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20. Jahrhundert -> 1926, 27. Oktober Verregnete Wendelstage und die neuen Brückenheiligen

Über die verregnete Wendelskirmes von 1926 und die neuen Brückenheiligen

 

Selbst die ältesten Leute können sich nicht erinnern, ein derartig verregnetes Wendelsfest erlebt zu haben, wie wir es heuer hatten.

 

Schon die letzten Tage vor der Kirmes ließen Böses vermuten. Aber die Tatsachen haben alle Annahmen übertroffen. Regen und Schnee, Sturm und in der Nacht zum Dienstage ein heftiges Gewitter mit Donner und Blitz, das alles hat zusammengewirkt, den Kirmesbesuch und die Kirmesfreude nicht hochkommen zu lassen.

 

Auf die Wallfahrt hatte freilich selbst dies schlechte Wetter nicht allzu ungünstig eingewirkt. Denn am Sterbetage unseres Patrons und auch am Samstage vor dem Feste kamen große Scharen frommer Pilger namentlich aus der Saargegend und aus dem Hochwalde, um St. Wendalin ihre Verehrung darzubringen. Staunend betrachteten sie die neuen Standbilder des heiligen Wendalin und des heiligen Johannes von Nepomuk, die in den letzten Tagen auf der Bahnhofs= und Johannisbrücke aufgestellt worden sind. In der Kunstwerkstätte Mettler zu Morbach aus Muschelkalk gehauen, stellen sie einen prächtigen Schmuck unserer beiden Brücken dar. Leider kamen die beiden Figuren bei dem dunklen Regenwetter nicht voll zur Geltung. Auch sie hätten wie das ganze Fest, das sie inaugurieren sollten, des goldenen Sonnenschein bedurft. So lag der Regen nicht nur drückend auf ihnen, sondern auf der ganzen Stimmung.

 

Selbst auf dem Vergnügungsplatze wollte keine rechte Freude aufkommen. Die Stadt hatte zwar den ganzen Platz vor= und fürsorglich mit Splitt überdecken lassen, aber bei dem Wasserreichtum, der von oben und von unten quoll, half alles nichts. Bald hüpfte männiglich mit langen Stelzbeinen im Matsche, und mancher Spangenschuh zog Wasser. In den hübsch geheizten Wirtschaften und Konditoreien herrschte noch die beste Stimmung und mancher Schoppen wurde geleert. Auch die Bälle waren gut besucht.

 

Natürlich litt auch der Wendelsmarkt unter den Unbilden der Witterung. Dazu kam die Sperre gegen den Auftrieb an Klauenvieh [wegen der grassierenden Maul- und Klauenseuche]. Damit war eigentlich schon von vorneherein das Todesurteil gegen den Markt gesprochen. Denn der Bauer kann nur Geld ausgeben, wenn er es zuvor gelöst hat. So waren zum Markte zahlreiche Verkäufer, wenig Käufer gekommen. Umsonst schrie sich deshalb selbst der wahre Jakob die Kehle heißer, und um manche Hoffnung ärmer haben viele Budenbesitzer am Abende ihre verregneten Waren eingepackt. Auch den Kunstinstituten, die den Neumarkt Bude an Bude bevölkerten, ist es herzlich schlecht ergangen. Gar mancher Schausteller hat kaum die Platzmiete herausgebracht.

 

Aber wenn man Gesamtbild der diesjährigen Wendelskirmes zeichnen soll, so muß man ihr doch die Note geben, sie war gemütlich und ist ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Und noch lange wird man von der zwar verregneten, aber doch hübschen Kirmes des Jahres 1926 sprechen.

 

Quelle: St. Wendeler Volksblatt, 27. Oktober 1926, eingesehen im Stadtarchiv St. Wendel.

 

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Über die Firma Mettler aus Morbach, dem "Oberammergau des Hunsrücks",  fand ich diesen Artikel „http://www.roscheiderhof.de/kulturdb/client/einObjekt.php?id=14957“

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