Menschen und Häuser
Über die Einwohner von Alsfassen und Breiten zwischen 1211 und 1774
Die Geschichte der drei Orte, die mit St. Wendel einen gemeinsamen Bann haben, beginnt in grauer Vergangenheit; über ihre Ursprünge können wir nur Vermutungen anstellen. Anders ihre schriftlichen Ersterwähnungen, über die an anderer Stelle schon geschrieben wurde. Bei Breiten und Alsfassen sind mit diesen Ersterwähnungen Namen von Personen verknüpft, die dort wohnen. In Breiten sind es Arnould und Conrad im Jahre 1211, in Alsfassen kennen wir Albert von Alzazen im Jahre 1304. Niederweiler dagegen wird zwar im Jahre 1343 genannt, aber nur in Zusammenhang mit der dortigen Mühle.
Über die anderen Menschen erfahren wir aus diversen Dokumenten in den verschiedenen Archiven in unserer Heimatstadt und auch außerhalb. Allerdings vergehen von der urkundlichen Ersterwähnung im Jahre 1211 gut 230 Jahre, bis die nächste Person genannt wird, die in Breiten wohnt: Heinz von Breiten, Schultheiß von St. Wendel, siegelt am 10. Dezember 1441 einen Grundstücksverkauf in Urweiler [Pfarrarchiv St. Wendelin US 52]. Unter den Schöffen des äußersten Gerichts werden am 14.02.1478 Peter Ledermeyer und Jacob von Breiten genannt [Pfarrarchiv St. Wendelin, US 168.].Die Namen von Leuten aus Alsfassen nach 1304 erfahren wir erst in der Steuerliste des Jahres 1502 [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 E Nr. 1350]
1 rheinischer Gulden zu 26 Albus
1 Albus zu 12 Heller
1 Ort zu 1/4 Gulden zu 6 Albus 6 Heller
"hynach folgt offgelett sture gelt In ambt vvnd hoich gericht sannt Wendelin durch Ambtmann Scholtes Scheffenn vnd Buddel daselbst vffgelegt vnd angesetzt worden Anno 15zwey (...)
[= „im Im Anschluß folgen die festgesetzten Steuergelder im Ambt und Hochgericht St. Wendel, wie sie durch den Amtmann, den Schultheiß, die Schöffen und den Büttel im Jahre des Herrn 1502 selbst errechnet und festgesetzt wurden“]
zu breyttenn
item Michaell | 4 albz |
item hoffmans jeckell | 1 ort eyns rh guld |
item schnyder clese | 1 ort eyns rh guld |
item heyntz kammer | 3 ort eyns rh guld |
item thonig mulner | 1 ort eyns rh guld |
item schutzgin | ein halben rinschen gd |
zu altzfassenn
item Junghenne | eyn ort eyns rh gd |
item hans wagner | eyn ort eyns rh gd |
item gerlochs heintz | 4 albz |
item lutten petgin | eyn ort eyns rh gd |
item der gyger | 2 albz |
item horres jeckell | eyn ort eyns rh gd |
item symont | eyn ort eyns rh gd |
item Niclas hyrt | 4 albz |
item conratz frampe | 4 albz |
item Murehans | 1 ort 1 rnschen gulden" |
Die Einwohner von Niederweiler gehören in der Steuergeldliste nicht zur Stadt, die von Alsfassen und Breiten dagegen sehr wohl. Das ergibt sich aus der Reihenfolge der Nennungen wie aus folgendem Satz:
"die nachvolgende sitzen oßwendig der statt und im hochgericht sant wendelin“
[="die nachfolgenden sitzen außerhalb der Stadt, gehören aber ins Hochgericht St. Wendel".]
ime Bruelle
item foltzen hans | 4 alb |
item petter lauwer | eyn halben rinschen gl |
item link | 2 alb |
item scholgin | 2 alb |
[Die Brühlhauser standen zwischen dem Todbach sowie der heutigen Kelsweiler- und Brühlstraße, auf jeden Fall außerhalb der Stadtmauer; das galt natürlich ebenso für Alsfassen und Breiten].
zu Nyderwiller
item Scheffer heintz | 4 alb |
item scheffer clese | 4 alb |
item ulner henchgin | 4 alb |
item Eberhart | 4 alb |
item der mulner | eyn ort eyns rinschen gl |
item Trutgins hans | 4 alb |
item der Zyegeller | 2 alb |
item Roitfos | 4 alb |
item hackenner | eyn ort eyn rinschen gl" |
Im 16. Jahrhundert gibt es nicht viele schriftliche Dokumente, die sich mit Alsfassen, Breiten und Niederweiler befassen oder Menschen aus diesen Orten nennen.
Aus dem Jahre 1572 erfahren wir, daß Mattes Lauer zu Breiten von seinem Vetter Brodt Velten aus Ottweiler dessen ererbte Güter gekauft hat [Stadtarchiv St. Wendel, A 38, Seite 18 bis 25]. Am 23.01.1586 lesen wir in einer Gerichtssache, daß einer der beiden Schöffen Wendell Schitzgen zu Breiten heißt [Stadtarchiv St. Wendel, A 40, Seite 92 bis 95]. Laut Ungeldrechnung des Jahres 1587 hat Lawen Hanß zu Alsfassen 30 Reichsthaler 5 1/2 alb zu bezahlen [Stadtarchiv St. Wendel, A 17 Ungeldrechnungen. Das Ungeld war eine städtische Verbrauchssteuer auf alkhoholische Getränke.].
Im Jahre 1580 wird Michael Marx geboren. Er heiratet 1616 die sechs Jahre jüngere Gertrud Meminger, Tochter von Abraham Meminger und Helene Schreyner aus Trier-St. Gangolf, eine Nichte des Pastors von St. Wendel. Das Ehepaar läßt sich in St. Wendel nieder; da Michael aus Alsfassen stammt, wird er "der Mann aus Alsfassen" genannt oder einfach "Alsfasser". Schon seine ältesten Kinder Peter und Maria, die um 1620 in St. Wendel geboren werden, tragen diesen Namen. Und ihre Nachkommen tun dies bis auf den heutigen Tag.
Nicht viel über Personen, aber über Zuständigkeiten teilt uns das sog. Feuerbuch des Bistums Trier in seiner Uffhrychenongh der Hocheitt, Grundtgerechtigkeit Hoche, Mittell, und Nider Gerichtsparkeit, Im Ampt St. Wendelin Anno 1563 mit [=Auflistung der Hoheit, Grundgerechtigkeit, Hohen, Mittleren und Niederen Gerichtsbarkeit im Amt St. Wendel im Jahre 1563].
Altzuassen ist dem Hochgericht und Amt St. Wendel zugehörig und besteht aus 15 bewohnten Häusern (Feuerstellen). Hier wohnen keine Leibeigenen. Die direkten Steuern, die die Einwohner von Alsfassen, an das Amt St. Wendel zahlen, die sog. Schatzung, beträgt zusammen mit der aus Breiten und Niederweiler stets 30 Thaler und 11 Batzen.
Breitten ist allein dem Hochgericht und Amt St. Wendel zugehörig und besteht aus 8 bewohnten Häusern. Auch hier gibt es keine Leibeigenen. Die Schatzung wird an das Hochgericht und Amt St. Wendel gezahlt und ist im Betrag von Alsfassen enthalten.
Niderweiller ist allein dem Hochgericht und Amt St. Wendel zugehörig und besteht aus 12 bewohnten Häusern. Auch hier gibt es keine Leibeigenen: "So einer seine schuld beZahlt, magh Er seiner gelegenheit hinZiehen wohe es Ime geliebet." Die Einwohner zahlen ihre Schatzung an das Hochgericht St. Wendel, die ebenfalls im Betrag von Alsfassen enthalten ist. Sie geben Schatzung ins Hochgericht.
Vier zeitlich aufeinanderfolgende Listen des frühen 17. Jahrhunderts geben uns Anhaltspunkte über die Bewohner der drei Dörfer, wenn auch in einem enggesteckten zeitlichen Rahmen [Stadtarchiv St. Wendel: Schatzung 1600 = A 41, fol. 8ff; Casiackengeld 1605 = A 58, fol. 19-20; Schatzung 1609 = A 273, fol. 4ff; Schatzung 1611 = A 274, fol. 5ff.]:
Altzfassen | ||||
Name | 1600 | 1605 | 1609 | 1611 |
Apel Georg, Mülner | x |
|
|
|
Baltes Endres | x | x | x | x |
Baltes Sybert, Betler | x | x |
|
|
Conrards Petgen | x | x | x | x |
Fickeisen Johannes |
|
| x | x |
Foltzen Cloß |
|
| x | x |
Goltschmitt Heinrich |
| x | x | x |
Horres Hans |
|
| x | x |
Jung Hansen Mattheis | x |
|
|
|
Jung Hansen Peter |
| x | x | x |
Klein Sebastian |
|
|
| x |
Kuhn Peter |
|
| x | x |
Lauten Barbel Wittib | x |
|
|
|
Lauten Endres | x | x | x | x |
Muln Michel |
| x | x |
|
Schneider Hans | x | x | x | x |
Schue Thonius, Betler | x | x | x | x |
Schuh Wendel |
|
|
| x |
Thomas Frantz | x | x |
|
|
Thomas Hans, Wendels Sohn |
| x |
|
|
Thomas Michel | x | x | x | x |
Thomas Wendel | x |
|
|
|
Voltzen Mattheis, Betler | x | x |
|
|
Wendel Conradt | x | x | x | x |
Wendel Matthes | x | x | x |
|
Breiten | ||||
Name | 1600 | 1605 | 1609 | 1611 |
Baltes Claußgen | x | x | x |
|
Baltes Hans | x | x | x | x |
Claus Mattheis | x | x | x | x |
Dielen Barth | x | x |
|
|
Hoffmann Peter von Wallh. | x |
| x | x |
Lamen Frantz, Hirth | x | x | x | x |
Lauth Johannes | x |
|
|
|
Muelen Johan |
| x | x | x |
Schmidt Hanns |
|
| x | x |
Wagner Heinrich |
| x |
|
|
Wagner Johannes |
| x | x | x |
Wagner Theobald jr. | x |
|
|
|
Weber Cloß |
|
| x | x |
Niederweiler | ||||
Name | 1600 | 1605 | 1609 | 1611 |
Brandtbeck Nickel |
|
| x | x |
Hackners Mattheis | x | x | x | x |
Haffner Clauß | x | wittib |
|
|
Haffner Pauly |
|
| wittib | wittib |
Klein Jacob | x | x | x | x |
Krug Paulus | x | x | Erbe | Erben |
Lentz Nickel |
| wittib | wittib | wittib |
Peter Schor |
| x |
|
|
Rhorbach Peter | x |
|
|
|
Teck Wendel |
| x |
| x |
Theiß Colman |
|
|
| x |
Da alle Steuern nach dem gleichen Schlüssel berechnet werden, können wir aus dem Schatzungsregister der drei Orte im Jahre 1605 für jeden Einwohner anhand der veranschlagten Steuern in etwa auch den Wert seines Vermögens feststellen [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7440, fol. 17.]:
Niederwiler | |
Heckmanns Matheis | 1 R 19½ alb |
Peter Rhorbach | 16 alb 2 g |
Jacob Klein | 19½ alb |
Paulus Krugh | 1 R 1½ alb |
Nickel Lentz | 12 alb |
Clauß Haffner | 12½ alb |
Breiten | |
Baltes Claußgen | 20 alb 6 g |
Wagners Johannes | 13½ alb |
Mueler Johan | 18 alb 2 g |
Henrich Goltschmit und Hoffman | 1 R 15 alb 2 g |
Matheis Clauß | 1 R 19½ alb |
Thomas Wendels Sohn Hans | 14 alb |
Baltes Hanß | 1 R 17½ alb |
Lamen frantz | 9 alb 2 g |
Bielen Barth | 15 alb 2 g |
Altzfaßen | |
Baltes Endres | 17 alb |
Voltzen Matheis | 12 alb |
Hans Schneider | 15½ alb |
Conradts Wendel | 14 alb |
Matteis Wendel | 1 R 5¼ alb |
Jungh Hanse Peter | 1 R 13½ alb |
Thomas Michel | 1 R 1½ alb |
Thomas Frantz betler | 3 alb |
Schor Thonius betler | 3½ alb |
Mueler Michel | 12 alb |
Henrich Wagner | 13 alb |
Baltes Seibert | 6 alb |
Conrardes Petgen | 12 alb |
Lauter Endreß | 12 alb" |
Im darauffolgenden Jahr - 1606 - wird in St. Wendel das sog. Sall und Gültbuch der Kellerey St. Wendell uber deroselben Hoch und Frey undt Grundgerechtigkeit, Schafft, Güllt, Frohn Dienst, Zinß, Zehenden, undt andere zugehörige herausgegeben [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7435, folio 12 und 13; alle Texte in unsere moderne Sprache übertragen.]:
"Niederweiler bey S: Wendel. Dieses kleine Dorf Niederweiler, das zur Zeit etwa 7 Feuerstätten beinhaltet, gehört in die Breitener unter der Alsfassener Gemeinde. Ansonsten, was Schatzungen, Huldigungen, Volg, Reiß, Gebott, Verbott, Hoch und Obrigkeit anbelangt, gehört es in das Amt und Hochgericht St. Wendel. Alle Einwohner sind frei, d.h. sie sind keinem Herrn leibeigen und können ziehen, wann und wohin sie wollen. Nur der Grund und Boden, auf dem ihre Häuser stehen gehört zum einen Teil der Kirche, zum anderen Teil gehört er zum Jungfrauenschaft. Die Entscheidung, welche Grundherrschaft für welche Straßenseite zuständig ist (Grundgerechtigkeit), orientiert sich am Verlauf des Fußpfades, der von der Blies zur Stadt St. Wendel hinaufführt, d.h. die rechte Straßenseite (südlich) gehört zum Jungfrauenschaft, während die linke Straßenseite (nördlich) zum Kirchengut gehört."
Die Jungfrauengüter, auch Jungferngüter genannt, gehen zurück auf eine Jungfer Adelheid von Schaumburg, die diesen Besitz zwar in der Familie von Schaumburg beließ, die Aufsicht darüber aber an die Kellnerei St. Wendel übertrug. Adelheid von Schaumburg war eine Tochter von Johann von Schaumburg und seiner Frau Elisabeth. Ihr Bruder Adam von Schaumburg taucht 1480 als Mitglied der Sebastianus-Bruderschaft in St. Wendel auf. Nach ihrem Tod gingen die Jungfrauengüter an ihren Erben Christoph Richter aus St. Wendel. Im 17. Jahrhundert hat die Familie von Hame viele Güter von den Erben Christoph Richters gekauft. [Landesarchiv Saarbrücken, HV J2, Güterbuch der Familie von Hame.]
"Breitten Altzfassen. Diese beiden Dörfer liegen nahe bei der Stadt St. Wendel und stoßen fast zusammen. Sie gehören unmittelbar in der St. Wendeler Amt und Hochgericht, auch was Obrigkeit, Schatzung, Volg, Reiß und Huldigung betrifft. An Einwohnern zählen sie zusammen 20.
Die Häuser der meisten Einwohner stehen auf Grund und Boden des Kurfürsten in Trier. Ausnahmen bilden die Häuser von Johann Wieber und Heintzenbauer in Breiten, sie stehen auf Grundstücken, die der St. Wendeler Pfarrkirche gehören. Die Häuser von Frantz Lauwer und Schoe Thönnuß stehen auf Klockengütern, während das Backhaus von Baltes Hanß und ein weiteres Haus, in dem jetzt Lamen Frantz wohnt, auf Gründstücken stehen, die zum Jungfrauenschaft gehören. Jedoch spielt der Standort keine Rolle für alle diejenigen, die Güter besitzen, deren Besitz mit einer Dienstleistung an die Kellnerey verbunden ist (Dienstgüter), sie können von der Kellnerey zu Fron- und sonstigen Arbeiten verpflichtet werden. Sie sind lediglich von den Abgaben und Dienstleistungen Wachter Korn, Fastnachtshühner, Sommerhähne und Wergspinnen befreit. Übrigens gehört Heintzen Peters Haus zum Jungfrauenschaft."
Rechtsbegriffe:
Gebot: genau definierte Befehle oder Aufträge, eine Tätigkeit durchzuführen
Grundgerechtigkeit (Teil des Servituts): ein dingliches Nutzungsrecht an einem fremden Grundstück
Hochgericht: 1) das Recht auf Handhabung der Gerichtsbarkeit in allen wichtigen zivilen und peinlichen Sachen; 2) das peinliche Gericht und die Gerichtsstätte; 3) ein jährlich nur ein oder einige Male wiederkehrendes Gericht zur Entscheidung wichtiger Fälle [Wörterbuch der Deutschen Sprache, Jakob und Wilhelm Grimm, Band 10, 1618 und 1619.]
Huldigung: Nach dem Tode eines regierenden Ertzbischofs und Kurfürsten in Trier wird durch das Domkapitel in Trier ein neuer erwählt. Alle Bürger ohne Ausnahme haben die Pflicht, einen Treueeid, Huldigung genannt, auf ihn zu schwören, worin sie sich verpflichten, ihm untertan zu sein.
Reiß: Botengänge, die von einer Obrigkeit befohlen werden
Salbuch: ein Buch, in welches alle einem Eigenthümer gehörenden Grundstücke, an den selben gemachten Schenkungen und die daraus fließenden Einkünfte urkundlich eingeschrieben sind [Wörterbuch der Deutschen Sprache, Jakob und Wilhelm Grimm, Band 14, 1694]..
Schaftgut: ein Erbgut; der Besitzer zahlt dem Eigentümer einen Zins in Form von Geld oder Naturalien
Volg: folgsames Antreten zum befohlenen Dienst
[http://www.queichtalmuseum.de/historisches/weistum_von_1599.htm.]
Verbot: genau definierte Befehle, bestimmte Tätigkeiten nicht durchzuführen
In diesen obengenannten Dörfern, die eine Gemeinde bilden und eine gemeinsame Weide nutzen, wohnt nicht ein leibeigener Mann. Bestimmte Orte werden von ihnen wie von den Bürgern der Stadt St. Wendel gemeinsam für den Viehtrieb und die Weide benutzt."
Leider ist es heute nicht mehr möglich festzustellen, welches der genannten Häuser wo gestanden hat. Auch nicht ungefähr, da uns die Bezugspunkte fehlen. In der Lichtmeßnacht des Jahres 1677 wurde die Stadt St. Wendel bis auf fünf Gebäude, die innerhalb der Stadtumgrenzung lagen, vollständig dem Erdboden gleichgemacht. Es gibt Anzeichen dafür, daß diese Zerstörung auch die Vororte betraf, obgleich in einem vorliegenden Augenzeugenbericht nur von der Notmühle am Bosenbach die Rede ist. Doch dazu später mehr.
Aus dem Jahre 1627 liegt eine Güterbeschreibung - Descriptio Bonorum - vor, die am 23. September durch den Kellner Lothar Letigh und den Schultheißen Bernhard von Hame in Begleitung der beiden Hochgerichtsschöffen Peter Voltz und Theobald Culmann angefertigt wurde. Ziel dieser Maßnahme war - wie so oft - die Höhe von Abgaben festzustellen. [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7442 "Ambts St. Wendel Descriptio Bonorum".]
Grundlagen der Abgabenhöhe-Findung waren:
=> Gebäude, meistens ein Haus, auch Wohnhaus genannt, oder eine Mühle
=> Acker-, Wiesen- und Gartenland
=> nicht nutzbares Land, das sog. Wildtland
=> Pfandtschaft
=> Nahrungh, auch Ungeld genannt: das sind städtische Verbrauchssteuern
Daraus wurde die Höhe ermittelt für
=> eine allgemeine Steuer (siehe "Gibt"), die sich aus dem Wert der angegebenen Positionen ermittelt
=> Rauchgelt: eine Herdsteuer, fällt an, wenn der Steuerpflichtige ein Haus besitzt; da der Betrag entweder 12 alb oder null beträgt, gehe ich davon aus, daß es sich um eine Pauschale handelt, d.h. kein Haus = null, ein oder mehrere Häuser = 12 albus.
Die Währung wird in F = Florin = Gulden, Albus und g = Groschen angegeben.
"Descriptio Bonorum
(folio 1) Vorgenommen den 23. Septembris 1627. In gegen warde Irer Churf. Gf. Kelneren Herrn Lothario Letigh, Bernhardt Dhamen Scholtissen, Peter Voltz und Theobalden Culman beider Hochgerichts Scheffen Zue St: Wendalin (...)
(fol. 12) Niederweiler
Hans Krugh, Haffner
Hauß 120 F
Ackerlandt 80 F
Wiesen 30 F
Garten 30 F
Pfandtschaft 40 F
Wildtlandt 2 F
Nahrungh 50 F
Gibt 14¼ alb
Rauchgelt 12 alb
Bast Krugh, Haffner
Hauß 130 F
Ackerlandt 40 F
Wiesen 0
Garten 16 F
Nahrungh 60 F
Gibt 6 alb
Rauchgelt 12 alb
Nickel Brandtbeck
Hauß 100 F
Ackerlandt 50 F
Wiesen 45 F
Garten 40 F
Nahrungh 20 F
Wildtland 25 F
Gibt 7½ alb
Rauchgelt 12 alb
(fol. 12')
Hans Brandtbeck
Schomacher wohnt bei Vorgl. seinem Vatter
Nichts ererbt 0
Nahrungh 50 F
gibt 1½ alb
Zimmer Hänßgen re et nomine (???)
Hauß sambt einem garten 40 F
kein fernere gärten
Gibt 10 g
Rauchgelt 12 alb
Peter Schwan vor sich und vor seine Kinder
Wohnhaus 200 F
Noch ein Hauß Zu Urweiler 200 F
Ackerlandt 180 F
Wiesen 240 F
Garten 45 F
Wildtlandt 16 F
Pfandtschafft 70 F
Nahrungh 150 F
Gibt 1 F 5 alb
Rauchgelt 12 alb
Nota seindt Ime an garten abgeloist oder Verkaufft vor 400 F
Theobalt Gräser
handtiert mit Wollen Und Leinentuch
Hauß 60
Wiesen 15
Pfandtschafft 556
Außgelauwen gelt 15
Noch ein garten Und felt 11
Nahrungh samt irrugh Und bahrschafft 250
Gibt 1 F 2½ alb
Rauchgelt 12 alb
Theobald Culman alß Vormund Theis Culmans Kinderen, so betler
Hauß 40 F
Ackerlandt 30 F
Wiesen Und garten 7 F
Gibt 1 alb 6 g
(fol. 13)
Altzfaßen Und Breiten
Hans Foltz Müller [Alsfassen]
Wonhaus 100 F
Ein Mhulle [Felsenmühle bei Alsfassen] 100 F
Ackerlandt Und Wildtland 20 F
Nahrungh 25 F
Gibt 5 alb 2 g
Rauchgelt 12 alb
Nickel Becker Vor sich und seine Stieb-Kinder
Hauß 100 F
Noch ein Hauß in der Statt 100 F
Ackerlandt 140 F
Wiesen 75 F
Garten 25 F
Wildtlandt 3 F
Pfandschafft 27 F
Nahrungh 150 F
Gibt 16½ alb
Rauchgelt 12 alb
Baltes Peter, Stroeschneider
Haus 50
Ackerlandt 10
Pfandschafft 40
De Reliquo ["vom Rest"] nihil
Gibt 2½ alb
Rauchgelt 12 alb
Baltes Hans
Hauß 200 F
Ackerlandt 120 F
Wiesen 180 F
Garten 20 F
Wildtlandt 5 F
Pfandschafft 32 F
Nahrungh 200 F
Gibt 20 alb 6 g
Rauchgelt 12 alb
(fol. 13')
Thomas Hans, Leinenweber
Hauß 100 F
Ackerlandt 45 F
Wiesen 37½ F
Garten 10 F
Wildtlandt 2 F
Pfandschafft 10 F
Nahrungh 25 F
Gibt 6 alb
Rauchgelt 12 alb
Heintzen hans, Stroeschneider
Hauß 100 F
Ackerlandt 10 F
Wiesen 15 F
Garten 8 F
Pfandschafft 18 F
Nahrungh 0
Gibt 3½ alb
Rauchgelt 12 alb
Horres Hans
Wonhaus 90 F
Ackerlandt 30 F
Wiesen 30 F
Garten 8 F
Wildtlandt 6 F
Nahrungh 0
Gibt 4 alb 2 g
Rauchgelt 12 alb
Conrad Zimmermann, dicessit [weggezogen] N
Bastian Schuch, Steinmetz
Hauß 80 F
Ackerlandt 60 F
Wiesen 60 F
Garten 20 F
Pfandschafft 15 F
Nahrungh 20 F
Gibt 7 alb 2 g
Rauchgelt 12 alb
(fol. 14) Bastian Klein, Haffner, discessit 0
Schwan Cläuß Zue Altzfaßen
Hauß 50 F
Ackerland 50 F
Wiese 45 F
Garten 20 F
Pfandtschaft 70 F
Nahrungh 0
Gibt 6½ alb
Rauchgelt 12 alb
Theis Glasen
Hauß 158 F
Ackerlandt 10 F
Wiesen 8 F
Garten 30 F
Plus debet quam habet [er schuldet mehr, als er besitzt]
Gibt 4½ alb
Rauchgelt 12 alb
Hoff Jacob
Hauß 50 F
Ackerlandt 12 F
Wiesen 0
Garten 3 F
Nahrungh 25 F
Gibt 2 alb 9 g
Rauchgelt 12 alb
Thomas Jo(hann)es, Taglöhner
Hauß 150 F
Ackerlandt 30 F
Wiesen 22½ F
Garten 3 F
Nahrungh 0
Gibt 4 alb 5 g
Rauchgelt 12 alb
(fol. 14')
Joes Fickeisen Vidug, dienstknechts Weiß
Hauß 60 F
Erbgütere 100 F
Außgelehnt gelt 50 F
Nahrungh 0
Gibt 5½ alb
Rauchgelt 0
Schoe Thonius
Hauß 60 F
Ackerlandt 10 F
Wiesen 0
Garten 10 F
Nahrungh 0
Gibt 2 alb
Rauchgelt 12 alb
Mattheis Georgh
Ein Sechste Theil Hauses 18 F
Ackerlandt 85 F
Wiesen 120 F
Garten 10 F
Pfandtschafft 40 F
Nahrungh 50 F
Gibt 9½ alb
Rauchgelt 12 alb
Junghhansen Haus
Hauß 60 F
Ackerlandt 120 F
Wiesen 150 F
Garten 30 F
Wildtlandt 23 F
Nahrungh 25 F
Gibt 11 alb 6 g
Rauchgelt 12 alb
(fol. 15)
Ruhe Agnes
Häußgen 30 F
Ackerlandt 10 F
Wiesen 5 F
Garten 10 F
Nahrungh 0
Gibt 7½ alb
Rauchgelt 12 alb
Voltzen Claus
Hauß 130 F
Ackerlandt 20 F
Wiesen 22 F
Garten 30 F
Nahrungh 25 F
Gibt 5½ alb
Rauchgelt 12 alb
Lauter Endres
Hauß 20 F
Ackerl. 10 F
Wiesen 15 F
Garten 25 F
Nahrungh 0
Gibt 2 alb
Rauchgelt 12 alb
Baltes Wendel, ledigen standts
Hauß 0
Ackerlandt Und Wiesen 17½ F
Garten 4 F
Nahrungh 0
Gibt 6 g
Muller Petges Wittib
Hauß 0
Ackerl. 10 F
Wildtlandt 2 F
De reliquo nihil
Gibt <s>3 g</s> N
Rauchgelt 0
(fol. 15')
Baltes Cläusgen, ein Hirth [Breiten]
hat kein Haus noch Erbgärten 0
Rauchgelt 12 alb
Hans Peter Brand, Müller
Hauß 160 F
Mhulle 160 F
Nahrungh 25
Gibt 7 alb 2 g
Rauchgelt 12 alb"
Bereits 1631 gibt es für diese Liste eine Ergänzung: Wendel Baltes aus Breiten, 1627 noch ledigen stands, hat geheiratet, und Hans Horres ist verstorben. Baltes und seine Ehefrau kaufen "des Horres Hans sel. Behausung samt Zubehör, der Scheune, Stallung, Garten, zu Altzfassen an der Straße gelegen, für 115 R". [Stadtarchiv St. Wendel, A 52, fol. 185]
Auch wenn die Stadt St. Wendel nach heutigen Erkenntnissen durch den Dreißigjährigen Krieg keine Zerstörungen hinnehmen mußte, sondern nur unter Kontributionen an hindurchziehende Truppen an den Rand des Ruins (und darüber hinaus) getrieben wurde, kamen ihre drei Vororte nicht so glimpflich davon. Aufzeichnungen über tatsächliche Ereignisse sind uns keine erhalten geblieben, aber aus dem Jahre 1643 gibt es eine weitere Feuerstätten-Liste, deren Aussagekraft in ihrer Kürze liegt:
"DESIGNATIO Aller und Jeder Feurstätt In der Statt und Ambt St. Wendel 1643 [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7435, fol 312']
Niederweiler 0
Breitten: Hanß Heintzenbaur
Baltuß Petgen
Hanß Heckman
Altzfaßen: Hanß Rieffer"
Niederweiler ist von allen guten Geistern verlassen worden - und von allen Menschen. Es hat sich nie wieder davon erholt. Als sich die Gemeinden Alsfassen und Breiten im Jahre 1704 eine Gemeindeordnung geben, ist Niederweiler immer noch nicht vergessen: "Demnach die gemeynde Alzfassen und Breiten alß wozu der Orth niderweyler wann Er erbawet würde, auch gehörig" [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7468, fol. 7.]
Am 27. Dezember 1659 wohnen im Amt St. Wendel 113 Bürger und ihre Familien. Davon leben 85 in der Stadt und 32 in den umliegenden Dörfern. In Altzfaßen sind es Hanß Rüffer, Peter Braun und Peter Balteß; in Breiten leben Hanß Heintzenbaur, Bernhart Wagner, Hanß Brantbeck, Johannes Balteß und der Felsen-Müller. Außer diesen sind nur noch Reitscheid, Roschberg und Urweiler bewohnt. [Stadtarchiv St. Wendel, A 48, fol. 59-63.]
In seinem Gütter Buch aus dem Jahre 1738 berichtet der St. Wendeler Amtmann Franz von Hame, daß sein Uhrgroß Vatteren Joan Dhame im Jahre 1655 das heutige Anwesen Alsfassener Straße 17 von Sebastian Klein gekauft hat. Während des Rechtsstreits zwischen den Bürgern von Alsfassen und den von Hameschen Erben sagen letztere aus, daß ihr Urgroßvater sein in "A(nn)o 1677 abgebranntes Hoffhauß, scheuer, stallung und schäfferey Zu Alsfassen wieder aufgebauet hat" [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C7557, §. 21]. Da in jenem Jahr die Stadt St. Wendel verbrannte und die umliegenden Orte durch französische Truppen systematisch niedergebrannt bzw. geschleift wurden, ist anzunehmen, daß sie auch vor den paar Häusern in Alsfassen und Breiten nicht halt machten. Der Wiederaufbau des genannten Hauses war im Jahre 1686 bereits wieder vollendet. Das geht aus dem gleichen Dokument hervor.
Wie bereits erwähnt, verabschiedete man in Alsfassen und Breiten im Jahre 1704 eine Gemeindeordnung, die im Abstand einiger Jahre immer wieder erneuert wurde. In der Ausgabe von 1737 ist auch eine Liste der Personen angehängt, die diese Version verabschiedeten: [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7468, fol. 7]
"1. Herr Franz Ernst D'hame
2. Andres Born
3. Joannes Fincklers Wittib
4. Niclas Wagener
5. Mathes Neumer
6. Hans Peter Schmid wittib
7. Niclas Cremer
8. Thomas Cremer
9. Philipp Kopp
10. Bast Rieffer der gärber
11. Joannes Spihlmann
12. Thiel Hochrathen wittib
13. Albertus Holzländers wittib
14. Joannes Baltes
15. Thiel Schmid
16. Peter Grein
17. Wendell Muller
18. Peter Gerdungs Wittib
19. Peter Boeffel
20. Bast Wagener
21. Jacob Muller
22. Christian Sayer
23. Jacob Wagener
24. Peter Rieffer
25. Bast Rieffer
26. Niclas Meixemer
27. Joannis Meisheimers wittib
28. Michel Schmid
29. Joannes Schubmehl
30. Sontag Kopp
31. Joannes Bayssel hatt die gemein ohn genohmen
32. die BounZen mühl. hatt die gemein ohn genohmen
33. Jacob Finckler hatt die gemein ohn genohmen
34. Hans adam Neumert hatt die gemein ohn genohmen
35. FranZ Goerg hatt die gemein ohn genohmen
36. Damien DanZenberg hatt die gemein ohn genohmen"
Über die folgenden fünzig Jahre hinweg gibt es nicht viele Unterlagen zu diesem Thema. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte werden die Nachrichten wieder zahlreicher. Wie etwa diese Liste aus dem Jahre 1774, die unter dem Titel "Alsfasser Dienstbare" die Anzahl der Familienmitglieder sowie der Pferde und Ochsen angibt. Damit wird bestimmt, welcher Haushalt zur Fuhrdiensten, also z.B. Transporten, herangezogen werden kann. [Landeshauptarchiv Koblenz, 1 C 7443 fol. 4-4']
Gemeinde Alsfaßer dinstbare | |||||||
Vorname | Name | man | frau | söhn | döchter | perd | ox |
Niclas | Altmeyer | 1 | 1 | 2 | 4 | - | 4 |
Jacob | Backen Wittib | - | 1 | - | - | - | - |
Hanßadem | Beyarts Wittib | - | 1 | 1 | 2 | - | 4 |
Wendel | Borren | 1 | 1 | 1 | 2 | - | 2 |
Johannes | Buchheit | 1 | 1 | 1 | 1 | - | 2 |
Jacob | Engel Scheffen | 1 | 1 | 3 | - | - | 4 |
Hanßadem | Finckler | 1 | 1 | 3 | 2 | - | 4 |
Lorentz | Freyden Wittib | - | 1 | - | 1 | - | - |
Wendel | Heßen Wittib | - | 1 | - | 1 | - | - |
Michel | Huschar | 1 | 1 | 1 | 2 | - | 2 |
Bartus | Juncker | 1 | 1 | 1 | - | - | - |
Jacob | Kobp | 1 | 1 | 1 | 2 | - | - |
Johannes | Korenbrost | 1 | 1 | 1 | - | - | - |
Johannes | Krämmer | 1 | 1 | 2 | 2 | - | 2 |
Niclas | Mäß | 1 | 1 | 2 | 1 | - | 4 |
Johannes | Müller | 1 | 1 | 2 | 3 | - | - |
Niclas | Müller | 1 | 1 | 1 | 2 | - | 2 |
Wendel | Riffer | 1 | 1 | 2 | 3 | - | 2 |
Simon | Schmit | 1 | 1 | 2 | 2 | 1 | 2 |
Frantz | Schubmehl | 1 | 1 | - | - | - | - |
Michel | Schwann | 1 | 1 | - | - | - | - |
Frantz | Seyller | 1 | 1 | - | 1 | - | - |
Frantz | Spilmann | 1 | 1 | - | 1 | 2 | - |
Peter | Stillenmunges Wittib | - | 1 | 1 | - | - | - |
Michel | Trost | 1 | 1 | - | 1 | - | - |
Hanßadem | Wagner | 1 | 1 | 1 | 1 | - | 2 |
Jacob | Wagner | 1 | 1 | 1 | 3 | - | - |
Niclas | Wagner | 1 | 1 | - | 3 | 1 | 4 |
Johanes | Wagners Wittib | - | 1 | - | - | - | - |
[Backen Wittib: das Wort "Wittib", also "Witwe", verlangt einen Genitiv; d.h. daß der verstorbene Jacob mit Familiennamen nicht "Backen", sondern lediglich "Back" hieß; gleiches gilt auch z.B. für den nächstfolgenden Hanßadem Beyart (Hans-Adam Bayard).]