Mon-tags, Mittwochs und Samstags, und der Preiß ist 2 Thlr 26 Sgr. Es ist zwar etwas unangenehm, schon um 2 Uhr Nachts einzusteigen, weil aber der Wagen geräumig und durch Fenster gut geschlossen, so glaube ich, ist es bei der schon rauhen Witterung für dich besser, als in einem anderen Wagen herzufahren. Uebrigens ist hier alles beim Alten.

    Mit unserem gemeinschaftlichen Gruß an Dich und Mde Klauck.

Dein Bruder P. J. Steininger

 

 

Testament von Nicola Steininger

 

14.02.1838

    Vor uns unterschriebenen Nicolaus Hen Königl. Preussischen Notar zu St. Wendel wohnhaft, Kreis gleichen Namens Landgerichts-Bezirk Saarbrücken und im Beisein nachgenannter Zeugen folgende uns nach Namen Stande und Wohnhort bekannte Personen erschienen sind, als Herr Nicolaus Steininger Doctor der Medizin in St. Wendel wohnhaft, Und erklärte, da er keine Descendenten habe, so wünsche er zu bestimmen wie es dernägst bei seinem Ableben mit seinem Vermögen gehalten werden soll.

    Fordere demnach auf, seine letzte Willensmeinung zu Protokoll zu nehmen, welche er in Gegenwart endes ge-nannter Zeugen uns dictirt hat und wir Notaer eigenhändig in derselben Zeugen Gegenwart Wort für Wort so wie er sie uns dictirt hat niedergeschrieben haben: Bei meiner Ver-heurathung mit meiner Ehefrau Helena Kirsch wurde kein Ehevertrag errichtet wodurch die legale Gütergemeinschaft geändert worden wäre und da meine Ehefrau ein ziemlich bedeutendes Mobiliar-Vermögen von ihrem seeligen Vater ererbt und während unserer Ehe von ihrer Mutter erhalten hat, so ist solches Mobiliar-Vermögen in unsere eheliche Gütergemeinschaft geflossen und zur Hälfte mein persön-liches Eigenthum geworden.

    Da es aber meine Absicht nicht ist, daß wir diesem ein-gebrachten Vermögen meiner Ehefrau Meine Verwandten etwas zu theil werde, so vermache ich hiermit meiner Mut-ter und Geschwister alles dasjenige für erb und eigen-thümlich was ich von meinem seeligen Vater an Vermögen jeder Art ererbt habe und meine gedachte Mutter und Ge-schwister heute noch im Besitze haben dergestallt, daß Nie-mand befugt ist, irgendeinen Anspruch wegen diesem Ver-mögen zu machen. Treffend dasjenige, was ich außer-dem von meinem seeligen Vater ererbten Vermögen, besitze, ist solches während meiner Ehe, von dem Vermögen meiner Ehefrau theils angeschafft, theils durch dasselbe erworben worden. Ich will daher, daß dereinst bei meinem Ableben meine Ehefrau und nach ihr ihre Erben, alles Vermögen, was wir gegenwärtig besitzen einschließlich dessen, was meine Ehefrau allenfalls noch bei ihrer Mutter beziehen kann, ausschließlich und eigenthümlich erhalten und behal-ten soll, so dass meine Mutter und Geschwister Mein natürliches bewegliches und unbewegliches Vermögen für sich und meine Ehefrau oder Ihre Erben alles Übrige erhalten sollen, was ich ihr in bester Form eigenthümlich schenke und vermache.

    Also geschehen zu St: Wendel in der Wohnung des Com-parenten in dessen Pavillon zu Niederweiler am vierzehnten Februar acht zehnhundert acht und dreysig um sechs Uhr Morgens in Gegenwart von Herrn Johann Schue, Director der höhern Stadtschule. Peter Kohl, Barbierer, Nicholas Breininger, Schneider, und Josef Koenig, Schuhmacher, sämtlich in St. Wendel wohnhaft gekannte und erbetene Zeugen, welche nach dem gegenwärtiges Testament dem Herrn Testator in ihrer der Zeugen Gegenwart durch uns Notaer vorgelesen dasselbe durch den Herrn Testator neuerdings bestätigt worden war, mit dem selben und uns Notaer eigenhändig unterschrieben haben.

    Auf der Urkunde sind unterschrieben:

    Nikolaus Steininger, Peter Kohl, Johann Schue,

Nicholas Breininger, Josef Koenig und Nicholas Hen Notär.

Befehlen und verordnen zugleich allen Gerichtsvollziehern die dazu aufgefordert werden gegenwärtiges zur Vollstrek-kung zu bringen. Unsere General Procuratoren und Procu-ratoren bei denen Landgerichten daßelbe zu handhaben, allen Commandanten und Offizieren der bewaffneten macht oder deren Stellvertreter, starker Hand zu leisten, wenn sie dazu rechtmäßig aufgefordert werden.

    Zu der Urkunde wurde ein Stempel von zwei Taler an cassiert.

 

 

[Mutter und Schwester an Johann Steininger]

 

St. Wendel den 6ten Sept 1839

Lieber Bruder!

    Hier das Numer der Tapette und ein Stückchen Bordur wovon wir noch 17 Ehlen brauchen. der Faden dabei ist ein Ehle. es ist uns sehr leid dich so oft darum Plagen zu müßen, besonders jetzt bey den Examen die aber Z. Glück bald zu ende sein werden. wir verlangen sehr darnach und wünschen dich bald rechtwohl hier zu sehen. Subregens ist wohl hier angekommen. Meine Mama befindet sich nochmal bey Teo mit Ihren Augen und Feiß geht es auch ziemlich gut. Neugkeiten sind keine hir zu erwarten daß wir uns bald hir sehen grüsen wir alle dich zusam in St. Wendel

    Zugleich verbleibe Dein getreu Mutter u. Schwester C. und L. Steininger

 

 

[Richard Keller an seinen Bruder Johann]

 

An Johann Keller consultator, Wohlgeboren

Trier, Neugasse Nr. 381

eilend

St. Wendel 28 Nov. 1839

Lieber Bruder

    Als gestern die Post abging war unsere Tante etwas bes-ser, seit gestern Mittag aber wurde es immer schlimmer und es hat dem Allmächtigen gefallen sie heute morgen um 10 Uhr von dem Irdischen abzurufen. Sie entschlief sanft und ruhig und man sahe keine Qual bei ihr. Sie wird bis Samstag morgen durch 4 Geistliche begraben werden und auch zugleich ihre Aemter sein werden.

Herzlich grüßet Euch alle

     Richard Keller

 

Katharina Steininger, ledig

* 11.06.1796 St. Wendel

+ 28.11.1839 St. Wendel

Tochter von Nikolaus Steininger und

Maria Elisabeth Wassenich

 

    Unsere Großmutter findet sich gut in ihrem Schicksal, seid übrigens ganz ruhig, wir werden alles etwaige aufs beste besorgen.

 

[Richard Maria Steininger an seinen Bruder Johann]

 

St. Wendel den 11ten Juni 1841.

Lieber Bruder.

    Unsere Mutter war am Montag noch ganz in ihrem ge-wöhnlichen Wohlseyn und blieb noch länger als gewöhnlich auf, weil Hr. Pastor seinen gewöhnlichen Abendbesuch ver-spätete. Am Dienstag bekam Sie einen starken Durchfall, welcher anhielt bis Mittwoch. Nachmittags aber wurde es besser und Sie bekam eine Zeitlang Schlaf, worauf Sie zu ihrer gewöhnlichen Heiterkeit kam; aber der Schlaf machte unsere Schwester aufmerksam, indem sie dachte, es könn-te eine Erschlaffung folgen, und hatte keine Ruhe, bis Sie mit Hl. Sacramenten versehen war; wo Sie noch Hr. Pastor beim Fortgehen dankte, sich entschuldigte, daß Sie ihn be-müht hätte, und scherzend sagte: Nun haben Sie mich ja ganz fertig gemacht. Ungefähr eine halbe Stunde später wurde Sie so schwach, daß man Sie beim Sprechen nicht mehr verstand, und fiel in einen Schlaf, der bis in die Nacht anhielt; weßhalb unsere Schwester den Trost fragte, ob man Sie der Medizin wegen aufwecken sollte; der aber zur Antwort gab, daß der Schlaf besser wäre als Medizin. So wachten nun bei Ihr unsere Schwester, Elis, die Magd, und die alte Marian bis gegen 1 Uhr, wo Elis bemerkte, daß Sie den Athem tiefer als gewöhnlich zog und seine Mama fragte, ob er Sie wecken sollte; die aber antworte, daß der Trost es verboten habe, und wir warteten noch eine Zeit-lang, ohne ferner einen Athemzug zu vernehmen, und Elis bemerkte und sagte: Sie zöge ja keinen Athem mehr. Sie ließen darauf den Doctor rufen, der Sie untersuchte, und sagte, Sie habe wirklich keinen Athem mehr und auch der Puls fehle, man solle Sie noch ein paar Stunden liegen las-sen. So ist unsere Mutter gestern Nacht um 1 Uhr in buch-stäblichen Sinne im Herrn entschlafen, ohne daß man es gewahren konnte. Ich dachte schon nächsten Mittag nach Trier zurückzufahren, aber wegen der Octav müssen die Sterbeämter bis zum nächsten Sonntag verschoben wer-den.

Maria Elisabeth Wassenich

Witwe von Nikolaus Steininger

* 28.10.1767 St. Wendel

+ 10.06.1841 St. Wendel

 

    Mit Gruß von uns allen

dein Bruder R.M. Steininger

 

[Anna Maria Keller an Richard Maria Steininger]

 

[Die meisten Briefe sind recht gut erhalten, aber an manchen hat der Zahn der Zeit und der mancher Maus bös dran genagt. Nur noch Fragmente sind erhalten, halbe Seiten fehlen. Aber mit ein bißchen Phantasie kann man immer noch erkennen, worum es darin ging. Wie in diesem Brief von Nikolaus Keller an Richard Maria Steininger aus dem Februar 1848.]

 

Herrn Subregens R. Steininger, Hochwürden, in Trier

Nebst einem Päckchen mit Adresse

 

02.1843

 

(Seiten fehlen zur Hälfte)

 

Herrn

Subregens R. Steininger

Hochwürden in Trier

Nebst einem Päckchen mit Adresse

 

__ Hornung 1843

_______________________nis ___ paar Strümpfe ___

________________ gesponnen worden, und durch das

_________________ daß ich mich bald schäme, für sie

________________iltem Wetter, könnten Sie vielleicht

___________ besorge Ihnen für den Sommer bessere, es ist

_________ jetzt nicht mehr schicken kann, und daß (ich) die

____Z__leicht aus gefallen sind und auch zu gleich weil es so

______gangen ist, ich war ettliche Wochen unwohl und hatte

mit den beyden Heuraten mehr als sonsten zu thun, wir sind

jetzt mit allem in Ordnung, und wir freuen uns, wenn Sie bis

Frühjahr hierher kommen können, Elias hat zwar gleich seine

Haushaltung angefangen, aber so eingerichtet, daß Sie nicht

im geringsten in Ihrer Wohnung gestört sind, so wie wir im Herbst

mit Ihnen geredet hatten, wenn Sie hierherkommen so wünschte

ich mir 2. tag früher ein Brief von Ihnen, damit alles in Ordnung

beyde Pfarr_______________________________________

derheit ausge______________________________________

Haushaltung, und was ______________________________

besten einzu richten, Sie ____________________________

abgesagt, Sie sagte gleich ___________________________

nicht sein könnte, was Sie uns absehen _________________

und so das nämliche ist Kockler, so, d__n an ____________

das geringste tadlen kann, so freuen wir uns sehr, daß _____

mit beiden Partien ganz glücklich waaren, wo wir in meinem

Leben, kein unfrieden, oder etwas unanständiges zu fürchten

haben, denn eben so sind auch Ihren Familien. Die ausstatt-

ung für Elias giebt Richard, von dem Haus wo Er in Wohnt.

wir wollen es ihm verkaufen, weil er genötigt ist zu seinem

Geschäft und Haushaltung es besser ein zu richten, und

bekömmt deswegen viel zu bauen, wo Er schon für beydes gesorgt hat, Johann erwarten wir jeden Tag von Saarbrücken

sonst ist alles beym allten.

Deine Mutter und  Schwester

 

Könnten Sie uns nicht bei Herrn Schnur einige Zentner von zweijährigen Kartoffeln besorgen?

Meinen freundlichsten Gruß

Nkeller

 

Die Strümpfe möchten Sie gefäligt eine Nacht auf Stühl hängen, weil sie könnten ettwas trockner seyn.

 

[Richard Maria an seine Schwester Anna Maria Keller]

 

Trier den 22ten Januar 1853

Liebe Schwester!

    Ueber die Angelegenheit des Philipp-Jakob habe ich mit meinem Bruder zu wiederholten Malen gesprochen, und ob-gleich er anfangs dem Philipp-Jakob nichts zu vorwerfen schien, so kam er doch noch zu mir und sagte er hätte die Sache reiflicher erwägt und dem Philippp-Jakob aus meh-reren Gründen abrathen müssen in dem Garten hinter dem Haus zu graben und ein Gebäude darauf zu bauen; der Boden des Gartens bestehe in seiner ganzen Tiefe nicht aus Felsen, sondern aus Grund, und dieser müßte von der Hintergass aus schachtmäßig durchbrochen und ganz über-wölbt werden, was eine ausgehauene Ausgabe erfordere und doch nur einen gewöhnlichen Keller keinen Felsenkeller gäbe; dann wäre es im Interesse von uns allen daß dieser Garten, wenn er auch bei der Einrichtung nichts erträgt, in bezug auf das zukünftige Schicksal ___, das von allerlei noch nicht vorgesehenen Umständen abhängig seyn kann, beibehalten werde. Ob wir nicht in kurzem Krieg bekommen werden, ist noch keineswegs fest; viele Umstände deuten darauf hin. Dem Philipp-Jakob ist jedenfalls anzurathen, daß er bei dieser Lage der Dinge sein Vermögen nicht ver-baue und nachher mit Schulden anfange, was schon so manchem Elend gebracht hat. Madame Klauck hat seit der Vacanz, worin sie sich erholt hatte, wieder mehrere Rück-fälle erlitten und befindet sich sehr schwach und leidend. Gott gebe, daß sie sowohl unseres Bruders als auch der Kinder wegen noch am Leben bleibe. Ich und Bruder er-freuen uns außergewöhnlichen Wohlseyns, was wir auch Ihnen und ihren Kindern und Schwiegereltern von Herzen wünschen.

    Mit herzlichen Grüßen von Bruder, Mad. Klauck und Mariechen

    Ihr ergebenster Bruder R.M. Steininger

 

 

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

Am 23. Juni 1860 schreibt Anna Maria Steininger einen Brief an ihren Bruder „Herrn Professor J. Steininger Wohlgeboren in Trier“. Sie ist 71 Jahre alt und seit fast zwölf Jahren Witwe; ihr Ehemann Peter Keller, Bierbrauer  und Wirt im „Roten Haus“, ist schon 21 Jahre tot (deshalb W.K. = Witwe Keller). Johann Steininger ist fast blind und deshalb seinen Beruf frühzeitig aufgeben müssen. Frau Keller hatte eine Art Komma-Wut, sie setzte bei jeder pas-senden und unpassenden Gelegenheit ein solches. Davon habe ich ein paar weggelassen.

 

„St. Wendel den 23ten Juny 1860

Viel geliebter Bruder!

 

    Ich und alle die Meinigen, die ganze Familie Wünschen Dir Viel Glück zu Deinem Namens Tage, die Edle Gesünd-heit, Viel Besserung für Dein Auge, und daß Du noch Viele Jahre, diesen Tag, in Zufriedenheit und Vergnügen, möch-test zubringen, Geschäften wegen, kann jetzt Niemand von uns hier abkommen, so soll, und will ich Dir, im Namen der Familie, von uns Allen Viel Glück Heil und Seegen, und alles Gute, was Du Dir selbsten Wünschest, für Leib, und Seele, das wolle der liebe Gott! Dir zu Theil werden lassen, und geben.

    Noch ein besondere Gruß vom Notar, Er sagte mir, das Geld von der Eysenbaahn wäre noch nicht bezahlt worden, wenn Er sich etwas herum gearbeitet hätte, dann wollte Er nach Trier reißen, und wollte die Oncklen besuchen, Jetzt könne Er noch nicht.

    Was die Eysenbaahn betrifft, Sie wird ziemlich starck be-fahren, von Fremden, und allerley etc. Ich kann nichts anders als was ich davon höre sagen, denn ich war seit im Herbst nicht mehr vor der Stadt. Ich will mich doch, wie die Luft nicht mehr so rauh und Windig ist, mit jemand von den Meinigen hin gehen,

 

 

Es wäre an das Schlößchen, für den Baahnhoff an gebaut, und ettliche Gebäude für die Waaren auf zu bewahren, und die Werckstädten, seyen so groß angefangen, daß sich be-stimmt 300. Mann darinn beschäftigen könnten, die Gebäu-lichkeiten fiengen an der Tholeyer Straße, wo jetzt von Tho-mes Haus oder her geht, nächst bey der Johannes Brück, da fiengen die Gebäulichkeiten an bis wo man sich zur Fausen Mühl dreht oder wo man vom Schose [Chaussee] herunter zu der Wies ins Höfgen, und bis auf den Tholeyer Berg, es würde wie ein klein Dörfchen; weil unser Haus höher liegt als die Unter Gaß, wenn sie dann im Kelzweiler bey Weisgerbers durch fahren, so höhren wir sie wenn es still ist, schon Morgens um 5. Uhr schon Pfeifen und fahren, und auch noch Abends um 10. Uhr. es wird Täglich 7. mahl von Neunkirchen bis nach Creutznacht, und wieder zurück nach Neunkirchen gefahren, es ist auch ein Telegraf hier, er geht neben der Eysenbahn von Neunkirchen bey der Bahn hier durch bis nach Creutznach, seit dem die Eysenbahn befahren wird, ist es hier lebhafter wie vor heer, denn weil man in einem Tage weit fahren kann, so kommen Viele Fremden.

    Wir freueten uns, wenn Sie auch ein mahl wieder zu uns kämen, Sie könnten ja die Jungfer Theres mit bringen, und so Wünschten wir auch, daß unser Herr Bruder Canonikus, wo schon so lange nicht mehr hier war, auch wieder zu uns käme, wir würden uns gewiß darüber sehr freuen, wenn Sie Vielleicht kommen wollen, so bitten wir Sie, daß Sie uns vorher schreiben, dann könnt ihr einer von meinen Söhnen, oder Kockler Sie abnehmen.

    Viele Herzlichen Grüße von uns Allen, an Dich, und an Herrn Canonikus, an die Fräulein M: Hildt, und an die Jungfer Theres.

Anne Maria Steininger W.K.

 

    Als ich diesen Brief geschrieben hatte, bis zum zumachen, so gieng [ich] zum Notar, weil auch Morgen seyn Namenstag ist, und heute so warm, und schön ist, wo wir hier noch nicht Viel so schön Wetter dieses Frühjahr hatten, und ich nicht immer heraus gehen kann.

    Als Notar hörrete daß ich die Eysen [bahn] noch nicht gesehen hätte, sagte Er, er hätte so eben ein wenig Zeit, Er gienge mit mir, es käme so eben ein Zug, so giengen wir miteinander, da sah ich daß die Gebäude und alles noch größer und Schöner ist, wie ich im Briefe geschrieben habe, ich konnte mich nicht genug darüber wundern, denn ich hatte mir es nicht so schön gesehen, wie es ist, man erkennt sich nicht mehr.

    Ein Gruß von Weisgerber, Sie haben sich recht sehr gefreut, daß Sie so Freundschafftlich gegen den Karl waren, Er könnte nicht genug loben.

Viele Grüße von uns Allen        A.M. Steininger.“

 

 

    Die Verfasserin bezieht sich in ihrem Schreiben u.a. auf ihren „Herrn Bruder Canonikus“ Richard Maria Steininger.

    Der „Notar“ ist ihr eigener Sohn, Johann Nikolaus Keller. zwischen 1849 und 1875 Notar in St. Wendel.

    Jungfer Theres ist Professor Steiningers Hausmädchen. Fräulein Hildt ist seine Nichte Maria Theresia Antonia Hilt, geb. 25.06.1825 in Wadern. Sie ist die Tochter der älteren Schwester seiner Ehefrau. Sie arbeitet im Haus als Köchin und Haushälterin.

    „Thomes Haus“ ist das Anwesen „Brühlstraße 24“, das von 1839 bis 1868 dem Zimmermeister Nikolaus Thome und seiner Ehefrau Katharina Dörr gehörte.

    Bei der Familie Weisgerber aus dem letzten Absatz handelt es sich vermutlich um den St. Wendeler Unter-suchungsrichter Johann Weisgerber , später Landgerichtsrat in Saarbrücken, und seine Ehefrau Elisabeth Winterberg aus St. Wendel.

    „Weisgerber in der Kelsweilerstraße“ ist die Familie des Büchsenmachers Anton Weisgerber (1791-1881) und seiner Ehefrau Katharina Steininger (1799-1871). Ihr Wohnhaus steht am Bahnübergang gegenüber der Wingertstraße.

    Das „Schlößchen“, das zum Bahnhof umgebaut wurde, war die Sommerresidenz der Herzogin Luise in ihrer Zeit in St. Wendel. Erbaut wurde es während der Regierungszeit von Emil von Coburg (1816-1824). Nach dem Abzug der Coburger 1834 wurde „der Niederweiler Garten mit Pavil-lon“ im Dezember gleichen Jahres an Johann Balthasar Kirsch verkauft, der aber erklärte, er haben den Kauf für seinen Schwager, den Herrn Doctor Nikolaus Steininger (1799-1838), praktischer Arzt, und der Ehefrau desselben Helena geb. Kirsch (1809-1838), getätigt. Nikolaus war ein jüngerer Bruder von Johann und Richard Maria Steininger. Das Ehepaar Steininger starb im Jahre 1838 und hinterließ keine Nachkommen. Ihr Nachlaß ging an ihre Geschwister. Der Übergang des Geländes der Familie Steininger an die Eisenbahnverwaltung läßt sich in den Akten des Notars Kel-ler im Landesarchiv Saarbrücken nicht ausfindig machen; aber es dürfte diese Transaktion sein, weshalb die Brüder Steininger von der Eisenbahn Geld zu bekommen haben. Das Schlößchen fiel im Sommer 1890 der Spitzhacke zum Opfer.

 

 

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

Herrn Professor Steininger Wohlgeboren,

in Trier, Nagelstraße

 

St. Wendel den 30ten Dezember 1860

 

Lieber Bruder, und Fr: Hildt!

    Ich sammt allen den Meiningen unsere ganze Familie Wünschen Ihnen zu dem Neuen bevorstehenden Jahr, Viel Glück, Heil, und Seegen, die Edle Gesundheit, ja alles das Beste, was Sie sich selbsten Wünschen, und daß Sie noch recht Viele Jahre, möchten mit Guter Gesundheit und in einem Vergnügten Leben möchten zu bringen und über-leben und dann meistens einen Seeligen Todt.

    Wir haben so nächst wieder das 60.ste Jahr überlebt wo so Viele Menschen das Glück nicht hatten, so wollen wir denn dieses so nahe Verfloßene Jahr mit dem lieben Gott endigen, und das bevorstehende auch mit Gott! unserm Lieben Vater anfangen, und auf Ihn Vertrauen, der dann auch Gewiß, alles zu unserm Besten, und zu unserem Heile lencken und leiten wird.

    Was unsere Familie betrifft, so sind wir noch ziemlich vom Krankseyn befreit, als die Winter Plagen, wo bald jedes als etwas an sich hat, Vater ist auch jetzt weiter Gesund, jetzt haben die Kinder die Redeln, wo sie denn recht krank werden, und viele mit zu thun ist.

    H: Pastor war auch vor etliche Wochen krank gewesen, wo Er etliche Tage mußte im Bett liegen und in 14. Tag nicht konnte in die Kirche gehen, jetzt ist Er aber wieder Ziemlich Gesund aber Hr. Kaplan Herges ist schon bald ein Jahr, Krank, die mehreste Zeit Kranck, und muß öfter im Bett liegen, man glaubt, Er würde schwerlich ganz Gesund mehr werden.

    H: Jörg kann auch schon etliche Wochen nicht in die Kirche gehen, wegen seinem frühern Giegt Artigen Fieber, Vetter Wassenich, wo schon mehrere Jahre Brust leiden hatte und die mehreste Zeit sehr Eng war, und ist schon des wegen 14. Tage lang kränker geworden so daß Er selbst am Samstag den H: Kaplaan Verlangte, um zu beichten weil Er sich schwach fühlte, so ist Er heute Morgen Versehen worden.

    Der Alte H: Brug wo auch schon mehrere Wochen krank, Brust leidend, und krank ist wird auch schwerlich mehr gut werden, und so noch mehre, wo man Viel der Witterung zu schreibt, was mich betrift, so war ich seit anfangs Dezem-ber fast nicht mehr vor der Thür, als bey ettliche schönen Tage, wo ich dann in die Kirche gieng, und so lange diese Witterung an hällt, kann ich es nicht wagen, für vor die Thüre zu gehen, und muß mein Gebeth in meinem Zimmer-chen halten. ich habe schon früh im Herbst, dem Notar den Auftrag gegeben, Er möchte doch, so bald es Ihm möglich wäre, unnsere Familien Verhälltniße besorgen, weil Er aber Krank, und noch lange Unwohl war, wo Er das nöthigste fast nicht besorgen konnte, des wegen ist es so lange zu gegangen, und wo ich von Tag zu Tag Älter, und schwächer werde, so wünschte ich recht sehr, daß die Sache möchte, so bald wie möglich in Ordnung kommen, um damit später keine Verdrüßlichkeiten, oder Unangeneh-mes, Vorkommen soll.

    Das Rose, wo diesen Herbst nach Hause kam, wollte Schreiben, und so auch Franz oder Johann, dann wollte Nickola seyn Ernst, und dann wollten die übrigen nicht zu-rück bleiben, so habe ich es übernomen für Sie alle, wo der Brief dann auch zu dick geworden wäre.

    Viele Herzlichen Grüße von unserer ganzen Familie an Dich, an die Fr: Hildt, und an Fisch, und an die Jungfer Theres, so wie auch die Ihrigen und unsere guten Freunde; so eben hörte ich, daß Vetter Wassenich diese Nacht gestorben sey.

    Viele Herzlichen Grüßen von uns Allen

    Anna Maria Steininger Witwe Keller

 

    Viel Glück zum neuen Jahr

    von Ihrem treuen Neffen      Jkeller

 

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

An Herrn Johann Steininger Professor

Wohnhafft am Eck der Nagel Straße in Trier

 

St: Wendel den 6ten Hornung 1861.

 

Lieber Bruder, und Wehrteste Fr: Hildt!

    Ich muß mich entschuldigen, weil ich noch nicht an Sie geschrieben habe, wo Sie so sehr Freundschaftlich gegen unsere Familie waren und daß Sie uns so gleich geschrieben hat, und daß Sie haben helfen sorgen, daß alles zum besten gieng, dafür danke ich, und meine ganze Familie, meinem Bruder, und Ihr Fr: Hildt, Vielmahl herzlich Herzlich dafür, und was Sie Wünschen, Von unserm Seeligen Verstorbenen Bruder zu haben, das mögen Sie sich nehmen, es mag seyn was es will nach Ihrem belieben Nickola wäre schon zu Ihnen gekommen, aber Geschäften halber konnte Er noch nicht, und so auch Notar, Nickola mußte brauen, Morgen ist der Licht meß Markt bey uns ein Jahr Markt und und es sind noch 2. Versteigerungen vor Fassenacht bei Ihm, wo auch Notar halten muß, so kann keiner eher kommen, als bis nach Fassenacht Sie sind gesonnen den Tag nach Aschen Mittwoch donnerstags zu Ihnen zu kommen, wenn nichts besonders vor felt, und die Witterung so viel gut ist daß man die Möbel hier heer bringen kann. O! Wie sehr Leid war es mir, und auch den Meinigen, daß unser Bruder schon gestorben ist, wo wir uns noch gar nicht gedacht ha-ben, Der Liebe Gott! wolle Ihm doch seine Liebe, und Treue Freundschafft wo Er gegen uns Alle hatte, hundert fältig in der Ewigkeit belohnen. und wir danken Ihm bis in die Ewig-keit dafür, wir haben hier einen Hoch feyerlichen Gottes Dienst für Ihn, in unserer Kirche halten lassen wo nicht nur, was zu unser Familie gehört und angränzt, sondern die Kirche war sehr angefüllt von guten Menschen welche bey wohnten. O! wie wird mir der Anblick von seinen Möbel so traurig und empfindlich seyn.

    Wir bitten Sie; sehr, daß Sie doch, so viel wie möglich ist sorgen, und sich Vor Erkältung hüten damit Sie Aelter werden wie unser Seeliger Bruder war, wir Alle Wünschen, daß Du ein recht Alter Mann würdest. Was mich betrifft, so bin ich jetzt wieder ziemlich gesund, ich war aber seit anfangs Dezember erst nur etliche Mahl in der Kirche denn ich fühle mein Alter wohl sehr.

    Viele Herzliche Grüße von mir, und allen den Meinige an Dich, und an die Fr: Hildt, an den Herrn Fisch, und an die Jungfer Theres und an Alle guten Freunde, und ich Wünsche Ihnen Allen, die Edle Gesundheit, und noch ein recht langes vergnügtes Leeben.

    Anna Maria Steininger Wittwe Keller.

 

 

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

St. Wendel den 15. März 1861

 

Lieber Bruder, und Wehrteste Fr: Hildt!

    Ich habe Gestern Ihren Brief erhalten, und bin damit ganz ein Verstanden, und ist mir sehr lieb wenn wir dem Herrn Canonikus Schuh können eine Gefälligkeit mit etwas erweißen, denn Er war immer so sehr Freundschfftlich, gegen unsern Verstorbenen Seeligen Bruder gewesen, so bitte ich Dich, Du mögtest doch dem Herrn Canonikus Schuh den Chorröckel von unserem Seeligen Bruder schik-ken, und es ist mehr sehr lieb, wenn Er ihn annimt. Notar läßt dich besonders Grüßen, Er sagt mir, wenn Er, etwas Zeit zum Schreiben bekäme dann wollte Er dir, das ge-schriebene Buch von unserm Seeligen Bruder schicken. Wir sind dem Herrn Simon Viel Danck schuldig, und Wir dan-cken Ihm Herzlich für die Freundschafft, wo Er uns erzeugte, wegen dem Wein, wo Herr Simon sich deswegen bemühet hat, so müßen wir einstweilen es wegen dem Wein müßen beruhen lassen. Wir freuen uns, daß du mit den deinigen noch ziemlich Gesund bist. was mich betrifft, so nehmen die Alter schwäche, von Tag zu Tag mehr zu und das Elies ist fast den ganzen Tag auf, es ist mit seiner gan-zen Familie ziemlich Gesund, so auch meine andern Kinder, mit den Ihrigen.

    Wir haben unserm Mädchen schon vor ettlichen Jahre Versprochen, daß wir es einmahl nach Trier wollten gehen lassen, und weil bis Morgen Priester Weihen seyn, Braun wird Diacon, so ist seine Schwester, und noch ettliche Ver-wanten hin, und weil jetzt noch keine Aus er halbe Arbeit zu thun ist, so konnten wir es jetzt besser gehen lassen als im Sommer, oder Herbst so ließen wir es gehen dem Braun seyn Mutter thut Ihm unter der Zeit die Arbeit einen herz-lichen Danck dem Herrn Fisch, für das Andencken wo Er mir mit Nickola schickte aus dem gelobten Land, ich dancke Ihm sehr dafür Viele Herzlichen Grüße von uns Allen an mein Bruder, und an die Fr: Hildt, an Herrn Fisch, Herrn Simon, und die Jungfer Theres.

    Ihre Ergebene Anna Maria Steininger Witwe Keller

 

 

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

St. Wendel den 15ten Sept 1861

 

Lieber Bruder und Wertheste Fr. Hilt!

    Ich kam Abends um 6. Uhr Glücklich hier an, wo meine Kinder und Enkel mich auf dem Bahn Hofe erwartete, und mich abgenommen haben, Sie Freueten sich daß ich so Ge-sund wieder zurück gekommen bin, und fragten ob Onkel auch, noch recht Gesund wäre, als ich Ihnen dieses bejahte Freuten Sie sich. Etliche von meiner Enkel sind diesen Som-mer viel gewachsen, besonders dem Elias seyn kleinstes, das hatten Sie Stunden auf einem Stühlgen, oder sonst wo hingesetzt, wo es mit Spielzeug Spielte, wo es kaum 7. Monat alt war. Dieses wurde schon an dem Ersten Tage krank, wir dachten das würde Zähnger bekommen. Es be-kam die Brech Ruhr, wo viele Kinder in unserer Gegend be-kamen. Kocklers ließen sogleich den Docktor rufen, diese kamen täglich 2-3mahl, es nahm wie jemand großes Medizin ab, wir haben alles Mögliche gethan, aber es waren nicht zu erhalten, sondern am Mittwoch Abend 11. Uhr ist es gestorben, und ist Gestern Nachmittag begraben worden. Dieses ist die Ursache warum ich nicht eher geschrieben habe, wenn wegen dem Kinde war die Haushaltung in Unruhe und Stöhrung, wo auch dem Kockler seine Familie, so wie unsere, Täglich kamen, wo ich nicht eher Schreiben konnte, wo mir recht leid ist, und ich bitte Sie möchten mir dieses nicht übel nehmen, Elias hat jetzt nur mehr 4. Kinder, wo aber alle recht Starck und Gesund sind, aber schon 2 gestorben.

    Notar hat das wegen unserm Seeligen Bruder an die Regierung bezahlt mit 128. Thaler 20 Silbergroschen und Er will besorgt seyn, sobald wie möglich wegen dem Hospital und was noch zu besorgen ist, in Ordnung suchen zu bringen. Es muss in hiesiger Gegend noch weniger, als um Trier geregelt haben, denn die Gemüßer in den Gärten sind sehr von denen Raupen zerfressen und viel Verstört, so auch die Kartofflen, sind klein, und nicht sehr gut zum Essen, sie sind nicht gut gerathen, und das Wasser ist so klein, das die Miller fast nicht mehr mahlen können, Kockler musste nach Zweybrücken, mit Loh fahren um dorten Stoßen zu lassen.

    Äpfel sind auch selten zu sehen, hin und wieder ein paar Zwetschgen, so wie bey Trier, sonst ist alles ziemlich beym alten, unsere Familie ist jetzt ziemlich Gesund, und hoffen das doch von Ihnen. Vielen herzlichen Grüße von mir und der ganzen Familie, an Dich, Lieber Bruder, und an die Frau Hilt, einen Herrn Simon, Herrn und Frau Hesse, an die Jung Theres, und an alle die guten Freunde welche nach mir fragen. Lebt Alle Wohl und Vergnügt.

 

    Anna Maria Steiniger W. Keller

 

    Braun läßt Sie auch Grüßen, ich habe das Päckchen vom Herrn Fisch gleich abgegeben.

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

An Herrn Johann Steininger

Wohlgeborner Professor in Trier

Wohnhaft in der Brod Straße nächst bey Thrierischen Hof

 

frey.

St. Wendel den 5ten Hornung 1863.

 

Lieber Bruder, und Wehrteste Fr Hilt.

    Notar kam zu mir, und sagte, Er hätte schon vor ettliche Wochen an Dich schreiben wollen, aber Er hätte noch un-möglich gekönnt, Er wäre an den Weihnachts Feyer Tagen krank gewesen und auch noch nach heer und wenn Er Mor-gens auf stünde, so wären schon Leute da wo auf Ihn warten, so ging es bis in die Nacht, dann seye Ihm der Kopf und die Nerfen so sehr angegriffen, daß Er Unmöglich mehr etwas mehr machen könnte, und baat mich, daß ich doch die Schreiben mögte, Er hätte schon vor mehrere Wochen nach Saarbrücken geschrieben wegen dem Geld wo du noch an der Eysen Bahnen gut hast, um es zu bekommen, Er erwartet es jede Woche, aber es hat sich noch nichts gezeigt und ist noch nichts darauf Erfolg, Er fragt, die Pagd Gelder wären auch erst die halben eingegangen es wären guten Leute, Sie hätten sehr an Ihm angehalten, daß Er Johann doch noch etliche Wochen möge Geduld thun, und warten; dann würden Sie bestimmt richtig bezahlen. Notar sagte mir wenn du es aber Wünschest, dann wollte Er, dass was von der Versteigerung eingegangen sey, und die Zinzen von dem Kapital vom Gomm schicken, dann mit dem übrigen warten, bis das was von der Versteigerung noch bezahlt wird, und wir hoffen, daß auch unter der Zeit, dein Gut haben von der Eysenbahn bezahlt werden wird, damit Er alles beysammen schicken kann.

    Wünschest du aber jetzt Geld zu bekommen, so bitten wir dich, du mögtest uns deswegen schreiben denn es wäre uns sehr leid, wenn du deswegen schiniret wärest, so will Notar dir das eingegangene, und so viel Er kann, dir schicken. Ich hätte schon längst gewünscht zu erfahren wie Ihr mit der Neuen Wohnung zufrieden seyd, ob Ihr für die Zukunft noch mahl darinn bleiben werdet? Wenn Ihr nicht mehr darinn bleiben wollet, so bitte ich dich, du mögtest doch deswegen nicht etwas spaaren wollen, sondern wir Alle Wünschen, daß Ihr immer eine bequeme, gut gelegene anständige Wohnung haben mögten. Du brauchst ja auch nicht auf das billigste zu sehen, denn du bekömmst ja auch von hier vom Hause Zins, wo duch auch bis die Ostern bekömmst.

    Neues weis ich nicht zu schreiben als daß Herr Pastor von Bliesen, Namens Benz anfangs Jänner gestorben ist und H: Riotte gewesener Kaplan in Saarbrücken ist schon seit den Herbst hier, um sich zu erhohlen und sich gut pflegen zu können, Er ließt fast Täglich eine stille Messe, mehr kann Er nicht mehr thun, es ist bedenklich für Ihn wieder die Gesundheit zu erlangen.

    Was uns betrifft, sind wir in unserm Hause ziemlich wohl, die Annede ist auch diesen Winter gesunder wie voriges Jahr, aber die Rößgen ist die mehriste Zeit unwohl, Sie leidet sehr von Kopfweh und Krämpfe wo eine große Familie ist, ist im Winter bald immer etwas.

    Dem Elias seyn Franz ist vor 14. Tag nach Bließ Kastel für die Sarisidierey zu lernen, Er war 3 Jahr und 3. Monat bey seinem Onkel Richard der Jhn nicht gerne verloren hat, Richard aber sagte selbst, Er könnte es Ihm nicht an muthen daß Er länger bey Ihm bleiben sollte, denn Er wird im März schon 19. Jahr alt und kömmt schon in 1.1/2. Jahr in die Ziehung. Er ist fast so groß wie seyn Vater und Joh. arbeitet Fleißig am Handwerck. Er redet auch schon für bald in die Fremde zu gehen die 2. Jungen sind Fleißig und Brafe.

    Der junge Richard im Laaden ist auch seit den Herbst hier, aber Er soll bis dies Frühjahr nach Bordo auf ein Kontor kommen wo Ihm guten Freunde da zu geholfen haben.

    Ich sammt allen den Meinigen Grüßen Dich Lieber Bruder, die Fr. Hilt, Herrn Fisch, H: und Frau Simon etc. sammt allen guten Freunden die dich oft besuchen etc und auch die Jung. Theres

    Unsere Herzlichen Grüße an Euch Alle, und Wünschen Ihnen Allen ein recht Vergnügtes langes Leben.

    Anna Maria Steininger Witwe Keller.

 

 

[Anna Maria Keller an ihren Bruder Johann Steininger]

 

St. Wendel den 15ten Hornung 1863

Lieber Bruder und Wehrteste Fräulein Hilt!

    Wir freuten uns, als wir in Ihrem Briefe fanden daß Sie auch noch ziemlich Gesund sind. Mit der Rößgen ist es auch wieder besser, und geht bey guter Witterung wieder heraus. Und wegen dem jungen Richard ist es so, ein Sohn von der Rößgen Ihrer Schwester Namens Winsweiler, ist bey einem Herrn der ein Groß artiges Geschäfft hat, Er hat ohne Bordo ein Büro in Hawer und auch ins in Pariß dieser Winsweiler ist auf einem Büro Geschäffts Führer, und ist wegen seinem Soliden Betragen seinem Herrn sehr angenehm, dieser Winsweiler will Richard zu sich nehmen, und will für Ihn sorgen, Richard ist in den letzten Jahren sehr Starck und groß geworden, und weil Er schon ettliche Jahre von hier fort war, so glauben Sie nicht daß Er Heimweh bekäme, sein Vater wo viele Bekannten in Frank-reich und auch sonnst hat, will sehen, daß Er den jungen Richard hat an Ort und Stelle bringen kann. Kockler erkun-digt sich wegen dem Johann, um für Ihn ein ordentlich Platz bey guten Leuten zu erfahren, eher wollen wir Ihn auch nicht von hier fort gehen lassen.

    Nickola ist am Lager Bier, zu brauen, Er braut jede Woche 2. mahl. Er will sich einrichten, daß, wenn Ihm nichts besonderes vor kömmt, so will Er, am Ende März, zu Euch kommen, um den Wein wo du nimmst, in den Keller deiner Neuen Wohnung zu bringen, und den geringeren mit nach St. Wendel zu nehmen. Nickla will sich dann Etwas länger bey Ihnen aufhalten, um dann bey dem Umzuge Euch einen kleinen Dienst leisten zu können.

    Wir hoffen, daß Ihnen die künftige Wohnung besser gefallen Wert, wie die jetzige, denn sie ist doch in einer angenehmeren Straße, wo auch die Unruhen nicht so sehr groß ist, als wo Ihr bis heer gewesen waret.

    Viele Herzlicher Grüße von mir, und allen den Meinigen, von der ganzen Familie, an dich, Lieber Bruder, und an die Fräulein Hilt, Herrn Professor Fisch An die J. Theres und an Alle Ihre Guten Freunde wo dich oft besuchen und nach mir fragen.

    Ich verbleibe eine ergebende Schwester

    Anna Maria Steininger W(itwe) Keller.

 

Wehrteste Fräulein Hilt!

    Wenn Sie an Ihren Herrn Bruder Karl schreibt, so bitte ich Sie mögte doch Ihm, für uns Alle Cratuliren, Ihm und seiner Fr. Braut, statt unserer, Viel Glück Wünschen, Wir alle Wünschen Ihnen alles das Beste was Sie sich selbsten Wünschen, für Leib, und Seele, und weil Herr Karl immer ein sehr guter Christ war, so denke ich, daß Er auch gewiß auch eine gute Wahl wird gefunden.

    Unsere Herzlichen Glück Wünschen, sammt Vielen Grüßen von uns Allen, an Ihren Herrn Bruder Karl und an die Fräulein Braut auch an Sie und Alle die Ihrigen

 

    Ihre Ergebene Anna Maria Steininger W. Keller

 

    Ich muß mich Entschuldigen weil ich so fehlerhafft geschrieben habe, mein Kopf ist der art, daß ich nicht mehr besser kann, denn meine Vielen Jahre bringen das mit sich, so müßen Sie meinen Guten Willen für die That annehmen.

 

[Starker Satz!]

 

 

Nachruf

 

Hier ruht

Johannes Steininger,

Professor der Mathematik und Naturwissenschaft,

geboren zu St. Wendel am 10ten Januar 1794,

gestorben als 80jähriger Greis zu Trier den 13ten October 1874.

 

Er war allgemein beliebter Lehrer am Gymnasium in Trier und unterrichtete daselbst mit großem Erfolge 43. Jahre hindurch. Er war ein hervorragender und scharfsinniger Naturforscher, hatte aber auch bedeutende Kenntnisse im allen anderen Zweigen der Wissenschaft. Ehren wie selten jemanden treffen und eine ewige Liebe seiner Mitmenschen belohnten den Glücklichen während seines Lebens, aber auch nach dem Tode wird ihn die Nachwelt doch verehren.

Traurig waren seine letzten Lebensjahre, denn, des Augenlichtes beraubt, hat er viel Ungemach erdulden müssen.

 

Sanft ruhen seine Gebeine!

 



[i] Johann Ruckstuhl, * 12.12.1788 St. Urban (Gem. Pfaffnau),+ 31.10.1831 Koblenz (Rheinland), kath.; Sohn des Johann Balthasar, Klosterarztes in St. Urban, und der Maria Blum. oo 1826 Sophie Jordans, aus Mainz ( 1828). 1807-09 war R. Schüler und Lehrer in Yverdon am Institut von Johann Heinrich Pestalozzi. 1812-14 absolvierte er in Heidelberg und Paris philolog. Studien. 1815 nahm er eine Lehrerstelle an der Kantonsschule Aarau an und reiste im gleichen Jahr nach Deutschland und Paris, um am Feldzug gegen Napoleon teilzunehmen. R. publizierte in Deutschland mehrere Aufsätze mit dt.-patriot. und romant. Inhalt. Daraufhin korrespondierte er mit Johann Wolfgang von Goethe. 1816-20 wirkte er als Oberlehrer am Königl. Gymnasium von Bonn, ab 1820 als Lehrer in Koblenz. 1814-29 gehörte R. dem Luzerner Grossrat an, ohne aber je anwesend zu sein. Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz

[ii] Johann Jacob Nöggerath (* 10. Oktober 1788 in Bonn; † 13. September 1877 ebenda; auch: Noeggerath) war ein deutscher Mineraloge und Geologe. Quelle: wikipedia

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