1918/19 Ärzte in St. Wendel
Die ärztliche Leichenschau und die Ausstellung der Todesbescheinigungen in der Stadt St. Wendel in den Jahren 1918/19 wurden von folgenden praktizierenden Ärzten vorgenommen:
Die weitaus meisten Einträge stammen von Dr. med. Wilhelm Heinrich Engländer, was wohl daran lag, dass er jahrzehntelang Chefarzt des Marienkrankenhauses in St. Wendel war. Die Leute in St. Wendel wissen heute noch, dass er es mit strenger Hand leitete. Der gebürtige Kölner, Jahrgang 1878, kam im April 1913 von Bonn nach St. Wendel und wohnte zunächst in Kasinostraße 15. Seine Ehefrau Maria Elisabeth Leonie Monheim, die er im September 1913 in ihrer Geburtsstadt Aachen heiratete, starb schon zwei Jahre später in St. Wendel. Nach seiner Pensionierung studierte der Witwer Theologie und trat in das Kloster Himmerod ein.2 Er starb am 18. März 1959 in seiner Wahlheimat St. Wendel.
Direkt aus St. Wendel kam Dr. med. Heinrich Anton Friedrich Kockler (*1890). Dort lebte und arbeitete er, und er ist dort auch im September 1954 gestorben - in seinem Haus in der Werschweilerstraße 1. Dr. Kockler war zweimal verheiratet: 1921 mit Johanna Juliana Angel und 1924 mit Maria Barbara Kockler.
Ebenfalls ein „Lokalmatador“ war Dr. med. Wendel Baltes. Er wurde 1872 in Urweiler geboren und heiratete 1906 Maria Helene, die Tochter des Tabakfabrikanten Jakob Marschall. 1911 betrieb er seine Arztpraxis im Erdgeschoß seines Wohnhauses in der Brühlstraße 16, wo er schon damals über die Telefonnummer 60 zu erreichen war. Zwei Jahre vor seinem Tod im Januar 1937 übernahm seine Tochter, Dr. Helene Maria Elisabeth Baltes, seine Praxis.
Dr. med. Paul Müller, geboren 1888 in Dhaun, kam im Mai 1918 von Ruppertsheim nach St. Wendel, wo er bei Dr. Baltes in Karlstraße 18 wohnte. Aus einem Notariatsakt von 1922 erfahren wir, dass er sich zur Zeit in der Lungenheilanstalt Wasach in der Gemeinde Tiefenbach (nahe der Stadt Obersdorf im Allgäu) aufhält - ob als Patient zur Kur oder als praktizierender Arzt ist unbekannt.
Dr. med. Franz Ludwig August Scholly wurde 1879 in Wörth am Rhein geboren und kam im Oktober 1908 von Neunkirchen nach St. Wendel, wo er zunächst im Hotel Knoll ein Zimmer nahm. Das Adressbuch von 1911 nennt seine Praxis in der Alleestraße, das ist die heutige Mommstraße. Später baute er in Schlachthofstraße 18, wo er bis zu seinem Tod 1927 wohnte; gestorben ist er in Frankfurt am Main. 1908 war er Knappschaftsarzt, später praktischer Arzt in St. Wendel. Laut Landesadressbuch von 1927 war er unter der Telefonnummer 35 zu erreichen. Seine Ehefrau Franziska Apollonia Katharina Illig stammte aus Metz. Sie verließ St. Wendel im April 1951 und zog nach Algier.
Dr. med. Oswald Pavel Duda, * 11.04.1869 in Brieg, Kreis Breslau, kam mit Ehefrau Hildegard und den beiden Söhnen Hellmuth und Karl am 26.08.1918 von Recklinghausen nach St. Wendel; die Familie wohnte in Kasinostraße 14. Am 11. Februar 1921 zog Duda mit seiner Familie ins heute polnische Habelschwerdt (BystrzycaKlodzka), wo er sich der Insektenkunde (Entomologie) widmete. Sein Hauptgebiet waren die Diptera, die Zweiflügler, bestehend aus Fliegen und Mücken. Zwischen 1918 und seinem Tod am 21.11.1941 veröffentlichte Medizinalrat Prof. Dr. Pavel Theodor Friedrich Oswald Duda zahlreiche Artikel zu diesem Thema.1
Dr. med. Friedrich Otto Schubmehl aus Baumholder (geboren daselbst 1873) wohnte am Schloßplatz 2, wo er seine Praxis als praktischer Arzt und Knappschaftsarzt betrieb. Nach dem Tod seiner ersten Frau Adeline Therese Anna Klaehr im Februar 1915 heiratete er Charlotte Krüger. Am 14. August 1930 erlag er - vermutlich im Urlaub - am österreichischen Achensee einem Hirnschlag.
Dr. med. Julius Tietz aus Beeskow in Brandenburg (*1874) kam mit seiner Ehefrau Else Goerlitz aus Idar im Juni 1908 von Saarbrücken, wo ihre älteste Tochter Lieselotte zur Welt gekommen war, nach St. Wendel, wo Tietz die Stelle des Kreisarztes bekleidete. Die Familie wohnte in der Wendalinusstraße, wo ihre Kinder Käthe 1908 und - der Stammhalter - Werner Wilhelm Hermann 1911 geboren wurden. Im Sommer 1918 plante die Familie ihren Umzug nach Neuruppin in Brandenburg. Dr. Tietz begab sich bereits Ende Juni dorthin, seine Familie sollte später nachkommen. Dann wurde ihr Sohn schwer krank. Wohl um ihre Töchter zu schützen, sandte Else die beiden am 19. Juli zu ihren Verwandten in Idar-Oberstein, von wo sie erst am 12. August wieder zurückkamen. Ihr Bruder war zwei Tage nach ihrer Abreise an Lungenentzündung gestorben. Drei Wochen später verließen Mutter und Töchter St. Wendel für immer.
Weitere Ärzte, die die Leichenschau in St. Wendel 1918/19 vornahmen, waren:
Dr. Schneider. Er arbeitete 1918 im Marienkrankenhaus.
Dr. Leyendecker wird im Oktober 1919 zweimal genannt, aber nicht im Zusammenhang mit dem Krankenhaus.
Quellen
1. https://de.qaz.wiki/wiki/Oswald_Duda (21.04.2021)
2. Freundlicher Hinweis von Gerd Schmitt, St. Wendel.
aus: Priewer, Helmut/Geiger, Roland: Pocken, Masern und die Spanische Grippe. Seuchen in St. Wendel 1793-1919, St. Wendel, 2022.